Umwelt & Gesundheit

Hadersleben: 35 Kilometer Leitungen aus Asbest und kein Plan

Hadersleben: 35 Kilometer Leitungen aus Asbest und kein Plan

Hadersleben hat 35 Kilometer Wasserleitungen aus Asbest

Hadersleben/Haderslev
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Unter anderem im Rahmen von Bauarbeiten, wie hier am Jungfernstieg in Hadersleben, werden alte Rohrleitungen erneuert. Foto: Ute Levisen

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In ganz Dänemark gibt es auch Jahrzehnte nach dem Eternit-Verbot gut 1.100 Kilometer Wasserleitungen aus Asbestzement. In der Kommune Hadersleben sind es 35,5 Kilometer. Die kommunale Versorgungsgesellschaft Provas tauscht nur dann Leitungen aus, wenn diese defekt sind. Nationale Vorgaben für Grenzwerte und Messungen gibt es nicht.

Circa 1.100 Kilometer Wasserleitungen in Dänemark bestehen aus Asbestzement. Eine internationale Recherchegruppe, an der „TV2 Nord“ beteiligt ist, hat eine Liste über die Versorgungsgesellschaften mit den meisten Kilometern Wasserleitungen aus Asbestzement zusammengestellt.

Den Spitzenplatz nimmt demnach die Kommune Aalborg mit 157,6 Kilometern ein. In Nordschleswig sind die Kommunen Hadersleben mit 35,5 Kilometern und Apenrade (Aabenraa) mit 17,6 Kilometern dabei.
 

Auf dem Grund des Schliefsees sollen heute noch Rückstände aus der früheren Futtermittelherstellung in der Region lagern. Foto: Ute Levisen

Hadersleben auf Platz 7

Die Domstadtkommune nimmt Rang 7 auf dieser Liste ein.

„Das hat uns schon überrascht“, sagt der Vorsitzende des kommunalen Klima- und Technikausschusses, Carsten Leth Schmidt von der Schleswigschen Partei (SP), nach dem Bekanntwerden der Rechercheergebnisse.
 

Das Leitungsnetz aus Asbestzement sei eine von vielen Umweltsünden vergangener Tage, so der Politiker und verweist unter anderem auf den Schliefsee, in dem Reste der Produktion der früheren Futterstoffmühle in Hoptrup ruhen.

Keine Hiobsbotschaft für Provas

Für den Direktor der kommunalen Versorgungsgesellschaft Provas, Esge Homilius, sind die vielen Kilometer mit Rohrleitungen aus Asbestzement keine Hiobsbotschaft:

„Sie halten super und erfüllen ihren Zweck. Solange sie nicht kaputtgehen, ist alles bestens.“

Seit fast vier Jahrzehnten verboten

Vor 38 Jahren hat Dänemark den Einsatz von Asbest in der Herstellung neuer Materialien untersagt. Wie viele Länder reagierte Dänemark damit auf zunehmende Bedenken hinsichtlich der Gesundheitsrisiken, die mit der Freisetzung von Asbestfasern verbunden sind.

Der Vorsitzende des kommunalen Klimaausschusses reagierte überrascht auf die vielen Rohrkilometer aus Asbestzement. Foto: Ute Levisen

Forschungsteam sieht unterschätzte Risiken

Laut „TV2 Nord“ und der internationalen Recherchegruppe, die den europaweiten Einsatz von Asbestprodukten in Artikelserien thematisieren, schlägt eine internationale Forschungsgruppe Alarm: Ihr zufolge sind die Gesundheitsrisiken um ein Vierfaches höher als bislang angenommen.

 

Kein Plan B in Hadersleben

In Hadersleben gibt es keinen Notfallplan, wenn es zum Rohrbruch kommt. Gehen Leitungen zu Bruch, etwa bei Bauarbeiten, ist ein Austausch fällig.

„Schrittweise erneuern wir alte Rohrleitungen“, sagt der Provas-Direktor. „Würden wir das 35 Kilometer umfassende Leitungsnetz auf einmal erneuern, schlüge dies mit 100 Millionen Kronen zu Buche.“

Provas-Direktor Esge Homilius verweist darauf, dass es keine national verbindlichen Vorgaben für Messmethoden und keine Grenzwerte mit Blick auf Asbest gibt. Foto: Ute Levisen

Keine Vorgaben – keine Grenzwerte

Der Kostenfaktor sei jedoch nicht der Grund, warum die alten Leitungen aus den 1960er- und 70er-Jahren noch eine Weile im Erdreich ruhen werden: „Sie halten gut“, sagt Homilius. Er verweist auf die dänische Umweltbehörde „Miljøstyrelsen“, die weder Messmethoden noch Grenzwerte für Trinkwasser vorschreibt, das durch Rohre aus Asbestzement läuft.

„Wir halten uns diesbezüglich an die nationalen Vorgaben – und die Expertise der Umweltbehörde.“


 

Asbest: Fluch und Segen

Asbest wurde wegen seiner Haltbarkeit in vielen Industriezweigen und Baustoffen verwendet. Wegen der Gesundheitsrisiken ist die Verwendung in vielen Ländern streng reguliert oder verboten. Dänemark hat den Einsatz von Asbest in neuen Baustoffen und Produkten – bis auf wenige Ausnahmen – 1986 untersagt. Bei Wasserrohren aus Asbestzement besteht das Hauptgesundheitsrisiko in der Freisetzung von Asbestfasern, beispielsweise, wenn Rohre beschädigt oder abgenutzt sind. Bei intakten Rohren gibt es nach Einschätzung der dänischen Umweltbehörde keine Gesundheitsgefahr. Eine internationale Forschungsgruppe kommt indes zu dem Schluss, dass das Risiko unterschätzt wird und um ein Vielfaches höher ist als bislang angenommen.

 

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