Leitartikel

„Geimpfte Karpfen“

Geimpfte Karpfen

Geimpfte Karpfen

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger"-Journalist Helge Möller fragt sich beim Blick auf die Kommentare, ob das Posten von Artikeln auf Facebook noch sinnvoll ist.

Einmal, es ist schon sehr lange her, da nahm ich als Gast bei einem Bootsangelwettbewerb teil. Meerforellen und Lachse galt es zu fangen. Wir haben, soweit ich weiß, nicht einmal das Boot zu Wasser gelassen, weil der Wind in Sturmstärke heulte – unmöglich, den Hafen zu verlassen.

Am Abend des Ankunftstages luden die Organisatoren zu einer Infoveranstaltung ein. Nachdem sie dort die Basisinformationen ausgegeben hatten und man gemeinsam noch auf Wetterbesserung gehofft hatte, stellten Angler einige Fragen, eine Diskussion kam in Gang, und dann ging es plötzlich um: Karpfenangeln. Wir schauten uns an und fragten uns, warum wir eigentlich hier waren, denn das war nun ein ganz anderes Thema. Karpfen schwimmen zwar häufig in einem See, aber nicht in der Ostsee – ganz andere Liga. Der Abend kam uns verschenkt und nutzlos vor. Und das war lange, bevor es Facebook gab.

In diesem Medium nun hat sich der Drang des Menschen, sich zu äußern, auch wenn’s nicht zum Thema passt, offenbar ins Maßlose gesteigert. Geht es in dem geposteten Artikel darum, dass Grenzpendler die Wahl haben, sich in Deutschland und Dänemark impfen zu lassen, haben unsere Social-Media-Expertinnen gut zu tun, allein deshalb, weil das Wort „Impfen“ auftaucht. Moderatoren, die, ja, auch Kommentare verbergen und Kommentatoren sperren, sind (leider) zwingend notwendig, damit es überhaupt so etwas wie eine Diskussion geben kann und nicht alles im Geschrei untergeht.

Im besagten Artikel ging es um deutsche Grenzpendler, die sich auch in Dänemark impfen lassen können. Es ging nicht um Impfpflicht und um eine Meinung (die gekennzeichnet wird), eine solche einzuführen oder so etwas abzulehnen. Es ging auch nicht darum, ob das Impfen gut oder schlecht ist (ebenfalls Meinung). Nein, die Idee war, einen Serviceartikel für die Leser zu schreiben: Es geht um Information: Ein Grenzpendler darf sich auch in Dänemark impfen lassen, wenn er sich impfen lassen möchte. Fertig.

Oft beziehen sich die Kommentare auf den Text, es wird gelobt, aber auch kritisiert und auf Fehler hingewiesen, was uns Journalisten hilft. Wir wissen auch nicht alles und machen Fehler. Hinweise auf diese, andere Sichtweisen, ergänzende Kommentare führen zu einem Nutzen – für die Leser und für uns.

Leider ist das nicht immer so. Es gibt Ausreißer: Corona-Impfung, Hunderegeln in Dänemark, da geht es recht schnell nicht mehr um das, was im Artikel steht. Persönlich ist es nicht schön anzusehen, dass ein Artikel, in den man viel Zeit und Mühe investiert hat, überhaupt nicht inhaltlich diskutiert wird, sondern nur als Startrampe gesehen wird, seine Weltanschauung in die Welt zu blasen, zu beleidigen, zu behaupten.

Wer da noch einen sinnvollen Kommentar beizusteuern hätte, zuckt vermutlich zurück. Da hat der interessierte Leser dann einfach keine Lust mehr, sich das anzutun. Wer fortlaufend Karpfen bekommt, obwohl er Lachs bestellt hat, verzichtet irgendwann ganz auf Fisch.

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