Lokale Wirtschaft

Frauen und Selbstständigkeit: In Apenrade klappt’s

Frauen und Selbstständigkeit: In Apenrade klappt’s

Frauen und Selbstständigkeit: In Apenrade klappt’s

Apenrade/Aabenraa
Zuletzt aktualisiert um:
Majbritt Høj Nissen freut sich auf jeden Tag in ihrem Laden. Foto: Karin Riggelsen

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Mehr und mehr Frauen machen sich selbstständig. Das ist auch beim lokalen Beratungszentrum „Business Aabenraa“ bemerkt worden. Mitarbeiter Michael Dinesen berichtet von seinen Erfahrungen, und auch darüber, wo sich Frauen, die ein Unternehmen gründen, von Männern unterscheiden. Außerdem erzählt die Chefin von „Knit happens“, wie sie ihr eigener Boss geworden ist.

Immer mehr Frauen in Südjütland möchten sich selbstständig machen und suchen dabei Hilfe. Das geht aus Zahlen des Wirtschaftsförderers „Erhvervshuset Sydjylland“ hervor. Das Förderunternehmen sieht darin „ein Zeichen hin zu noch größerer Gleichberechtigung“, wie es vom „Erhvervshuset“ heißt.

Einsatz für Gleichberechtigung

Als Grund für die Tendenz sieht Per Rask Jensen den jahrelangen Einsatz der Politik für mehr Gleichberechtigung in diesem Bereich. Rask Jensen ist Sparringspartner beim „Erhvervshus Sydjylland“ und hilft Menschen bei der Unternehmensgründung.

Genauer sind es zwei Drittel, die den Wunsch hatten, sich selbstständig zu machen und sich dabei bei den Beratungsinstitutionen haben helfen lassen.

Vom Hobby zum Beruf

Eine von ihnen war Majbritt Høj Nissen. Sie hat mit dem Strickladen „Knit happens“ in der Apenrader Fußgängerzone ihr Hobby zum Beruf gemacht. Teilweise zumindest, denn Stricken war schon seit vielen Jahren ihre große Leidenschaft. Dann hatte sie die Idee, ein Geschäft für Handarbeitszubehör zu eröffnen. Bereut hat sie den Schritt seither nicht einen einzigen Tag, wie sie sagt.

Majbritt Høj Nissen bei der jährlichen Inventur. Sie hat vieles über den Beruf des Einzelhändlers gelernt und Erfahrungen gesammelt. Foto: Karin Riggelsen

Mit der Idee ist sie 2019 zu „Business Aabenraa“ gekommen, denn ohne Hilfe hätte sie es nicht gewagt, sagt die Apenraderin. Viele Zweifel waren – besonders in der ersten Phase – auszumerzen. Sie hat viele Gespräche geführt, mit ihrem Ehemann, mit der Familie, mit Freundinnen und Freunden – und dann ist sie bei „Business Aabenraa“ gelandet. Das kommunale Wirtschaftsförderzentrum bietet unter anderem sogenannte Gründerkurse (iværksætterkurser) an, wo die Grundlagen für Selbstständige erlernt werden.

Kampf gegen Zweifel

Bei jeder Gelegenheit stellte Majbritt Høj Nissen die Frage, ob ihre Geschäftsidee Erfolg haben kann. „Ich musste meine Zweifel regelrecht bekämpfen“, erinnert sie sich heute.

Geholfen hat dabei der Gründerkursus, den auch Majbritt Høj Nissen besucht hat, denn mit Buchführung oder Geschäftsführung hat sie als studierte Linguistin bisher kaum etwas zu tun gehabt. Sie hat einen Geschäftsplan ausgearbeitet und ist schließlich zur Bank gegangen, um die Finanzierung zu besprechen. Dort habe es keine Probleme gegeben, berichtet sie.

Nach einem dreiviertel Jahr mit vielen Gesprächen, zwei Fortbildungen zum Thema Selbstständigkeit, mehreren Beratungsgesprächen und einigen schlaflosen Nächten war es dann so weit: „Knit happens“ öffnete im Herbst 2019 am Nørreport die Ladentüren. Zuvor hat sie übrigens viele Jahre im Apenrader Touristenbüro gearbeitet.

Neuer Alltag

Heute sieht ihr Alltag anders aus. „Ich arbeite bestimmt mehr, als ich es als Angestellte getan habe. Ich mache die Arbeit jedoch für mich, und sie macht mir großen Spaß. Ich fahre morgens mit einem Lächeln auf den Lippen ins Geschäft“, erzählt sie.

Mit dem neuen Alltag musste sich auch die Familie arrangieren. „Die Überlegung, ein Geschäft zu eröffnen, betrifft schließlich alle.“ Da die beiden Jungen – heute sind sie neun und zwölf Jahre alt – vor nunmehr vier Jahren noch verhältnismäßig jung waren, war auch das ein wichtiges Thema bei der Überlegung. „Mein Mann und ich haben das durchgesprochen, und er kann am Nachmittag früher zu Hause sein. So ist jemand für die Jungs da“, berichtet die 47-Jährige.

