Krankenhauswesen
Hier ist der Herzstillstand gewollt
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Hier ist der Herzstillstand gewollt

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In einem unscheinbar wirkenden Gebäude gleich neben dem Apenrader Krankenhaus befindet sich eine Abteilung, die die Zukunft der medizinischen Welt im Auge hat. Dazu gehört auch eine der modernsten Ausbildungsstätten für medizinisches Personal. Alles dient dem Wohle der Patientinnen und Patienten.
„27, 28, 29, 30“, zählt Mille und schaut sich nach ihrem Kollegen Lukas um, der ihre Position übernehmen soll. Dort, wo sie eben auf dem Krankenhausbett kniend den Brustkorb eines Patienten zusammengepresst hat, um die Pumpaufgabe des Herzens zu ersetzen, übernimmt jetzt der angehende Arzt.
Alle sind hoch konzentriert und arbeiten zielgerichtet. Lukas legt beide Hände übereinander und fängt an, den Brustkorb rhythmisch zu bearbeiten. Er zählt im Rhythmus seiner Bewegung: „Eins, zwei, drei.“ Bei 30 angekommen stoppt auch er. Ein weiterer Kollege hat zwischenzeitlich zwei Pads auf die Brust geklebt, die mit einem Defibrillator verbunden sind, der neben dem Bett steht. Lukas steigt vom Bett. Dann der Befehl: „Wegtreten.“ Alle heben die Hände und treten einen Schritt zurück. Dann wird der elektrische Schock ausgelöst, der ein nicht schlagendes Herz wieder in Gang setzen soll.

Lebensechte Situationen simulieren
Der Patient hat jedoch nicht wirklich einen Herzstillstand erlitten, sondern es handelt sich dabei um eine Puppe, an der die Ärztin und die Ärzte im Praktikum (KBU-læger) die Wiederbelebung üben. Es ist jedoch keine der üblichen Reanimationspuppen, die viele von den Erste-Hilfe-Kursen kennen, die unter anderem für den Führerschein benötigt werden, sondern es ist ein hochmoderner Trainingsroboter, der einen echten Patienten lebensecht simuliert. Der Roboter atmet, der Herzschlag ist spürbar und messbar, und die Augen können sich öffnen und schließen. Sogar die Pupillen reagieren wie bei einem Menschen.

Auf den Notfall vorbereitet
Was die angehenden Ärztinnen und Ärzte geübt haben, ist eine nervenaufreibende Situation, die sich im Krankenhaus abspielen kann. Um darauf so gut wie möglich vorbereitet zu sein, wird das Szenario im Lehr- und Forschungszentrum (Lærings- og Forskningshuset) des Apenrader Krankenhauses (Sygehus Sønderjylland) ausgiebig geübt. Doch nicht nur solche Notfallsituationen können dort simuliert werden, wie der simulationstechnische Konsulent Pierrot Alemany Sekelj erklärt.

„Die Ärzte proben auch andere alltägliche Situationen. Und das, bevor sie zu den Patientinnen und Patienten im Krankenhaus kommen, denn die Patientensicherheit steht bei uns an oberster Stelle. Hier kann geübt werden, ohne dass es Auswirkungen auf die Menschen hat. Wir können die verschiedensten Abläufe praxisnah simulieren“, so Alemany Sekelj.
Jede fünfte angehende Ärztin und jeder fünfte angehende Arzt in Dänemark wird am „Lærings- og Forskningshuset“ in Apenrade ausgebildet.
Simulation im realen Umfeld
Es sind jedoch nicht nur die einzelnen Schritte, die bei der Ausbildung am Center gelernt werden. „Wichtig ist primär, sie später auch im Team richtig auszuführen. Welcher Schritt kommt wann, und wer macht was, wenn es ernst wird“, sagt der Forschungshaus-Mitarbeiter.
Damit die Abläufe möglichst realistisch geprobt werden können, verlegen Alemany Sekelj und seine Kolleginnen und Kollegen ihre Übungen auch schon einmal in das Krankenhaus. Dann wird im Operationssaal der Ernstfall durchgespielt. „So wird das Gesamtbild noch realer.“
Übungen für alle Gesundheitsberufe
Nicht nur angehende Ärztinnen und Ärzte proben am Center den Ernstfall. Alle Mitarbeitenden, die mit Patientinnen und Patienten zu tun haben, können sich dort fortbilden lassen. „Wir haben Sozial- und Gesundheitsassistentinnen und -assistenten, denen wir verschiedene Übungssituationen anbieten können. Gleiches gilt für Personal aus Arztpraxen oder neu ausgebildete Krankenschwestern und -pfleger“, so der Simulationstechniker.
Ultraschall-Simulation: Schnelle Diagnose per Bildschirm
Besonders stolz ist Pierrot Alemany Sekelj auf einen Simulator für Ultraschall-Untersuchungen. Die Puppe kann auf verschiedenste akute Lungenerkrankungen kontrolliert werden. „So können die Ärzte hier üben, ernste und lebensbedrohliche Erkrankungen schnell und sicher mit dem Ultraschallgerät zu erkennen, und danach über die richtige Maßnahme zu entscheiden“, erklärt er.

Doch es sind nicht nur die lebensbedrohlichen Situationen, die am Center gelernt werden. „Wir können hier auch üben, einen Venenzugang zu legen oder wie kranke Menschen diagnostiziert werden können. Das machen wir beispielsweise bei Physiotherapeutinnen und -therapeuten. Es kommt ein Laiendarsteller, der bestimmte Symptome mimt. Daran muss entschieden werden, wie behandelt wird“, erzählt der Simulationsfachmann.
Technik der Zukunft im Blick
Neben der Ausbildung von Gesundheitspersonal hat das „Lærings- og Forskningshuset“ eine Abteilung, die sich damit beschäftigt, Abläufe im Krankenhaus durch technische Hilfsmittel zu vereinfachen und dem Menschen Arbeit abzunehmen. So fahren inzwischen Transportroboter durch das „Sygehus Sønderjylland“, die neben den Mahlzeiten unter anderem Material auf die Stationen liefern.
Es gab einen Versuch mit Robotern, die Arztvisite über weite Entfernungen möglich zu machen. „So könnte etwa ein Arzt, der in Norwegen arbeitet, mit einem Patienten in unserem Haus sprechen und ihn beraten“, erklärt Pierrot Alemany Sekelj. Die Abteilung schaut auf technische Innovation und wie diese sich in den Krankenhausalltag einpassen lässt.
Forschungsergebnisse aus aller Welt
Daneben bietet das Forschungscenter eine Bibliothek für die Forschenden des Krankenhauses an. Neben Fachbüchern können die Bibliothekarinnen auch Fachliteratur aus der ganzen Welt beschaffen. „Und wenn es noch so selten ist: Wenn es zu dem Thema etwas gibt, dann wird es gefunden“, ist Alemany Sekelj überzeugt.
Das Apenrader „Lærings- og Forskningshuset“ arbeitet mit ähnlichen Einrichtungen in Esbjerg, Odense und Kopenhagen zusammen.
