Leitartikel

„Wer zu spät kommt …“

„Wer zu spät kommt …“

„Wer zu spät kommt …“

Apenrade/Aabenraa
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Schüler demonstrieren gegen Pünktlichkeit? Was auf den ersten Blick dreist daherkommt, sieht auf den zweiten doch anders aus, meint Nordschleswiger-Redakteurin Sara Wasmund.

Wer zu spät zur Schulstunde kommt, den bestraft die Unterrichtsbehörde. Und zwar  fortan mit einer ganzen Fehlstunde. Geht gar nicht, ruft die Jugend im Land. Und   geht auf die Straße, um gegen die neuen Regeln zu protestieren. Zukünftig soll an Gymnasien gelten: Erscheinen  Schülerinnen und Schüler auch nur eine Minute zu spät zum Unterricht, wird eine ganze Fehlstunde eingetragen. Auch wer fünf Minuten früher geht, um beispielsweise einen Arzttermin wahrnehmen zu können, hat in Zukunft eine Fehlstunde auf dem Konto.

Pünktlichkeit ist bekanntlich eine Tugend und ein Zeichen des Respektes gegenüber allen anderen Beteiligten – und so ist es zunächst einmal befremdlich, dass die Jugend von heute gegen das Einhalten von  Pünktlichkeit auf die Straße geht. Schon der Philosoph Lessing wusste: Bester Beweis einer guten Erziehung ist die Pünktlichkeit. Seid doch einfach pünktlich und gewöhnt euch dran!, ist man versucht zu sagen. Im Berufsleben kommt Unpünktlichkeit schließlich nicht gut an, und im Privatleben drückt man mit Pünktlichkeit aus, dass man die Zeit des anderen, Wartenden, ebenso schätzt wie die eigene.

Dennoch: Die Schüler haben sehr gute Gründe, auf die Straße zu gehen. Viele  Gymnasiasten  sind in Arbeitsgruppen engagiert, die sich in den knapp bemessenen Pausen treffen, um gemeinsam Sachen auf die Beine zu stellen, von denen andere profitieren. Ehrenamtliches Engagement, in Pausen eingequetscht – wer sollte da bestraft werden, wenn man nach der Sitzung eine Minute zu spät ins Klassenzimmer schlüpft.

Auch das Einhalten der Busfahrpläne liegt nicht in der Macht der Gymnasiasten. Verspätete Busse im Schneegestöber – keiner, der auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen ist, kann immer pünktlich erscheinen. Dass einem wegen Eisglätte am Morgen die ganze erste Schulstunde als Fehlzeit angerechnet wird, ist einfach nicht gerecht. Eine gewisse Flexibilität sollte den Schülerinnen und Schülern  unbedingt gewährt werden. Und: Anstatt mit harten Bandagen, sprich  den neuen Regeln aufzuwarten, hilft es der Entwicklung von Eigenverantwortlichkeit sicher mehr, über Pünktlichkeit zu reden und zu diskutieren.  Pünktlichkeit als Unterrichtsthema zu Beginn jedes Schuljahrs   – das bringt sicher mehr als  ministeriell angeordnete  Regeln.  Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Die Unterrichtsbehörde muss dem nicht vorgreifen.

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