Leitartikel

„Flensburger Förde: Alptraum oder Vision“

Alptraum oder Vision

Alptraum oder Vision

Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
Nordschleswig
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Vor wenigen Tagen erschien eine Pressemitteilung, dass deutsche und dänische Politiker der Flensburger Förde grenzüberschreitend neuen Sauerstoff zum Überleben liefern wollen. Der frühere Chefredakteur Siegfried Matlok wundert sich, denn eine solche Meldung gab es bereits – vor 51 Jahren!

„Welcher nordische Gott auch die Flensburger Förde schuf – er hatte den Blick des Amateurphotographen“, schrieb einst Siegfried Lenz in einem Beitrag unter dem Titel „Meine Landschaft – Die Flensburger Förde“. Was der so bekannte und 2014 verstorbene deutsche Schriftsteller, der jahrelang ein Sommerhaus auf Alsen genoss, bevor er leider regelrecht „vertrieben“ wurde, heute über den Zustand der Flensburger Förde schreiben würde, wer weiß?

Er hätte sich aber sicherlich über eine Pressemeldung der Kommune Sonderburg gefreut, die dieser Tage eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit „zur Verbesserung des Zustandes der Flensburger Förde“ ankündigte! Und sie gelesen mit einem lachenden und einem weinenden Auge: Da war doch was? Ja, Siegfried Lenz und wir anderen konnten schon in den 70er- und 80er-Jahren vielversprechende Überschriften lesen, als damals eine deutsch-dänische Flensburger Förde-Kommission ins Leben gerufen wurde. Am 15. Februar 1972 berichtete „Der Nordschleswiger“ über ein Treffen zwischen dem Amt Nordschleswig und der Stadt Flensburg und einer Einigung über die Gründung eines „Komitees zur Sauberhaltung der Flensburger Förde“. Hier soll dankbar an deren „Väter“ erinnert werden.

An den Vize-Amtsbürgermeister von „Sønderjyllands Amtskommune“, an Sv. Ingomar Petersen, und an seinen damaligen Weggefährten, den Flensburger Vize-Bürgermeister Karl-Heinz Hagenau vom SSW, die die Umweltbelastungen mit der Gefahr eines sauerstoffarmen Erstickungstodes in der Flensburger Förde frühzeitig erkannten und zum politischen (Reiz-)Thema machten.

Wahrlich gab es in jenen Jahren auf beiden Seiten nicht viele, die damals ihre Vision von einer für Flora und Fauna sowie für Menschen lebenswerten Flensburger Förde verstanden und unterstützt haben. Beide mussten zu Hause mit politischen Problemen kämpfen, natürlich auch um die Finanzierung der erforderlichen Wasseruntersuchungen. Der Woyens-Architekt Sv. Ingomar Petersen war Erik Jessens Stellvertreter als erster Vize-Amtsbürgermeister 1970 und gehörte von 1973 bis 1975 für die Radikale Venstre auch dem Folketing an. Sein nicht nur umweltpolitischer Elan störte allerdings in eigenen Reihen, weil sie ihm so manche Presseüberschrift verübelten, aber ohne seinen Aktivismus schlief die Förde-Kommission wieder ein. Amateurhaft, um die Worte von Siegfried Lenz noch mal aufzugreifen.

Immerhin hatte die Flensburger Förde-Kommission doch ein erfreuliches und gewiss nicht unwesentliches Nebenprodukt: Durch sie kam die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen dem Amt Nordschleswig, der Stadt Flensburg, dem Kreis Schleswig-Flensburg und dem Kreis Nordfriesland in Gang – startend mit einem Hürdenlauf durch ein deutsch-dänisches Forum, das aber letztlich zum Regionalrat und zur heutigen Region Sønderjylland-Schleswig führte.

Die Flensburger Förde versank jedoch politisch buchstäblich tiefer als die in der Außenförde größte Tiefe von 38 Metern:  Als die Amtskommune Nordschleswig 2006 durch die Region Syddanmark auf- und abgelöst wurde, war die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mehr auf die Achse Vejle-Kiel ausgerichtet, und die zurückgebliebenen beiden Flensburger Förde-Kommunen, also Sonderburg und Apenrade, setzten auch andere Schwerpunkte nach der Kommunalreform. Schmerzhaft vermisst wurde deshalb immer mehr der grenzüberschreitende Antrieb durch ein Amt Nordschleswig.  

Der frühere SPD-Fraktionsvorsitzende in Flensburg, Knut Franck, der auch an den ersten deutsch-dänischen Schwimm- und Rettungsversuchen beteiligt war, äußerte noch 2020 sein Bedauern darüber, dass Dänemark und Deutschland so wenig an ihrer gemeinsamen Förde zusammenarbeiten.

Es gab in den vergangenen Jahrzehnten Proteste, erfreulicherweise aber auch fortschrittliche Einzelprojekte entlang der Förde, und es ist hoffentlich nie zu spät. Deshalb ist es zu begrüßen, dass nun politisch eine grenzüberschreitende Initiative – übrigens unter der Federführung des Kreises Schleswig-Flensburg – ergriffen wird. Damit die dänischen und deutschen Akteure (sehr unterschiedlicher Größen und Strukturen) gemeinsam konkrete Maßnahmen ergreifen können, wie es Stephan Kleinschmidt (Sonderburg/Flensburg) formuliert hat.

Was allerdings trotz seines Einsatzes bedenklich stimmt, ist die Tatsache, dass erst ein Interreg-Projekt durchgeführt/abgewartet werden soll. Mit anderen Worten: Es fehlt noch die Finanzierung, und ein weiteres Verschieben auf die zu oft bürokratische EU-Wartebank kann man sich eigentlich gar nicht mehr leisten. Hinzu kommt zurzeit südlich der Grenze eine heftige Diskussion über Pläne für einen Nationalpark Ostsee des grünen schleswig-holsteinischen Umweltministers Tobias Goldschmidt, eine Debatte, die auch auf dänischer Seite dringend geführt werden muss – gerne mit dem Beispiel Wattenmeer als Vorbild.

An der vor 400 Millionen Jahren durch tektonische Verschiebungen entstandenen Flensburger Förde reklamiert Flensburg für sich als Stadt mit dem traumhaften Slogan „zwischen Himmel und Förde“.

Wer träumt nicht gern von himmlischen Verhältnissen entlang der 15 Kilometer langen Innen- und 28 Kilometer langen Außen-Förde? Und hofft dabei auf neue Aufnahmen eines Berufsfotografen.

Nur 51 Jahre nach den ersten Plänen für die „Sauberhaltung“.

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