Deutsche Minderheit

Museum „Flugt“ Oksbøl: 2024 wird Ausstellung erweitert

Museum „Flugt“ Oksbøl: 2024 wird Ausstellung erweitert

Museum „Flugt“ Oksbøl: 2024 wird Ausstellung erweitert

Oksbøl
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Über 40 Mitglieder der HAG besichtigten das 2022 eröffnete Museum „Flugt“ in Oksbøl bei Varde in Dänemark. Auf dem Foto stehen Teilnehmende in der Abteilung mit Informationen zum Aufenthalt von 35.000 deutschen Ostflüchtlingen im Lager zwischen 1945 und 1949. Foto: Volker Heesch

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Die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG) war am Sonnabend auf Exkursion zum Standort des einst größten Lagers für deutsche Ost-Flüchtlinge bei Varde. Museumsinspektor John V. Jensen äußerte Verständnis für die Enttäuschung deutscher Besuchergruppen über die begrenzte Darstellung der Phase 1945–1949 des einst riesigen Lagerbetriebs.

„Am 22. Februar 1945 sind hier in Oksbøl die ersten deutschen Flüchtlinge aus den von der Roten Armee bedrängten Gebieten in Ostdeutschland eingetroffen. Am 5. Mai 1945, dem Tag der Befreiung Dänemarks von der deutschen Besetzung, waren bereits 9.000 Flüchtlinge im Lager angekommen.“ Das berichtete Museumsinspektor John V. Jensen den über 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Heimatkundlichen Arbeitsgemeinschaft für Nordschleswig (HAG), die für eine Tagesfahrt ins Museum „Flugt“ kamen. Die Ausstellung wurde im Jahr 2022 auf dem Gelände des mit zeitweise 35.000 Bewohnerinnen und Bewohnern größten Lagers mit deutschen Flüchtlingen in Dänemark eröffnet.

Vertiefende Informationen vom Historiker

Historiker John V. Jensen lieferte viele vertiefende Informationen zur Ausstellung in den neuen Museumsräumen. Bereits während der Jahrestagung der HAG in der Akademie Sankelmark im März sprach Jensen über das vor allem in Militärbaracken und festen Gebäuden auf einem Übungsgelände und in Lazaretten der deutschen Besatzungsmacht eingerichtete Lager.

Historiker John V. Jensen ist Museumsinspektor bei Varde Museer. Das Museum „Flugt“ in Oksbøl ist wie das Museum „Tirpitz“ Teil des Museumsverbundes. Foto: Volker Heesch

Jensen, der seit Jahren die Geschichte des Aufenthaltes deutscher Flüchtlinge in Dänemark erforscht, berichtete über Aussagen von Zeitzeuginnen, die ab 1945 teilweise mehrere Jahre abgeschirmt von der dänischen Umwelt im 400 Hektar großen Lager umgeben von ausgedehnten Heideflächen gelebt haben. „Ich habe eine Frau kennengelernt, die hier im Lazarett, das heute als Ausstellungsraum dient, 1945 ihre Tochter zur Welt gebracht hat. Die Tochter ist auch hier gewesen, inzwischen ist sie 77 Jahre alt“, so Jensen.
 

Das neue Museum „Flugt" in Oksbøl befindet sich in zwei Gebäuden des ehemaligen Lazaretts des Lagers. Zwischen diesen wenigen Gebäuden, die aus der Zeit des Zweiten Welkregs im Ex-Lager erhalten geblieben sind, ist ein Neubautrakt errichtet worden. Foto: Volker Heesch

Er berichtete, dass fast alle Gebäude des einstigen Flüchtlingslagers in den 1950er und 1960er-Jahren abgebrochen worden sind. Die aus Ziegeln erbauten einstigen Lazarett-Gebäude dienen neben einem Neubautrakt dem neuen Museum „Flugt“, das Königin Margrethe im Sommer 2022 zusammen mit dem deutschen Vizekanzler Robert Habeck eröffnet hatte.

Das neue Museum „Flugt“ in Oksbøl ist im Neubautrakt in einem ansprechenden Stil gestaltet worden. Foto: Volker Heesch

Jensen erläuterte, dass neben Flüchtlingen, die Glück hatten, nach Genehmigung ihrer Ausreise durch die Westalliierten gesund aus dem Lager Oksbøl nach Deutschland auszureisen, andere den Verlust von Angehörigen verkraften mussten.

Vor allem kurz nach der Ankunft in Oksbøl verstarben viele sehr kleine Kinder und alte Menschen, gezeichnet durch Strapazen der Flucht, von denen sie sich nach der Ankunft in Dänemark nicht mehr erholen konnten.

Die Abbildung stammt aus einer Filmszene, die die Ankunft deutscher Flüchtlinge im Lager Oksbøl 1945 zeigt. Zunächst privat bei nordschleswigschen Familien untergebrachte deutsche Heimatvertriebene mussten auf Anordnung der dänischen Behörden auch in Lager wie in Oksbøl umziehen. Foto: Museum Flugt

Erweiterte Ausstellung über Lagerbetrieb 1945-1949 wird 2024 eröffnet

„Das Museum Oksbøl ist viel zu klein“, so Jensen vor dem Hintergrund der Kritik am begrenzten Umfang der Ausstellung über das einstige deutsche Flüchtlingslager. Neben dieser umfasst das Museum auch einen geräumigen Trakt mit Informationen über Fluchtereignisse in aller Welt sowie die Aufnahme von Flüchtlingen anderer Nationalitäten in Dänemark.

