Geschichte

Archäologin entdeckt Totenkrone in Apenrade

Archäologin entdeckt Totenkrone in Apenrade

Archäologin entdeckt Totenkrone in Apenrade

Apenrade/Aabenraa
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Mit aller Vorsicht wurden die Knochen freigelegt. Foto: Museum Sønderjylland

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Die Ausgrabungen an der Nikolaikirche schreiten fort. Auf dem früheren Friedhof, der sich um die Kirche herum befand, haben die Wissenschaftlerinnen wieder spannende Artefakte für die Forschung gefunden. Welche Einblicke in die Vergangenheit diese ermöglichen, davon berichtet die zuständige Archäologin.

„Das ist ein besonderer Fund. So etwas haben wir in unserem Gebiet noch nie gesehen“, sagt Archäologin Christina Berg vom Museum Sønderjylland. Sie ist seit einigen Wochen damit beschäftigt, Bauarbeiten an der Apenrader Nicolaikirche zu begleiten. Dort werden Fernwärmerohre verlegt, und da in früheren Jahrhunderten rund um die Kirche der städtische Friedhof lag, sind die Mitarbeitenden vom Museum dabei.

Es wurden schon einige Gräber freigelegt, die den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Einblick in die vergangenen Jahrhunderte geben. So erfahren sie mehr über die Lebensbedingungen der Menschen damals.

Archäologin Christina Berg bei den Ausgrabungen an der Nicolaikirche (Archivfoto) Foto: Jan Peters

Jetzt sind weitere Objekte aus der Erde gesichert und untersucht worden. Eines davon ist der von Christina Berg erwähnte Fund: Es handelt sich dabei um Haarschmuck. „Der Schmuck hat eine Qualität und Größe, die wir hier bis jetzt nicht gesehen haben“, schwärmt Archäologin Berg.

Bei dem Haarschmuck handelt es sich um einen vergoldeten Kupferdraht, der kunstvoll geflochten wurde. „Wir gehen davon aus, dass es eine sogenannte Totenkrone ist“, berichtet die Wissenschaftlerin.

Als die Archäologin ein Grab untersuchte, merkte sie schon, dass sich vor ihr etwas Besonderes zeigte. Vorsichtig versuchte sie, das Stück freizulegen. Es stellte sich  sich jedoch schnell heraus, dass es sich dabei um einen sehr filigranen und empfindlichen Fund handelt.

Schmuckreste Foto: Museum Sønderjylland

In welchem Zustand der Haarschmuck war? Keiner konnte das sagen. „Deshalb kam die Konservatorin, hat die teilweise freigelegte ,Krone‘ sicher in feuchte Gaze eingepackt und dann zu weiteren Untersuchungen mitgenommen“, schildert Christina Berg. Beim Museum Sønderjylland ist der Fund dann geröntgt worden. Dabei wurde festgestellt, was dort in der Erde gelegen hatte.

„Es ist eine sogenannte Totenkrone“, sagt Berg.

Ein Röntgenbild der „Totenkrone“: Die weiße Schicht ist die ausgehärtete Gaze, mit der die Konservatorin den Fund gesichert hatte. Foto: Museum Sønderjylland
Ein Jungfrauenkranz oder auch Totenkranz: Dieses Exemplar stammt aus der Dresdner Frauenkirche (1632-1697). Solcher Kopfschmuck wurde verstorbenen Kindern, Jugendlichen oder unverheirateten Erwachsenen mit ins Grab gegeben. Foto: Museum Sønderjylland

Die Totenkrone wurde in einem Grab gefunden, das unter anderen Gräber liegt. „Wir haben verschiedene Ebenen, auf denen die Toten damals begraben wurden. Die Totenstätte war eingebrochen, wahrscheinlich, weil darüber ein anderes Grab liegt“, so Berg.

An anderer Stelle fand die Archäologin einen Schädel, „der einer Frau gehörte. Am Schädel sind grünliche Ablagerungen zu erkennen. „Das deutet darauf hin, dass die Frau bei der Beerdigung eine solche Totenkrone getragen hat.“

Der Schädel einer Frau: Deutlich sind die grünen Spuren zu erkennen, die der Kopfschmuck hinterlassen hat. Foto: Museum Sønderjylland

Es wurden weitere Schmuckfragmente in der Erde gefunden. „In den 60er- und 70er-Jahren sind dort schon einmal Bauarbeiten durchgeführt worden. Damals war man allerdings nicht so umsichtig wie heute, weshalb viele Gräber einfach zerstört wurden.“

Doch was schließt Berg aus diesen Funden?

„Wir können davon ausgehen, dass es sich um eine wohlhabende Familie gehandelt hat. Hinzu kommt, dass es Unverheiratete waren, denen eine solche Krone mitgegeben wurden. Die Tradition kommt aus Deutschland“, erzählt Christina Berg. So gibt es ähnliche guterhaltene Funde aus Dresden, aus dem 16. und 17. Jahrhundert.

Einige Funde lassen darauf schließen, dass sich Frauen mit einer „billigen“ Schmuckausgabe begnügten. „Doch man wollte fein aussehen, auch wenn man nicht so viel Geld hatte“, erklärt die Archäologin. Es gab damals also auch bei Beerdigungen Unterschiede zwischen Reich und Arm.

Reste eines Sarges Foto: Museum Sønderjylland

„Wir können durch diese Funde mehr über die Bürgerinnen und Bürger der Stadt erfahren. Wie haben sie gelebt, welchen Gesundheitszustand hatten sie, und welchen Ritualen folgte man damals bei den Beerdigungen“, berichtet sie. „So sind die Menschen nicht nur in einfachen Leichenkleidern bestattet worden, sondern es wurde etwas daraus gemacht, die Toten ins Grab zu legen.“

„Wir haben selten die Chance, den ausgeschlagenen Sarg zu erkunden. Wir haben zwei Gräber gefunden, wo das Holz sehr gut bewahrt war, was selten vorkommt. Das Skelett, das darin beigesetzt wurde, lag auf einer Schicht Holzspäne. Der Tote sollte also ein weiches Lager haben. Solche Einblicke in die Vergangenheit haben wir fast nie.“

Auch Blumen sind damals mit in den Sarg gelegt worden. „Duftende Blumen“, wie Berg sagt. Das habe zwei Gründe gehabt; neben dem schönen Anblick gab es noch die praktische Seite. „Manchmal vergingen Tage oder sogar Wochen, bevor das Begräbnis stattfinden konnte. Dann übertünchten die Blumen den Geruch“, sagt Christina Berg.

Auch Kräuter wurden mitgegeben. „Das hatte noch ein symbolisches Element.“

Damals wurden die Verstorbenen im Zuhause für das Begräbnis bereit gemacht und in den Sarg gelegt. Von dort aus ging es in die Kirche und dann auf den Friedhof.

 

 

 

Gut erhaltene Knochen kommen nach vielen Jahren ans Tageslicht Foto: Museum Sønderjylland
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