Leitartikel

„Viele Köche verderben den Brei“

Viele Köche verderben den Brei

Viele Köche verderben den Brei

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Helge Möller vergleicht die Corona-Politik in Deutschland und Dänemark und hat einen klaren Favoriten.

Beiderseits der Grenze mussten die Menschen angesichts einer Pandemie von historischem Ausmaß im vergangenen Jahr das ein oder andere Mal kurzfristig ihre Gewohnheiten ändern. Und im Laufe der Zeit wurden diese Regeln auch an dieser Stelle ebenfalls das ein oder andere Mal kritisiert – ob sie nun „Deutsch“ oder „Dänisch“ waren. Doch nun wächst, so scheint es, vor allem in Deutschland der Unmut, nicht nur über kurzfristig eingeführte neue Regeln. Dänemark macht es besser, Deutschland sollte davon lernen.

Dort, in der Bundesrepublik, zog die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU)  die Notbremse und nahm die Ruhetage zu Ostern zurück, eine Regel, die so mühsam auf der Ministerpräsidentenkonferenz zustande gekommen war.

Es ging in der aufbrandenden Kritik nicht nur um die Sinnhaftigkeit dieser Ruhetage. Nicht nur um die Frage, ob sie es zu bewirken vermögen, die Infektionszahlen zu senken, damit weniger Menschen in die Krankenhäuser kommen, damit weniger ihr Leben verlieren. Nicht nur darum, was passiert, wenn alle gezwungen sind, ihre Besorgungen an wenigen verbleibenden Tagen zu machen – alle auf einmal.

Kommentatoren fragten nun vermehrt nach der Sinnhaftigkeit der Ministerpräsidentenkonferenz. Zu viele Entscheidungsträger und Regeln, die je nach Bundesland unterschiedlich ausgelegt werden, sorgen in der Bundesrepublik offenbar vermehrt für die Annahme, dass die Politik keine guten Antworten auf die Pandemie mehr findet.

Die Lage scheint in Dänemark wohlgeratener zu sein. Mette Frederiksens schnelle Entscheidungen erwischten das Grenzland manchmal kalt, aber die Regierungschefin führte – und das ist etwas, was die meisten Menschen erwarten und auch schätzen, und sie lässt, so sieht es jedenfalls aus, ein regionales Abweichen wie in Deutschland nicht zu. Im Gegensatz dazu müssen die Menschen in Deutschland zur Kenntnis nehmen, dass die Bundeskanzlerin die Ministerpräsidenten, ob weiblich oder meist männlich, nur ermahnt, aber dann doch jeder seinen „eigenes Ding macht“.

Regionale Abstufungen können sinnvoll sein, doch darf der Eindruck nicht überhandnehmen, dass es zu einem strukturlosen Umgang mit der Pandemie kommt. Denn diese ist ein nationaler Notfall. Diejenigen, die mit der Macht betraut sind, müssen die Richtung klar vorgeben und ihre Macht auch ausschöpfen – auf die Gefahr hin zu scheitern und ihre Macht zu verlieren. In einem stark föderal aufgebauten Staat wie der Bundesrepublik ist ein solches Durchregieren offenbar nicht möglich.

So können die Entscheidungen, die Mette Frederiksen für Dänemark fällt, grundfalsch sein, dafür aber kann sie vom Volk,  anderen Parteien und den Medien kritisiert werden und sie kann als Politikerin scheitern. Sie hat den Mut, sich dem zu stellen.

Zum mittlerweile recht hohen Vertrauensverlust in Deutschland trägt sicher auch die Eigenart der Deutschen bei, sich selbst zu kritisieren, gern Klassenbester zu sein, aber dann doch feststellen zu müssen, dass es andere gibt, die es besser können. Dänemark macht es besser. Nicht zuletzt deshalb, weil das Land den Menschen eine Perspektive gibt, dass es versucht, andere Lösungen als den Lockdown zu finden, der in Deutschland scheinbar alternativlos ist.

Befremdlich auch, dass der Kanzleramtschef Helge Braun laut Medienberichten Mutationen als einen Grund für einen erneuten Lockdown nennt, diese Mutationen treten nicht auf, wenn Deutschland in einen weiteren Lockdown geht, das Virus ist nicht global verbreitet? Diese Argumentation erschließt sich nicht.

Um den Standpunkt zu verdeutlichen: Eine Rückkehr in die alte Zeit sollte es so schnell nicht geben, Beschränkungen müssen sein, bevor alle die wollen, geimpft sind. Das Virus ist gefährlich, Menschen sterben. Und die Regeln sind in Deutschland bereits streng – sie müssten vielleicht nur besser eingehalten werden.

Die Corona-Politik der regierenden dänischen Sozialdemokraten erscheint souveräner und es bleibt spannend: Behält der deutsche Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach recht, der die Öffnung Dänemarks als Fehler ansieht? Vielleicht sind die Dänen doch schlauer und wenn nicht, wird Mette Frederiksen garantiert schnell reagieren und übers Wochenende wieder neue Beschränkungen aufstellen. Ebenso, wie die Kanzlerin den Mut aufbrachte und sich für die Ruhetage-Idee entschuldigte, wird Mette Frederiksen den Mut besitzen zu sagen, das war leider nichts mit der Öffnung, müssen wir doch anders machen.

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