Diese Baracke, in der einst medizinisches Personal des Lazaretts des Lagers Oksbøl wohnte, soll ab 2024 der erweiterten Ausstellung über das Leben der deutschen Flüchtlinge in Oksbøl dienen. Foto: Volker Heesch

John V. Jensen berichtete, dass eine Baracke in Nachbarschaft des neuen Museums, das auch Wanderrouten mit Informationsstellen umfasst, ab 2024 eine erweiterte Ausstellung über das Lager mit deutschen Flüchtlingen bieten werde.

In Filmausschnitten zeigt das Museum „Flugt“, wie im Flüchtlingslager Kinder 1945 geimpft wurden. Ohne diesen Einsatz wären noch mehr Kleinkinder nach der Ankunft in Dänemark verstorben. Foto: Museum Flugt

„Die bisherige Ausstellung baut mehr auf gefühlsmäßige Informationen. Die neue wird mehr Fakten liefern“, so Jensen.

Flüchtlingsgräber bleiben erhalten

Der Historiker berichtete, dass erst kürzlich per deutsch-dänischer Vereinbarung bestimmt wurde, dass die Gräber von über 25.000 in Dänemark verstorbenen Flüchtlingen, und überwiegend zur Behandlung in Dänemark untergebrachter verwundeter deutscher Soldaten, weitere 60 Jahre erhalten werden.

Die HAG-Gruppe durchstreifte während der Exkursion das heute stark bewaldete Lagergelände und die ausgedehnten Friedhofsanlagen. Dort liegen neben den sterblichen Überresten der in Oksbøl verstorbenen Flüchtlinge auch die von Umgebetteten.

Die Tausenden Gräber und Gedenksteine deutscher Flüchtlinge in Oksbøl erinnern an das Elend, das der von Nazi-Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg der Menschheit gebracht hat. Foto: Volker Heesch

In Zusammenarbeit mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge wurden die anfangs auf 450 dänischen Friedhöfen verteilten Grabstätten an wenigen Orten konzentriert.

Kleine Ausstellung mit beeindruckenden Dokumenten

Die Ausstellung über den Aufenthalt der zeitweise 35.000 deutschen Flüchtlinge im Lager Oksbøl umfasst historische Abbildungen, die zeigen, dass im Lager eine Selbstverwaltung eingerichtet worden war. „Alle Personen ab 14 mussten arbeiten. Es entstanden 13.000 Arbeitsplätze“, so John V. Jensen, der erklärte, dass nicht nur viele Dinge für den Alltag selbst hergestellt wurden.

Die berufliche Tätigkeit war für die Menschen, die oftmals während der Flucht traumatisiert worden waren und die an der Ausreise zu Angehörigen in Deutschland lange gehindert wurden, ein wichtiger Beitrag zur eigenen Stabilisierung. In Filmausschnitten, die in der Ausstellung gezeigt werden, sind Szenen zu sehen, die Flüchtlinge bei der Ankunft, bei handwerklicher Tätigkeit oder im Schulunterricht zeigen. Auch die Abreise wird dokumentiert.

Im neuen Museum „Flugt“ steht für Informationen über internationale Fluchtbewegungen deutlich mehr Platz zur Verfügung als für Darstellungen zum einstigen Flüchtlingslager Oksbøl, in dem 1945 bis 1949 zeitweise bis zu 35.000 Deutsche lebten. Foto: Volker Heesch

Auf Geheiß der Siegermächte musste Dänemark die deutschen Flüchtlinge ab 1945 teilweise mehrere Jahre beherbergen und versorgen, weil in Deutschland angesichts von Millionen weiterer Flüchtlinge und großer Zerstörungen des Landes keine Mittel zur Ernährung der in Dänemark gelandeten Menschen bestand.  

Obwohl die hohe Zahl verstorbener Flüchtlinge, sichtbar an den Gräberreihen in Oksbøl, unterstreicht, wie schlecht es vor allem vielen Kindern bei der Ankunft in Dänemark ging, klappte die Ernährung und ärztliche Versorgung im Lager Oksbøl nach einigen Wochen sehr gut. „Die Baracken waren auch relativ modern. Sie verfügten über Heizungen, elektrisches Licht und fließend Wasser“, so John V. Jensen.

Sehr knappe Darstellungen enttäuschen

Über die Ausstellung über Fluchtwellen und Flüchtlingsschicksale, die Dänemark in vergangenen Jahrzehnten berührten, äußerten sich Mitglieder der HAG-Gruppe teilweise enttäuscht.

Sehr knapp fallen die Informationen über Fluchtereignisse wie bei der Rettung der dänischen Juden vor der geplanten Deportation durch die Nazi-Besatzungsmacht aus. Foto: Volker Heesch

So wird die Rettung der dänischen Juden über den Öresund nach Schweden vor einer geplanten Deportation durch die NS-Besatzungsmacht im Jahre 1943 sehr knapp beschrieben. Ähnlich sieht es beim Thema Flucht aus Ungarn 1956 aus.

 

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