Kulturkommentar

„Mein Hund, das Wunschkind “

Mein Hund, das Wunschkind

Mein Hund, das Wunschkind

Apenrade/Aabenraa
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Wenn Hunde zu Kindern werden – lautete ein Titel eines Artikels, der eine Hundexpertin zu Wort kommen ließ. Journalistin Amanda Klara Stephany sieht die Argumentation, dass Hunde als Kinderersatz dienen, problematisch. Und erkennt darin eine Kritik an der modernen Gesellschaft.

In einer kürzlichen Pressemitteilung klagte eine Hundexpertin der Tierversicherung „Agria“ über die zunehmende Vermenschlichung von Hunden. Sie beklagt die Sofanutzung, den Gebrauch von parfümierten Hundeshampoos und die Vorstellung vom Hund als vermeintlichen Kinderersatz – ein Aspekt, der in diesem Diskurs oft angesprochen wird.

Von Boulevardmedien bis zum Papst zieht der Vergleich zwischen Hunden und Kindern seine Kreise und übersieht dabei zwei grundlegende Aspekte: Fürsorge ist nicht ausschließlich ein elterliches Attribut, und Hunde sind keine Kinder – und das ist auch gut so!

Die Kaufkraft und der Hund 

Argumentationen von vermeintlichen Vermenschlichungen von Hunden stützen sich oft auf äußerliche Faktoren: den Hundemantel in Trendfarbe, das italienische Lederhalsband oder das Marken-Hundeshampoo. Hundehalterinnen und Halter, die Inhaltsangaben von Hundefutter akribisch studieren und die gelegentlichen Besuche beim Hundephysiotherapeuten – all das klingt erst einmal natürlich nach viel: Viel Geld, viel Zeit, viel Aufwand. Doch viel Tierleid ist nicht erkennbar.

Nur eine Antwort auf einen Zeitgeist, der sich vor allem über Optimieren und Konsum versteht und ausdrückt. Dass vor allem jüngere Menschen, also Millennials und ältere Gen Z, darunter fallen, ist kein Zufall, sie sind eben auch jene Zielgruppe, die sich einen Hund leisten kann und die Social Media aktiv nutzt. Zudem sind Hunde in urbanen Räumen immer willkommener. Ob in Restaurants oder eigenen Hundecafés – der Hund ist nicht mehr bloß der „Haushüter“, er ist ein „Begleiter“ geworden.

Diese Beförderungen des Aufgabenbereichs eines Hundes, gepaart mit dem demografischen Wandel, verleiten schnell zur Annahme, dass Hunde irgendwen „ersetzen“ müssten, sprich das potenzielle Kind. Das kann in Einzelfällen natürlich auch so sein. Doch es verleitet auch zur fälschlichen Annahme, dass ein „Kinderwunsch“ in jedem von uns schlummert und dieser mit einem Hundekauf oder einer Adoption unterdrückt oder aufgeschoben wird – und der Hund als tierischer Babyersatz herhalten muss.

Hunde sind keine Babys 

Doch ist es wirklich so einfach? Korreliert gestiegenes Tierwohl und eine höhere Kaufkraft mit „der Vermenschlichung“ eines Tieres? Ein pinkes Halsband und gelegentliche, wohlriechende Bäder müssen eine artgerechte Auslastung nicht unbedingt ausschließen. Dass dem Hund ein buntes Halsband schnuppe ist, ist wohl auch den meisten Hundebesitzerinnen und -besitzern klar. Doch warum ist das Streitpotenzial bei diesem Thema so groß?

Dass der Fokus bei dieser Art von Argumentation wirklich beim Tierwohl liegt, bezweifle ich. Es ist vielmehr eine Gesellschaftskritik – an einer modernen Gesellschaft, die alternative Modelle zur Kleinfamilie denkt. Eine Gesellschaft, die Fortpflanzung nicht den all umfänglichen „Sinn des Lebens“ zuspricht, sondern andere Denk- und Lebensweisen ermöglicht. Dazu gehören eben solche, in denen der Hund nicht als Ersatz fungiert, sondern als eines der Lebensziele eines Menschen. 

Der Wunsch nach einem tierischen Familienmitglied 

2020 schrieb die Journalistin Nora Voit in der „Zeit" vom „Leben mit unerfülltem Hundewunsch“. Als ich den Text las, damals noch ohne Hund, fühlte ich mich verstanden. Um mich herum sprach zwar noch keiner wirklich über einen akuten Kinderwunsch, doch der Begriff war mir deutlich geläufiger. Und passte so gar nicht in mein Leben. Der Vorstellung, ein eigenes Kind zu bekommen, konnte und kann ich nichts abgewinnen, doch Hunde schmachtete ich bei jedem Spaziergang aus dem Augenwinkel an. Ein Ersatz sollte mein zukünftiger Hund niemals sein.

Mehr Wert auf hundische Bedürfnisse 

Dass ein Hund mittlerweile als eine Person verstanden wird, halte ich nur teilweise für richtig. Ja, Hunden wird immer mehr Raum zur Entfaltung gegeben. Dass menschliche Vorstellungen und Wünsche teilweise auf Hunde projiziert werden, ist durchaus ein Problem und kann zu Misskommunikation führen – auf beiden Seiten. Unsere Hunde haben nun nicht mehr nur Namen, sondern auch Persönlichkeitsmerkmale und Bedürfnisse. Sie begleiten uns in den Urlaub und werden als Familienmitglieder verstanden. Und eben weil Menschen ihren Hunden mehr Aufmerksamkeit schenken, werden auch die individuellen Bedürfnisse des Hundes eher erkannt – dazu gehören das Wälzen in (manchmal) Tierkadavern genauso wie das Faulenzen auf der Couch oder dem Hundebett. 

Hunde sind Familienmitglieder. Sie werden geliebt, bespaßt und ja, manchmal etwas zu sehr verwöhnt. Doch was genau soll passieren? Verzogen wird mein Hund durch die selbstgekochte Knochenbrühe wahrscheinlich eher nicht.

Während ich das schreibe, liegt mein Hund Theo neben mir. Auf der Couch, das darf er manchmal. Wenn ich ihn mitnehme, um meine Freundinnen zu treffen, dann trifft er seine Tanten, manchmal macht er auch Urlaub bei Oma und Opa in Deutschland. Das darf man alles mit einem Augenzwinkern verstehen, denn es eben nur das: Ein kleiner, lustiger Vergleich und eben kein Ersatz. Denn Theo könnte niemand ersetzen, auch kein Kind. 

Corgi Theo beim faulenzen auf der Couch. Foto: Amanda Klara Stephany
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