Diese Woche in Nordschleswig

„Liebe Herren Leserinnen – welche Bilder erzeugt Sprache in unseren Köpfen? “

Liebe Herren Leserinnen – welche Bilder erzeugt Sprache in unseren Köpfen?

Welche Bilder erzeugt Sprache in unseren Köpfen?

Apenrade/Aabenraa
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Viele Studien haben untersucht, ob geschlechtergerechte Sprache überhaupt Auswirkungen auf unsere Rollenbilder hat. Foto: Adobe Stock

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Meinungen zum Gendern gibt es genug, aber was sagt eigentlich die Wissenschaft? Dieser Frage geht Journalistin Marle Liebelt nach. Sie vertritt ihren Kollegen Walter Turnowsky, der freitags normalerweise seine Kolumne „Diese Woche Kopenhagen“ veröffentlicht.

Eigentlich bist du es gewohnt, freitags die Kolumne „Diese Woche in Kopenhagen“ von meinem Kollegen Walter Turnowsky zu lesen. Aber Walters Büro bleibt diese Woche in Kopenhagen leer, denn Walter hat Urlaub. 

Ich darf ihn diese Woche vertreten. Nun ist es so, dass kaum jemand so gewitzt und pointiert schreiben kann, wie mein lieber Kollege. Also versuche ich es gar nicht erst. Und wenn dieser Text schon nicht lustig sein kann, so kann ich mir auch gleich ein unliebsames Thema aussuchen.

Liebe Leserin und Leser, es geht um geschlechtergerechte Sprache, ums Gendern. Oder vielmehr darum, welche Bilder Sprache eigentlich in unseren Köpfen erzeugt. 

Lange war es Usus, im Plural nur das generische Maskulinum – also die männliche Form – zu gebrauchen. Frauen waren und sind in diesen Fällen mitgemeint. Inzwischen gibt es auch viele andere Möglichkeiten, die Menschen nutzen, wenn nicht nur Männer gemeint sind.

Aber bringt das was? Die Meinungen dazu gehen weit auseinander und polarisieren stark. 

Was siehst du?

Als allererstes möchte ich dich zu einem Experiment einladen:

Die Sportler laufen durch den Wald. Aufgrund der frühlingshaften Temperaturen tragen mehrere der Frauen keinen Pullover.  

Na, wie passen diese beiden Sätze in deinem Kopf zusammen? Ich geriet etwas ins Stocken, bevor mir die Sätze schlüssig erschienen. 

Zugegeben – dieser Test stammt nicht aus meiner Feder. Ich habe es abgeguckt in einer Studie, deren Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Psychology Press“ veröffentlicht wurden. In mehreren Experimenten wurde die Reaktionszeit von Befragten gemessen, denen Sätze wie dieser vorgelegt wurden. Das etwas verkürzt beschriebene Ergebnis: Das Gehirn stolpert über diese Form der Formulierung. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das generische Maskulinum eher Bilder von Männern im Kopf erzeugt. 

Zum selben Schluss kommt auch die Kieler Forscherin Dr. Friederike Braun. Sie hat in Zusammenarbeit mit zwei Kolleginnen der Universität Mannheim untersucht, wie sich der Gebrauch unterschiedlicher Formen auf die Antworten von Befragten auswirkt. Diese nannten bei der Frage nach berühmten Musikern signifikant mehr Männer, als wenn nach Musikerinnen und Musikern gefragt wurde. 

Teste dich selbst

Solche und andere Studien legen die Frage nahe: Wie generisch ist das generische Maskulinum in Wirklichkeit? 

Beim „Nordschleswiger“ hat sich die Redaktion daher dazu entschlossen, sowohl die männliche als auch die weibliche Form mitzusprechen. Diese Form des Genderns nennt sich Feminisierung. Wo es möglich ist, verwenden wir in der Redaktion eine neutrale Form – etwa bei Lehrkräften.

Alle, die sich damit noch nicht anfreunden konnten, laden wir heute zum Weltfrauentag, am 8. März dazu ein, sich auf ein Experiment einzulassen. Normalerweise sprechen wir nicht nur Frauen, sondern auch Männer explizit an, und meinen niemanden einfach mit. 

... auf nordschleswiger.dk

Jedoch sind alle Artikel, die unsere Redaktion heute online stellt, im generischen Femininum verfasst. Männer dürfen sich heute mitgemeint fühlen. 

Irritiert dich das? Dann kannst du dich ab morgen wieder auf Artikel freuen, in denen „Der Nordschleswiger“ endlich wieder Frauen und Männer anspricht. 

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