Leitartikel

„Gendern - es gibt kein Zurück“

Gendern - es gibt kein Zurück

Gendern - es gibt kein Zurück

Apenrade/Aabenraa
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Warum die Ablehnung gegen das Gendern als persönliche Befindlichkeit nicht richtig relevant ist, aber nie das professionelle Handeln beeinflussen sollte, darüber reflektiert „Nordschleswiger“-Projektmitarbeiterin Hannah Dobiaschowski.

Ich war selbst nicht die Erste, die das Gendern wichtig fand. Mitgemeint zu werden, war lange genug. Das hat sich aber geändert. Wenn nicht gegendert wird, fühle ich mich übersehen und ausgegrenzt, und so geht es fast allen Frauen in meinem Umfeld. Deshalb unterstelle ich: Wer nicht gendert, möchte absichtlich ausgrenzen und übersehen.

Gendern beim „Nordschleswiger“

Seit einer ganzen Weile schon bemühen wir uns beim „Nordschleswiger“ um gendersensible Sprache. Dabei verwenden wir neutrale Ausdrücke oder die weibliche und männliche Form. Studien zufolge kann das Gendern Effekte auf die Gleichstellung haben, weil Frauen in der Sprache mitrepräsentiert werden und nicht nur Männer. 

Dass wir keine Gendersternchen oder Leerstellen verwenden, ist kein aktiver Beschluss dagegen, wir sind bisher nur den ganzen Weg noch nicht gegangen. Wir befinden uns in einem Prozess, der noch längst nicht abgeschlossen ist. Mein Kollege Cornelius von Tiedemann, stellvertretender Chefredakteur, sagt dazu: „Unsere Genderpolitik ist ein Kompromiss mit den Mitarbeitenden, der gerne herausgefordert und zu gegebener Zeit neu geschlossen werden kann. Im Kollegium wurde Skepsis geäußert, ob eine weitergehende Lösung in der deutschen Minderheit zum jetzigen Zeitpunkt auf Akzeptanz stoßen und rein sprachlich überhaupt verstanden werden würde.“

Gendern nimmt niemandem etwas weg

Doch auch an unserem Kompromiss und unserer Minimal-Lösung stören sich einige wenige Leser (sic!) und versuchen permanent, uns unter unseren Artikeln, die wir auf Facebook posten, zu belehren oder sich lustig zu machen. In den allermeisten Fällen haben solche Kommentare nichts mit dem Inhalt des Textes zu tun.

Zum Glück ist es für unsere Gender-Entscheidung völlig irrelevant, was irgendein Stefan oder Andreas kommentiert, denn bei ihnen handelt es sich um persönliche Befindlichkeiten. Keinem Thorsten wird etwas weggenommen, weil wir eine Sprache wählen, die Menschen direkt anspricht, statt mitmeint.

Zumindest hat jetzt endlich auch der BDN nach außen hin klar verdeutlicht, dass er das Gendern ernst nehmen will, auch wenn das, was man intern zu Ohren bekommt, noch andere Töne sind. Aber immerhin gibt es kein Zurück mehr! Wer sich so stark nach außen positioniert, muss auch intern Stellung beziehen. 

Gendern oder beleidigte Leberwurst?

Denn blöd wird es, wenn die persönliche Befindlichkeit das professionelle Handeln beeinflusst, etwa bei Menschen in Führungspositionen. Wenn der gleiche Hohn in Kommentarspalten-Qualität echten Mitarbeiterinnen entgegengebracht wird. Wenn man Augenrollen von männlichen Vorgesetzten erntet, weil man darauf hinweist, dass man gerne auch Mitarbeiterinnen sagen darf, wenn 75 Prozent der Angestellten weiblich sind. Dann ist eine Führungskraft eben nicht mehr professionell, sondern eine beleidigte Leberwurst, und da darf man doch zu Recht fragen, ob diese Person auf dieser Position richtig platziert ist.

Diejenigen, die gegen das Gendern sind, reden oft von verschandelter Sprache, und wir in der „Nordschleswiger“-Redaktion wissen, dass Gendern sprachlich nicht immer schön ist. Es kann einem die schönste Überschrift zerhauen, die Suche nach neutralen Ausdrücken ist nicht immer zufriedenstellend. Aber es geht nicht um Schönheit, sondern um Gerechtigkeit.

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