Leitartikel

„Ideologischer Kampf am Mittagstisch“

„Ideologischer Kampf am Mittagstisch“

„Ideologischer Kampf am Mittagstisch“

Apenrade/Aabenraa
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Eine Kombination aus gesünderem Essen, Klima- und Umweltschutz sowie Tierschutz spielen bei der Entscheidung, dem Fleisch den Rücken zu kehren, eine Rolle. Aus der wohl persönlichsten Entscheidung überhaupt – ich esse, was ich möchte – ist aber inzwischen ein ideologischer Kampf geworden, meint Chefredakteur Gwyn Nissen.

Vegetarisch oder gar vegan essen und leben ist heute schon lange nicht mehr nur ein Trend oder eine vorübergehende Modeerscheinung. Es ist eine Lebensweise, die immer mehr Leute aus Überzeugung wählen – auch in Dänemark. Sie ist gekommen, um zu bleiben. Lange Zeit kauften Veganer, Fleischesser und Vegetarier  in friedlicher Koexistenx nebeneinander ein. Doch die Stimmung am  Mittagstisch, am  Einkaufsregal oder im Restaurant wird zunehmend aggressiver.

Vor einigen Wochen stürmten Veganer in ein Steakhouse-Restaurant im südenglischen Badeort Brighton und spielten  Aufnahmen von Kühen im Schlachthof ab.  Mit Transparenten wie „Es ist nicht Essen – es ist Gewalt“ und weiteren  Kampfansagen versuchten sie, den Restaurantgästen ein schlechtes Gewissen einzubleuen.

Der Kampf gegen das Fleisch – er hat sich zu einem wertepolitischen Machtkampf entwickelt, sagt die Soziologin Naja Buono Stamer. „Essen ist ein identitätspolitisches Projekt geworden – und das gilt für beide Seiten“, sagte sie dem Kristelig Dagblad.

Ein Grund dafür ist, dass der Anteil der Vegetarier und Veganer in Dänemark stetig steigt. Laut einer Studie der Handelskette Coop ernähren sich etwa 140.000 im Lande ausschließlich vegetarisch (und davon 20 bis 30 Prozent vegan). Noch  interessanter ist allerdings, dass sich  bereits 12 Prozent der in Dänemark Lebenden überwiegend vegetarisch ernähren – das ist innerhalb eines Jahres ein unglaublicher Anstieg um 50 Prozent. Jeder Dritte im Land legt heute mindestens einen fleischlosen Tag in der Woche ein. Eine Kombination aus gesünderem Essen, Klima- und Umweltschutz sowie Tierschutz spielen bei der Entscheidung, dem Fleisch den Rücken zu kehren, eine Rolle.  Aus der wohl persönlichsten Entscheidung überhaupt – ich esse, was ich möchte – ist aber inzwischen ein ideologischer Kampf geworden.   Und  der Ton  wird immer  rauer.

Dabei gibt es bereits eine deutliche und durchaus positive Entwicklung hin zum weniger Fleisch essen – da    sind Aktionen wie die in Brighton gar nicht notwendig. Es wählen bereits immer mehr  den vegetarischen oder veganen Weg – auch ohne Kampfansage einer kleinen Gruppe, die es durch ihren Fanatismus  dem Gros an friedlichen Vegetariern und Veganern  schwierig macht.   

Loriots muntere Zeile „Sie haben mir ins Essen gequatscht“ bekommt eine ganz neue und ernsthafte Bedeutung. Daher: Gegenseitiger Respekt und Toleranz, bitte.

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