Zur Selbstständigkeit im Einzelhandel gehört nicht nur der Kontakt mit den Kundinnen und Kunden, sondern auch das Auffüllen des Warenbestandes im Geschäft. Die Aufgaben seien vielfältig, findet Majbritt Høj Nissen Foto: Karin Riggelsen

Um dennoch Zeit mit den Kindern zu verbringen, hat „Knit happens“ einen Ruhetag in der Woche und zusätzlich – mitunter – einen Sonnabend geschlossen. „Meine Kundinnen und Kunden sind sehr verständnisvoll. Ich kündige die Öffnungszeiten in den sozialen Medien an, sodass die Leute wissen, wann ich abwesend bin.“

Eine „Flex-Jobberin“ hat Majbritt Høj Nissen inzwischen beschäftigt. Sie hilft ihr bei den alltäglichen Dingen im Laden.

Apenrader Wirtschaftsförderzentrum bestätigt Entwicklung

„Ich sehe die Person vor mir nicht als Frau oder Mann, sondern als Mensch, der sich selbstständig machen möchte“, sagt Michael Dinesen, Konsulent bei „Business Aabenraa“. Für ihn spielt das Geschlecht keine Rolle.

Auch in Apenrade, das bestätigen aktuelle Zahlen, gibt es inzwischen wesentlich mehr Frauen als Männer, die sich für die Selbstständigkeit interessieren. Woran das liegt, kann Dinesen nicht konkret sagen, vermutet jedoch wie sein Kollege Per Rask Jensen, dass die landesweiten Kampagnen wirken.

Frauen und Männer unterscheiden sich auf dem Weg in die Selbstständigkeit

Es gibt jedoch Unterschiede zwischen Männern und Frauen. „Wenn eine Frau zu mir kommt, dann hat sie einen Plan in der Hand. Einen genauen Plan, zu dem auch schon Finanzierungsvorstellungen gehören. Das haben nicht alle Männer. Die kommen teilweise mit ihrer Idee, aber ohne Plan“, berichtet Dinesen. Frauen planten strategischer als Männer, so die Beobachtung des „Business Aabenraa“-Konsulenten.

„Business Aabenraa“-Konsulent Michael Dinesen berät auf dem Weg in die Selbstständigkeit. Foto: Jan Peters

Frauen bereiten sich besser vor

Auffällig ist in der Kommune Apenrade, dass es bei den Gesprächen zwischen „Business Aabenraa“ und den angehenden Geschäftsgründerinnen und -gründern zunächst noch ein Gleichgewicht zwischen Frauen und Männern gibt. Bei der nachfolgenden Beratung überwiegt der Zahl der Frauen schon, und beim neun Lektionen umfassenden Gründerlehrgang sind die weiblichen Teilnehmenden deutlich in der Mehrzahl.

Apenrade hat viele Frauen, die sich selbstständig machen

Besonders stolz ist Dinesen auf die Anzahl derjenigen Frauen, die sich nach den Beratungen tatsächlich in die Selbstständigkeit begeben. Die liegt im Landesschnitt bei 30 Prozent, in Apenrade sind es dagegen 85 Prozent. „Auf die Gründerinnen und Gründer haben wir einen besonderen Fokus“, erklärt Michael Dinesen. Und das hat Folgen, denn jedes neue Geschäft bringt meist auch neue Arbeitsplätze mit.

Einen weiteren Unterschied hat auch Per Rask Jensen erkannt. „Viele der angehenden Geschäftsinhaberinnen haben keine Bedenken, Arbeits- und Privatleben zu verbinden, denn überwiegend sind sie schon etwas älter, wenn sie zu mir kommen. Die Familie ist gegründet, und sie sind bereits einige Jahre auf dem Arbeitsmarkt aktiv. Die Erfahrung gibt Selbstbewusstsein“, so der Berater.

 

 

„Business Aabenraa“

„Business Aabenraa“ ist eine eigenständige Institution, die 2011 aus „Erhvervenes Hus Aabenraa“ entstanden ist. 

Das erklärte Ziel ist es, die lokale Wirtschaft zu stärken, um die Konkurrenzfähigkeit der Kommune Apenrade zu verbessern. Übergeordnet sollen neue Arbeitsplätze geschaffen und neue Einwohnerinnen und Einwohner geworben werden.

„Business Aabenraa“ ist Koordinator und auch Initiator, damit alle, die die Entwicklung der Stadt fördern, miteinander ins Gespräch kommen. Dazu gehören die Kommune, der Gewerbeverband „Shop i City“ sowie die Ladeninhaberinnen und -inhaber.

Finanziert wird „Business Aabenraa“ von der Kommune. 

Der Vorstand besteht aus neun Mitgliedern: drei vom Stadtrat bestimmte Stadtratsmitglieder (darunter der Bürgermeister), drei aus dem Apenrader Gewerbeverein und drei von lokalen Akteuren gewählte Repräsentanten.

Mehr lesen

Nachruf

Meinung
Eric Vesterlund
„Claus Andersen in memoriam“