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„Die Sorben und die AfD: Ein notwendiger Widerstand“

Die Sorben und die AfD: Ein notwendiger Widerstand

Die Sorben und die AfD: Ein notwendiger Widerstand

Jan Diedrichsen
Jan Diedrichsen
Kiel
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Das Erstarken der AfD in Deutschland ist für die Sorbinnen und Sorben, die in der Lausitz leben, alarmierend, schreibt unser Kolumnist Jan Diedrichsen. Die Volksgruppe bekomme im Alltag zunehmend Rassismus zu spüren. Minderheiten und ihre Unterstützenden müssen gemeinsam gegen Tendenzen Front machen, die in eine gefährliche Richtung führen könnten.

Wenn selbst die Dänische Volkspartei und Marine Le Pen in Frankreich die Alternative für Deutschland (AfD) für zu extrem halten, wie am Mittwoch im Europaparlament mit Blick auf den AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah geschehen, sollten wir alle innehalten und nachdenken. Es ist alarmierend, wenn Parteien, die selbst am rechten Rand des politischen Spektrums stehen, sich von der AfD distanzieren. Was sagt das über die politische Landschaft in Deutschland aus?

Alarmierende Entwicklungen

Besorgniserregend ist die Situation auch in Sachsen und Brandenburg. In Sachsen, wo demnächst Landtagswahlen anstehen, könnte die AfD laut Umfragen stärkste Kraft werden. Der Verfassungsschutz stuft die Partei als rechtsextremistisch ein. Auch in Brandenburg wird ein erheblicher Teil der AfD-Landtagsfraktion als rechtsextrem eingestuft. Für die Sorbinnen und Sorben, die in der Lausitz und damit in beiden Bundesländern leben, sind diese Entwicklungen alarmierend.

Diese Entwicklungen sind alarmierende Signale, die zeigen, wie tief Hass und Intoleranz in Teilen der Gesellschaft verwurzelt sind. Sie zeigen auch, wie dringend es ist, zusammenzustehen und diesen destruktiven und spaltenden Kräften entschieden entgegenzutreten.

Jan Diedrichsen

Der Dachverband der Lausitzer Sorben, die Domowina, verdeutlicht die Dringlichkeit der Situation und äußert ihre tiefe Besorgnis über das Erstarken rechtsextremer und rechtspopulistischer Tendenzen in Deutschland. Diese Stellungnahme ist wichtig, denn es geht nicht nur um die politische Landschaft, sondern auch um den Alltag und das Sicherheitsgefühl der Menschen vor Ort. Es geht um die Frage, in welchen Gesellschaften wir in Zukunft leben wollen und was diese Entwicklung für Minderheiten bedeutet.

Übergriffe auf Jugendliche

Ein weiterer, zutiefst beunruhigender Aspekt sind direkte Übergriffe auf sorbische Jugendliche. Berichte belegen, dass Jugendliche der sorbischen Gemeinschaft in den Regionen um Kamenz, Bautzen und Hoyerswerda immer wieder Ziel rassistisch motivierter Übergriffe werden. Diese reichen von verbalen Bedrohungen bis hin zu körperlichen Übergriffen und schweren Körperverletzungen. Das Sicherheitsgefühl dieser Jugendlichen hat sich dramatisch verschlechtert. Traditionelle Feste in sorbischen Dörfern werden immer wieder von rechtsextremen Gruppen gestört, die nicht nur durch ihre typische schwarze Kleidung und bestimmte Haarschnitte auffallen, sondern vor allem durch ihr aggressives und provokatives Auftreten gegenüber Sorbinnen und Sorben.

Alltag von Rassismus geprägt

Diese Gruppen fordern sorbischsprachige Menschen auf, Deutsch zu sprechen, verbunden mit der Drohung: „In Deutschland spricht man Deutsch.“ Solche Vorfälle spiegeln einen Alltag wider, der von einem Rassismus geprägt ist, der durch Parteien wie die AfD salonfähig gemacht wird. Schülerinnen und Schüler des sorbischen Gymnasiums in Bautzen zum Beispiel erleben immer wieder rassistische Beleidigungen. Sie müssen sich etwa mit rechtsextremen Aufklebern und der herabwürdigenden Botschaft „Scheiß Sorben“ an den Wänden auseinandersetzen.

Diese Entwicklungen sind alarmierende Signale, die zeigen, wie tief Hass und Intoleranz in Teilen der Gesellschaft verwurzelt sind. Sie zeigen auch, wie dringend es ist, zusammenzustehen und diesen destruktiven und spaltenden Kräften entschieden entgegenzutreten.

Die Geschichte hat uns gelehrt, dass rechtsextreme Machtergreifungen nicht freiwillig beendet werden. Es ist an der Zeit, aufzustehen, klare Grenzen zu ziehen. Seien wir nicht naiv – wehren wir uns!

Jan Diedrichsen

Es steht viel auf dem Spiel

Wir dürfen diese Entwicklungen nicht als normale politische Verschiebungen abtun. Es steht viel auf dem Spiel – die Grundwerte unserer Demokratie, der Schutz von Minderheiten und der Erhalt einer offenen und toleranten Gesellschaft. Das Erstarken der AfD und anderer rechtsextremer und autoritärer Kräfte in Europa ist ein Weckruf für uns alle. Es geht nicht nur um Wahlpräferenzen, sondern um eine klare Auseinandersetzung mit Ideologien, die unsere Gesellschaft spalten und Menschen abwerten. 

Minderheiten und ihre Unterstützer müssen gemeinsam gegen Tendenzen Front machen, die uns in eine gefährliche Richtung führen könnten. Die Geschichte hat uns gelehrt, dass rechtsextreme Machtergreifungen nicht freiwillig beendet werden. Es ist an der Zeit, aufzustehen, klare Grenzen zu ziehen. Seien wir nicht naiv – wehren wir uns!

Zur Person: Jan Diedrichsen

Jan Diedrichsen (Jahrgang 1975), wohnhaft in Berlin und Brüssel, leitet die Vertretung des Schleswig-Holsteinischen Landtages in Brüssel, hat sein Volontariat beim „Nordschleswiger“ absolviert und war als Journalist tätig. 13 Jahre lang leitete er das Sekretariat der deutschen Minderheit in Kopenhagen und war Direktor der FUEN in Flensburg. Ehrenamtlich engagiert er sich bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) – davon bis 2021 vier Jahre als Bundesvorsitzender. Seit Juni 2021 betreibt er gemeinsam mit Wolfgang Mayr, Tjan Zaotschnaja und Claus Biegert ehrenamtlich den Blog VOICES.

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