Leitartikel

„„Tyskland – und „adidas““

„Tyskland – und „adidas“

„Tyskland – und „adidas“

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Apenrade/Aabenraa
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Siegfried Matlok, ehemaliger Chefredakteur des Nordschleswigers, vermisst in der Ausstellung „Tyskland“ im Kopenhagener Nationalmuseum etwas Entscheidendes.

Der große deutsche Dichter Friedrich Schiller, dem während seiner Erkrankung 1791 vom Augustenburger Herzog Friedrich  Christian  II. vorübergehend mit einer jährlichen Pension von 1.000 Talern ausgeholfen wurde, stellte einst in Verbindung mit dem Deutschen Reich die Frage: „Das große Deutschland. Aber wo liegt es?“

Diese Frage ist geopolitisch seit der deutschen Einheit 1990 entschieden, aber die Frage „wer ist Deutschland“ scheint heute noch immer brennend aktuell. Sicherlich ist dies ein Grund  dafür, dass rekordverdächtige Ströme von Zuschauern im Kopenhagener Nationalmuseum die in Anwesenheit von Königin Margrethe eröffnete Ausstellung „Tyskland“ besuchen und sich darauf eine Antwort erhoffen.

Dass diese Ausstellung nicht nur in der Hauptstadt großes Interesse gefunden und Deutschland dadurch auch in den Mittelpunkt nicht nur des politischen Bewusstseins gerückt hat, ist zunächst einmal ein Quantensprung;  Außenminister Heiko Maas sprach sogar von „Mut“. Nun hat die Ausstellung „Tyskland“ allerdings nicht Premiere in Kopenhagen, sondern sie ist „very british“, nämlich dieselbe Ausstellung, die 2014 unter dem Titel „Germany Memories of a Nation“ im Britischen Museum in London gezeigt wurde und die auch bei den oft Deutschland-skeptischen Briten viel Anerkennung fand.

Diese „Nachhilfestunde in deutscher Geschichte“, wie sie genannt wurde, ist nun nach Kopenhagen importiert worden. Dass dies möglich war, ist nicht zuletzt der dänischen Stiftung „Sportgoodsfonden“ zu verdanken, dessen Gründer Christian Helmer Jørgensen, selbst KZ-Überlebender,  nach 1945 ein dänisch-deutsches Geschäft startete: mit der Marke mit den drei berühmten Riemen, mit Fußballschuhen von „adidas“ in Dänemark.

Die Stiftung mit ihrem Verwalter, dem Advokaten Steen Lassen hat sich damit große Verdienste erworben. Man sagt oft über Sponsoren: „Wessen Brot man isst, dessen Lied man singt.“ Das ist nicht abwertend gemeint, denn die edlen humanistischen Motive der Stiftung stehen außer Zweifel. Schade dennoch, dass Versuche, beim durchaus willigen und so unkonventionellen Direktor des Nationalmuseums, Rane Willerslev, Änderungen in einem deutsch-dänischen Kontext herbeizuführen, leider gescheitert sind.

Dass die Ausstellung museumstechnisch ohne Audio-Videos – nebenbei und auch ohne deutsche Sprache, was ja in Kopenhagen Vor- und Nachteile hat – eher an die 80er Jahre erinnert, ist auch von Fachleuten bemerkt worden,  vor allem aber fehlt immer der deutsch-dänische Bezug. Der britische Blick auf Deutschland ist – gerade in diesen Brexit-Zeiten – hoch interessant, aber die dänisch-deutsche Geschichte hat natürlich einen ganz anderen Verlauf zwischen zwei unmittelbaren Nachbarn genommen; nicht zuletzt seit 1864. Ein namhafter dänischer Journalist formulierte dies einst  nachdenkenswert so: „Die Deutschen haben uns Dänen die Bildung gebracht, aber auch unsere Alpträume.“

Dass Außenminister Heiko Maas gleichzeitig mit dem 30. Jahrestag des Mauerfalls 2020 als kulturelles deutsch-dänisches Freundschaftsjahr ausrief, zeigt glücklicherweise die Veränderungen im deutsch-dänischen Verhältnis seit 1955, Veränderungen, die nun auch durch den leider zu befürchtenden Brexit noch eine zusätzliche Dimension erfahren.  Ob dabei die Charakterisierung von „Tyskland“ auf den Ritterschokolade-ähnlichen Plakaten mit „Disziplin, Fortschritt, Macht“ dem heutigen Deutschland entspricht und gerecht wird, lässt sich diskutieren.

Dazu besteht jedoch reichlich Gelegenheit, denn die bis zum 1. März 2020 laufende Ausstellung wird ergänzt durch zahlreiche Diskussions-Veranstaltungen zu fast allen Themen, wobei fairerweise auch das dänisch-deutsche Element nicht zu kurz kommt.

Eine deutsch-dänische Ausstellung wäre wünschenswert – nicht nur in den Hauptstädten. Dass eine englische Ausstellung nicht das deutsch-dänische Grenzland und seine Geschichte berücksichtigt, ist ja verständlich, aber das in keiner der Eröffnungsansprachen dieses Kapitel mit den Minderheiten auch nur mit einem einzigen Wort erwähnt wurde, ist doch höchst verwunderlich.

Vor den Rednern saß Königin Margrethe, die just von einem überwältigenden Besuch bei „ihrer“ Minderheit in Schleswig-Holstein zurückgekehrt war, und beide Regierungen wünschen sogar, dass die Minderheiten zu einem Weltkulturerbe erhoben werden sollen. Ehrlich, in mancherlei Beziehung überschätzen sich oft auch beide Minderheiten, aber sie in ihrer Rolle und Bedeutung für unsere beiden Länder wortlos zu unterschätzen ist einfach unhistorisch!

    

 

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