Winter

Tageblatt-Autor Arndt Prenzel erkundet auf Skiern den Klintumer Forst

Tageblatt-Autor Arndt Prenzel erkundet auf Skiern den Klintumer Forst

Tageblatt-Autor Arndt Prenzel erkundet den Klintumer Forst

Arndt Prenzel/shz.de
Niebüll
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Glücklich ist Arndt Prenzel nach der abenteuerlichen Skifahrt durch den Klintumer Forst. Foto: Arndt Prenzel

Seltene Winterfreuden vor der Haustür lassen Corona vergessen.

„Endlich wieder Winter“, war der erste Gedanke, als der erste schöne Schneefall am Fenster vorbei glitzerte. „Wunderbar, hoffentlich bleibt er liegen!“ Das Wunder geschah, und so haben wir in Nordfriesland seit zehn Jahren wieder eine längere, echte Winterperiode. Der nächste Gedanke richtete sich Richtung Abstellkammer, denn dort lagern – trotz der normal gewordenen Schneearmut – die Langlaufskier stets griffbereit.

Die Gedanken wandern in die Vergangenheit. In den 50er, 60er und 70er Jahren gab es die wochenlangen Winter, nahezu Jahr um Jahr. Die Kinder in Niebüll freuten sich riesig, denn nun ging es entweder mit Schlittschuhen auf die Wehle oder auf die Legerader Fischteiche, um dort Eishockey zu spielen.

Eine tolle Alternative zur Schlittenfahrt im Langenberger Forst oder am Deich von Dagebüll war damals bereits Skilanglauf mit kurzen Abfahrten von den Gipfeln der „Northfrisian Dark Hills“. Nach der Schule hieß es, Bretter wachsen und einpacken, ab ins Auto und los. Zielgebiet war der Klintumer Forst, der sich bis heute nahezu unverändert anbietet.

Von den Einfahrten zum Wald ging es los, Richtung Rantzauhöhe. Unvergessen der erste Anstieg, der bewältigt werden musste, um in einen der unberührten Waldwege zu gelangen. Dort ist jetzt ein Parkplatz, der gleich die erste Rodelpiste für die Allerkleinsten bietet.

Pandemie ist vergessen

Die freie Auswahl der Wege ist nach wie vor erstklassig. Entweder geht es auf der breiten Piste auf dem Ochsenweg zur Petersburg, oder aber auf charmanten Nebenwegen erst einmal zum Emeisdenkmal oder zur Ahlefeld-Höhe. „Herrlich!“ entfährt es mir, auch als ich andere Winterfans treffe. Alle strahlen, sind begeistert vom Winter und der Chance, die Pandemie einfach mal zu vergessen.

Die Bedingungen sind außerordentlich gut. Schnell gleite ich dahin, finde es spannend, unbekannte Wege zu testen. So entsteht langsam das Gefühl, ganz weitab und ganz woanders zu sein, zumal es keine Begegnungen mehr gibt. Ich denke plötzlich an Weltumsegler Boris Herrmann und seine Vorsicht.

Irgendwie bin ich ja auch weitab von allem – wenn jetzt etwas passiert? Vor über zehn Jahren hatte ich mich mal richtig flachgelegt und kam im Tiefschnee kaum hoch. Smartphone war noch nicht angesagt und das alte Nokia-Handy war leider nicht dabei. Um die aufkommende Sorge einzufangen, teste ich meinen Empfang. Oh, Wunder, die Anzahl der Striche beweisen ausreichende Frequenzen.

So habe ich keine Zuschauer mehr, als die erste Abfahrt gelingen soll.

Arndt Prenzel

 Ist es jetzt unsportlich, wenn ich Rantzauhöhe eingebe? Egal, es muss sein, denn ich weiß nicht, wo ich bin. Und tatsächlich wird mir die Route angezeigt. Querfeld ein lege ich los, das macht Extraspaß. „Über den Fluss und in die Wälder“ geht mir Ernst Hemingway durch den Kopf. Durchbruch durch das Unterholz, vorsichtig durch die zugeschneiten Gräben, mutig trotz Wolfsgefahr voran.

Plötzlich taucht ein Rudel Rehe auf. Die Tiere sind mindestens genauso perplex wie ich. „Und tschüs!“ rufe ich hinterher. Dann findet sich unvermutet einer der breiteren Wege, es ist der Rantzau-Höhenweg. Ich erkenne den Verlauf wieder, erinnere mich an die vielen Abfahrten. Immer wieder ging es hinauf, für ein mühsam erkämpftes Genussgefühl und das kurze Abfahrtsglück. 45 Meter Höhe, was für eine Zahl! Außer mir ist jetzt am späteren Nachmittag nur eine Kleinfamilie unterwegs.

Die Lütte auf dem Schlitten ist neugierig. „Was machst Du da? Wie heißt Du?“ Die Eltern wollen die Kommunikation aus Höflichkeit unterbrechen. Schnell tauschen wir noch die Vornamen aus, dann wird die Kleine fortgezogen. So habe ich keine Zuschauer mehr, als die erste Abfahrt gelingen soll.

Kurzer Spaß

Durchatmen, in die Knie gehen, Stöcke schön einsetzen! Puuuh, die Nerven...Es ist nicht ohne, denn zwischendurch befinden sich unter dem Schnee kleine und größere Steine, die gemein abbremsen können. Danach beginnt das Gleiten, ein Surfen über das gleißende Weiß. Es ist ein kurzer Spaß, aber total euphorisierend. „Das Gehirn schüttet bei neuen Erlebnissen vermehrt Dopamin aus“, erklärt mir später eine Freundin. Die Wirkung ist nachhaltig, denn die gute Laune hält an.

Doch dann kommt Wagemut ins Spiel. Die Abfahrt soll nun über Kanten und Kurven gehen. Zunächst läuft alles nach Plan, doch dann kracht es plötzlich, die Kante hält nicht: Sturz nach Vorschrift. Es ist nichts passiert, außer, dass der Skistiefel sich auflöst. Oh ha! Doch die Sohle hält, und so geht es weiter den Berg hinunter, nun jedoch weiter Richtung Parkplatz, denn der nächste Termin liegt in der Luft.

Abenteuer

Fehlt irgendetwas in der Tasche? Tatsächlich, das Smartphone ist futsch. Das kann nicht wahr sein. Mit vollem Einsatz geht es zurück zum „Unglücksort“. Runter von den Brettern, noch einmal die Spuren absuchen – nichts. Dann kommen die Skistöcke als Instrument dran. Das Stochern „im Nebel“ bringt nichts zutage, bis plötzlich ein hartes Knacken Erfolg vermeldet. Da ist es. Ich atme kräftig durch und gleite entspannt zum Parkplatz. Nochmal gut gegangen.

Ironie des Schicksals: Dank des Navi geht es mit dem Auto querfeldein durch völlig verwehte Nebenstrecken zum Termin. Es ist das nächste tolle Abenteuer, das ebenfalls gut ausgeht! Der Winter hat derzeit echt was zu bieten hier im hohen Norden!

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