Leitartikel

„Vollgas beim Klimaschutz - ich bin so müde“

Vollgas beim Klimaschutz - ich bin so müde

Vollgas beim Klimaschutz - ich bin so müde

Apenrade/Aabenraaa
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„Was ist aus der kleinen Parolen rufenden Demonstrantin geworden, brennend für Klimathemen und soziale Fragen?“, fragt sich Marle Liebelt mit Blick auf ihr eigenes Klimabewusstsein, das zurzeit nichts Halbes und nichts Ganzes ist. Die Klimafrage geht auf die Psyche.

Wenn du auf der Suche nach „Good News“ bist, solltest du vermutlich nicht weiterlesen. Denn zugegeben: Folgender Text wird nicht gerade motivierend sein, und das tut mir jetzt schon leid. Es geht um den Klimawandel, oder mehr: um die Frage, ob der Klima-Kampf noch lohnt.

Ich verspüre den Drang, mich hier zu erklären. Zu betonen, dass ich darauf achte, klimafreundlich zu leben – kaum Fleisch esse, mehr Rad als Auto fahre, wenig Plastik verbrauche, nicht fliege. Stimmt aber nicht. Ich fahre oft Auto, staune über meinen Plastik-Müll, fliege in den Urlaub, und irgendwie mag ich im Moment Teewurst auf Brot.

Und natürlich gibt es für alles eine Ausrede: Ich pendle schließlich 30 Kilometer zur Arbeit, die Supermärkte verpacken einfach zu viel in Plastik, und es ist auch nicht so, als würde ich ständig in den Urlaub fliegen  – und wenn, dann auch ganz bestimmt mit schlechtem Gewissen. Für die Teewurst gibt es keine Ausrede. 

Ganz klar war ich schon mal ambitionierter, was Klimaschutz angeht. Wenn der grüne Zeigefinger in Reportagen, Artikeln und Dokumentationen gehoben wird, tut mir das weh. Und ich nehme mir heraus, wegzuschalten oder etwas anderes zu lesen. 

Aber wie stünde es um unseren Klima-Kampf, wenn es diese mahnenden Beiträge nicht gäbe? Sie sind der Appell an dein und mein Klimabewusstsein. 

Ich kann nicht mehr

Deshalb fällt es mir schwer, das zuzugeben: Ich kann einfach nicht mehr hören, dass wir den Klimawandel noch zu unseren Gunsten ausbremsen könnten, wenn wir Vollgas geben – aber jetzt wirklich. 

Ich zweifle immer mehr daran, dass wir uns als Weltgemeinschaft zusammenreißen werden. Wenn es um echtes Engagement in Sachen Vollgas geht, wird man höchstens beim Blick über die Grenze fündig, wenn der Finanzminister Christian Lindner (FDP) mal wieder für Vollgas kämpft – nur leider auf deutschen Autobahnen. Nicht gerade motivierend.  

Für das geforderte Vollgas beim Klimaschutz haben wir zu viele Ausreden. Einige finden sogar welche für Teewurst. 

Statt zu hören, dass jetzt nur noch Wunder das Ruder rumreißen können, würde ich gerne mehr darauf vorbereitet werden, worauf ich mich angesichts unseres mangelnden Klimaschutzes einstellen muss. Das male ich mir düster aus, und vielleicht würde mir das wieder etwas mehr Elan beim Klima-Kampf geben. 

Ich will wissen, was uns erwartet. Was passiert wann? Womit muss ich rechnen und womit meine Kinder und Enkel? Wie wird es hier in der Region aussehen? Welche Klimaverhältnisse werden hier herrschen und welche Klimakatastrophen das Leben bestimmen? Was für ein Leben werden meine Kinder und Enkel und deren Kinder führen? Wird es sie überhaupt geben können? 

Du stellst dir jetzt vielleicht dieselbe Frage, die auch ich mir stelle, liebe Leserin und lieber Leser: Ist die Autorin noch zu retten? 

Auch mal abschalten

Ich zumindest frage mich: Was ist aus der kleinen Parolen rufenden Demonstrantin geworden, brennend für Klimathemen und soziale Fragen? Mein Text ist nicht förderlich für den Klimaschutz. Er ist einfach Ausdruck einer trost- und scheinbar aussichtslosen Klimadebatte. Und vielleicht kann er dafür etwas anderes Wichtiges leisten.

Er kann eine Erinnerung an dich sein: Denn es ist zwar wichtig, dass du dich klimabewusst verhältst, vielleicht sogar in deinem Umfeld, und auf Demonstrationen oder in Gesprächen an das Bewusstsein höherer Instanzen appellierst.

Aber es ist auch okay, wenn du eine Pause vom Weltschmerz brauchst und wegschaltest, wenn du das kannst. Die Klimafrage nagt an der Psyche, und auch an sie müssen wir denken.

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