Diese Woche in Kopenhagen

„Die Welt ist einen kleinen Ton grauer geworden“

„Die Welt ist einen kleinen Ton grauer geworden“

„Die Welt ist einen kleinen Ton grauer geworden“

Kopenhagen
Zuletzt aktualisiert um:
„Hejremanden“ mit seinen Freunden im „Frederiksberg Have“ Foto: Torben Huss/Ritzau Scanpix

Diesen Artikel vorlesen lassen.

In dieser Woche soll von schrägen Vögeln in Kopenhagen und anderswo die Rede sein. Wir könnten gut ein paar mehr von ihnen brauchen, meint Walter Turnowsky.

Am Donnerstag erreichte mich die Nachricht, dass Erik Andersen im November gestorben ist.

Sein Name wird den wenigsten ein Begriff sein. Wenn ich jedoch „Hejremanden“ (der Reihermann) sage, wissen alle Menschen in der Kopenhagener Inselkommune Frederiksberg – und viele weit darüber hinaus – von wem ich spreche. Auch in den Spalten des „Nordschleswigers“ ist er bereits erwähnt worden.

21 Jahre lang standen die Chancen gut, dass man ihm begegnete, wenn man den Park „Frederiksberg Have“ besuchte. Mit einem gellenden Pfiff lockt er „seine“ Fischreiher an, denn die hatten schon längst gelernt, dass es was zu futtern gibt, wenn er kommt.

Geredet hat er selten viel, zumindest nicht mit Menschen. Mit seinen Freunden, den Reihern, unterhielt er sich dagegen – wie man beobachten konnte – lebhaft.

Was mich an die von mir bereits mehrfach erwähnten Friese auf Christiansborg erinnert. Auf einem steht: „Wer die Sprache der Vögel versteht, kann Minister werden“. Und vielleicht wäre der Reihermann tatsächlich der bessere Minister gewesen, als manche von denen, die so einen Posten innehaben oder gehabt haben. Zumindest würde ich ihm zutrauen, originellere Gedanken zu formulieren als so einige auf „Borgen“.

Erbauliche Sprüche an den Wänden von Christiansborg Foto: Walter Turnowsky

Damit – also dem Formulieren von originellen Gedanken – hakte es bei der letzten Fragestunde des Jahres mit der Staatsministerin am Dienstag wieder einmal gewaltig. Die Fragen waren so langweilig, wie sie vorhersehbar waren. Und Mette Frederiksen beantwortete sie ziemlich konsequent – nicht. Ein wenig gehässig könnte man sagen, dass es schon am Formulieren irgendeines Gedankens scheiterte.

Da wäre mir eine Frage des Reihermanns gerade recht gewesen, um mich aus meinem Halbschlaf zu wecken. Und er hätte durchaus Grund gehabt, Fragen zu stellen. Etwa die, warum er 2020 vom „Frederiksberg Have“ vertrieben werden musste. Die staatliche Schloss- und Eigentumsbehörde hatte das Füttern von Vögeln in dem Park verboten.

Ich sehe ja ein, dass das Füttern von Vögeln den Gewässern im Park nicht zuträglich ist, da das Futter nach Durchlauf des Verdauungssystems in eben jenen, den Gewässern, landet, was derer Qualität nicht gut bekommt. Aber ist das System tatsächlich so rigide, dass es beim Reihermann nicht auch mal ein Auge zudrücken kann?

Mit der Vertreiberei war es sogar noch nicht einmal vorbei. Der Reihermann war nämlich kurzerhand mitsamt seinen Freunden in die Nähe des Einkaufszentrums „Frederiksbergcentret“ ungefähr einen Kilometer vom Park entfernt umgezogen. Die Reiher haben ganz offensichtlich schnell mitbekommen, von wo der Pfiff jetzt kam.

Erik Andersen hatte eine enge Beziehung zu den Fischreihern. Foto: Erik Refner/Ritzau Scanpix

Doch dieser Standort war wiederum dem Einkaufszentrum und der Kommune nicht recht. Die großen Vögel würden Menschen verängstigen, könnten für Kinder gefährlich werden. Auch hatten Menschen geklagt.

Schade eigentlich, dass für Originale wie den Reihermann so wenig Platz in unserer Gesellschaft ist. Doch ohne die schrägen Existenzen, die komischen Käuze, die alternativ Begabten wäre unsere Welt ärmer, es fehlten ihr Farben. Und ja, mir ist durchaus bewusst, dass so einige von ihnen mit psychischen Problemen zu kämpfen haben.

Wer, wie ich, in den 70er- und 80er-Jahren in Apenrade (Aabenraa) aufgewachsen ist, wird sich wohl auch noch gerne an die Zwillingsbrüder erinnern, die (gefühlt alle) Autofahrerinnen und Autofahrer überschwänglich grüßten. Sie waren aus dem Apenrader Stadtbild so wenig wegzudenken, wie mehr zwei Jahrzehnte lang der Reihermann aus Frederiksberg.

Erik Andersen wurde 68 Jahre alt. Doch lassen wir ihn am Ende doch selbst zu Wort kommen.

„Wenn man irgendwann in einen Sarg gesteckt wird, kommen sie vielleicht geflogen und besuchen einen, dort wo man ist. Es ist doch nett mit Besuchsfreunden“, sagte er vor drei Jahren dem Sender „TV2 Kosmopol“.

Mehr lesen