Archäologie

Knochenfunde inmitten von Apenrade

Knochenfunde inmitten von Apenrade

Knochenfunde inmitten von Apenrade

Apenrade/Aabenraa
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Eines der Funde ist ein gut erhaltener Schädel eines Menschen, der wahrscheinlich im 16. Jahrhundert gestorben ist. Foto: Museum Sønderjylland

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Fünf Grabstätten sind bei Bauarbeiten an der Sankt Nicolaikirche gefunden worden. Die menschlichen Überreste erzählen von einer anderen Zeit und lassen Rückschlüsse auf das Leben damals zu. So zeigt ein Unterkiefer, mit welchen gesundheitlichen Problemen der Mensch seinerzeit zu kämpfen hatte.

Ein großer, rostiger Nagel ist im Boden zu erkennen. Wenige Zentimeter daneben liegt ein ovaler, rötlich-brauner Gegenstand. Es handelt sich dabei um einen Schädel. Der Nagel hat einmal die Sargbretter zusammengehalten, die heute vermodert sind und als graues Feld rund um den Schädel zu erkennen sind.

Der Schädel ist freigelegt. Dunkel bilden sich die Reste des Sarges in der Erde ab. Foto: Museum Sønderjylland

Der Fund wurde kürzlich an der Apenrader Sankt Nicolaikirche gemacht. Dort tauscht Arwos derzeit alte Abwasserrohre gegen neue aus und lässt Fernwärmeleitungen verlegen. Dass man dabei auf Gräber stoßen wird, damit hatte man gerechnet, denn zwischen etwa 1250 und 1826 zog sich ein Friedhof rund um die Kirche, der wahrscheinlich die Ausmaße des heutigen Kirchenplatzes hatte, wie Archäologin Christina Berg berichtet. Zusammen mit Kollegin Anne Eg Tornø leitet sie die Ausgrabung. In den vergangenen Tagen sind bei den Arbeiten immer wieder menschliche Überreste aufgetaucht.

Fehlende, mit Karies befallene und abgenutzte Zähne waren keine Seltenheit. Foto: Museum Sønderjylland

Zumeist handelte es sich dabei um Knochenfragmente, die lose im Boden verteilt liegen, denn bei früheren Bauarbeiten wurde weder auf ethische Grundsätze geachtet, noch wurde auf die Archäologie Rücksicht genommen. Das ist heute anders.

Alle Knochen und Knochenstücke werden fein säuberlich gesammelt, registriert und untersucht. „So können wir herausfinden, ob es sich um eine Frau oder einen Mann handelte, wie alt die Person war, als sie starb und manchmal sogar, woran sie gestorben ist“, berichtet Berg.

Die Knochenfragmente werden in einer Kiste gesammelt und mit ins Museumslabor genommen, wo sie genauer untersucht werden. Foto: Jan Peters
Archäologin Christina Berg mit einem der gefundenen Schädel Foto: Jan Peters

Solche Funde geben einen Blick in die Vergangenheit. „Wir wollen doch gerne wissen, wie die Menschen damals gelebt haben, was sie gegessen haben oder welche Krankheiten sie hatten“, sagt die Museumsinspektorin.

Das lässt sich allerdings erst sagen, wenn die menschlichen Überreste im Museumslabor untersucht wurden. Was allerdings schon jetzt feststeht: „Die Leute hatten damals wirklich Probleme mit den Zähnen. Starken Kariesbefall und Zahnstein finden wir bisher bei allen Unterkieferfunden“, erzählt Christina Berg. „Meist fehlen auch Zähne. Die Menschen mussten damals starke Zahnschmerzen gehabt haben“, schlussfolgert sie aus den bisherigen Funden.

Dieser Unterkieferknochen ist just ausgegraben worden. Dieser Mensch hatte am Todestag kaum noch Zähne. Foto: Jan Peters

Christina Berg zeigt einen Schädel komplett mit Unterkiefer, an dem zwei untere Schneidezähne fehlen. Den hat Kollegin Eg Tornø eben aus der Erde gerettet. Er lag unter einem Wasserrohr verborgen. „Es sieht so aus, als wenn dieser Mensch geraucht hat, und die Pfeife in die Zahnlücke passte. Damals, im 17. Jahrhundert, kam der Tabak gerade nach Dänemark“, erzählt sie. Viele hätten der Sucht gefrönt.

Eine damals weitverbreitete Krankheit war Tuberkulose. „Daran starben so einige.“

Berg und ihre Kolleginnen und Kollegen würden sich freuen, wenn bei den Arbeiten eine Begrenzung auftauchen würde, „sodass wir wissen, wie weit sich der Friedhof damals ausbreitete. Davon fehlt uns noch das Wissen, denn es gibt – soweit wir wissen – keine Karte darüber“, berichtet sie.

Archäologin Anne Eg Tornø mit einem neuen Fundstück Foto: Jan Peters

Die Gräber sind nach den damaligen christlichen Riten angelegt. Sie liegen in knapp eineinhalb Metern Tiefe. Die Körper sind mit dem Kopf in Richtung Westen, die Füße nach Osten und das Gesicht ist gen Süden gerichtet.

Die Arbeiten sind weiterhin nicht abgeschlossen. Langsam graben sich die Bauarbeiter voran, legen Rohre und Leitungen frei und stoßen dabei immer wieder auf Knochen und Fragmente. Um keine Funde zu zerstören, beratschlagen sich die Archäologinnen und die Mitarbeiter des Bauunternehmens Arkil.

Die Knochen gehören zu inzwischen mindestens sieben verschiedenen Menschen. Foto: Museum Sønderjylland
Kommen Knochen oder Knochenfragmente zutage, wird vorsichtig gearbeitet. Foto: Jan Peters

Das erste Mal, als sie auf menschliche Überreste gestoßen seien, „war schon komisch“, erzählt Tiefbaufachmann Rasmus Meyer. Bisher hätten sie nur Knochen von Erwachsenen gefunden. „Wir grauen uns ein wenig davor, Kinderknochen zu finden. Das wäre sehr traurig“, meint Meyer.

Die Bauarbeiten rund um die Sankt Nicolaikirche sollen Ende Dezember abgeschlossen sein. Die Knochen, die untersucht wurden, werden – in Absprache mit der Kirchengemeinde – neben der Kirche erneut begraben, sodass sie eine neue Ruhestätte bekommen.

 

 

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