Leitartikel

„Radio Gaga“

„Radio Gaga“

„Radio Gaga“

Apenrade/Aabenraa
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Danmarks Radio wurde die Mittel gekürzt. Bisher hat DR versucht, Zuschauer durch teils arg einfache Unterhaltungsprogramme zu locken. Künftig ist ihnen dieser Weg versperrt. Die Zeit wird zeigen, ob DR es schafft, auch mit weniger Geld, dafür aber mit neuen Ideen, noch die Mehrheit hinter dem I-Phone hervorzulocken, meint Cornelius von Tiedemann.

 Der Nachrichtenstrom fließt weiter, auch bei Danmarks Radio, nachdem das Folketing vor einer Weile mehrheitlich entschieden hat, dem öffentlich-rechtlichen Sender einen Großteil seiner Mittel zu streichen. Das hat übrigens international für Aufsehen gesorgt. Auch der Umstand, dass die Politik sich teils explizit über die inhaltliche Ausrichtung des Hauses ausgelassen hat. Vergleiche mit Polen und Ungarn wurden gezogen. 

Es ist tatsächlich eine fragwürdige Entscheidung, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Auftrag es auch in Dänemark ist, die Bürger zu ertüchtigen, an der öffentlichen Debatte teilhaben zu können, die Mittel zusammenzustreichen und ihm mehr als bisher zu diktieren, was er senden darf und was nicht. 
Und dies gerade in einer Zeit, in der die Demokratie und lange für selbstverständlich gehaltene Übereinkünfte wie die Menschenrechte oder selbst das Grundgesetz von Teilen der Gesellschaft plötzlich als zur Diskussion stehend betrachtet werden.

Regierung und DF wollen besseres Programm, indem  teils teure Inhalte (Sport, Unterhaltung, bestimmte Serien und Filme) den privaten Wettbewerbern überlassen werden sollen. Vielleicht eine vernünftige Entscheidung – die aber auch aus dem Sender heraus hätte kommen können. Doch anstatt das Ersparte in noch mehr und bessere Aufklärung zu stecken, wird es einfach gestrichen.  

Und was ist besseres Programm? Wenn man sich die Auslassungen so mancher DF-Politiker zu dem Thema anhört, dann vor allem solches, das die Geschichte nach ihren Vorstellungen wiedergibt und das kritisch vor allem Andersdenkenden gegenüber berichtet. 

Hier haben sich zwei gefunden, die Kulturnationalisten, die ihre Agenda auch im Fernsehen sehen wollen, und die konservativ-liberale Regierung, die den Wettbewerb auch in der Medienlandschaft anfachen will.

Auch wenn die Beweggründe, die zu der Entscheidung geführt haben, zu großen Teilen in höchstem Maße kritisch gesehen werden müssen, auch wenn es besorgniserregend ist, dass DR-Journalisten und Programm-Macher sich politisch überwacht fühlen: Die Grundsatzfrage, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinem heutigen Zustand seiner Aufgabe noch nachkommt, ist berechtigt und nötig. 

In Dänemark, wie in den angelsächsischen Ländern auch, gibt es eine starke Tradition des Journalismus auf Augenhöhe. Fast alle Medien, einschließlich DR, achten darauf, dass alle wissen, was gemeint ist, wenn berichtet wird. Das ist in Deutschland nicht immer so und war zum Beispiel bei der Tagesschau lange ein Problem. Erst vor einigen Jahren entschied man in Hamburg, auf Studien zu reagieren, die zeigten, dass viele Zuschauer gar  nicht verstanden, worum es in einigen Beiträgen überhaupt ging.

Doch dieses Prinzip der Augenhöhe kann auch ausarten. Dann nämlich, wenn es nicht mehr mit dem eingangs beschriebenen Anspruch betrieben wird, die Zuhörer und Zuschauer herauszufordern, mündige, informierte Bürger zu sein oder zu werden. 
X-Faktor sammelt die Bevölkerung vor dem Fernseher – das stimmt. Aber davon abgesehen hat eine solche Sendung keinen (Mehr-) Wert. 

Das festzustellen ist nicht, wie es manchmal heißt, elitär. Elitär ist es hingegen zu behaupten, dass es nicht sinnvoll wäre, das Publikum aus allen Lebensbereichen und sogenannten „Schichten“ anzusprechen – und dann aber auch herauszufordern. Elitär ist es, Menschen medialen „Dreck“ vorzuwerfen, in der Annahme, der würde schon geschluckt werden.

Bisher hat DR versucht, Zuschauer durch teils arg einfache Unterhaltungsprogramme zu locken und dann zu halten. Künftig ist ihnen dieser Weg versperrt. 

Die Zeit wird zeigen, ob DR es schafft, auch mit weniger Geld, dafür aber mit neuen Ideen, noch die Mehrheit  hinter dem I-Phone hervorzulocken – oder ob der Sender zum  Kaminflackern der Bildungsbürger verkommt, während die breite Masse auf  unabhängig aufbereitete Informationen in TV und Radio verzichtet.
 

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