Kultgetränk

Ordentlich Umdrehungen – Wie der Manhattan nach Föhr kam

Ordentlich Umdrehungen – Wie der Manhattan nach Föhr kam

Ordentlich Umdrehungen – Wie der Manhattan nach Föhr kam

Anna Goldbach/shz.de
Föhr
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Mit Kirsche oder ohne? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Unsere Redakteurin Anna Goldbach hat ihren ersten Manhattan ohne getrunken – will jetzt aber nicht mehr auf Eis und Cocktailkirsche verzichten. Foto: Imago Images

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Redakteurin Anna Goldbach über ihren ersten Manhattan und wie - und ob - Insulaner sich an ihr „erstes Mal“ erinnern.

„Bist Du krank, macht er dich gesund und wenn Du gesund bist, macht er Dich krank“, sagte Sandra zu mir, während sie mir das Whiskey-Glas zuschob. Nun gut, was soll's – nützt ja alles nichts: Lebt man auf Föhr kommt man nicht darum herum, dachte ich, vorsichtig an dem bernsteinfarbenen Cocktail vor meiner Nase schnüffelnd, während Jule und Sandra mich erwartungsvoll ansahen. Schon an meinem ersten Tag auf der Insel war ich vor ihm gewarnt worden: Dem Föhrer Manhattan. 

 

Shz-Redakteurin Anna Goldbach. Foto: Petra Kölschbach

„Hattest Du schon deinen ersten Manhattan“, fragten Sandra und Jule nur wenige Stunden nachdem wir uns kennengelernt hatten. Ich verneinte, hatte ehe ich mich versah besagtes Whiskey-Glas vor mir stehen – und gehörig Respekt vor dem hochprozentigen Inhalt. Doch wie heißt es so schön? Nicht lang schnacken, Kopf in Nacken! „Sünjhaid“, prosteten die beiden mir zu. „Sünjhaid.“ 

 

 

Aus Amerika brachten Föhrer Auswanderer den Manhattan mit auf die Insel. Hier ist der Cocktail, gemischt aus Whiskey und zweierlei Wermut, Kult – in meinen dreieinhalb Jahren auf Sylt hatte ich jedoch nie von ihm gehört. Um so mehr Freude macht es mir, nun auch meine nordfriesischen Freunde in die Freuden des Manhattan einzuführen. Und das mit Erfolg: „Kannst du mir zu meinem Geburtstag eine Flasche mitbringen“, fragte der Eine nach seinem ersten Schluck. „Das ist richtig, richtig lecker – wie mischt man den?“, hieß es von der Anderen (Ihr Tipp: Statt Cocktailkirsche eine Scheibe Zitrone ins Glas geben). 

Alle mischen den Cocktail anders 

„Meine Oma sagt immer, dass es auf jeden Fall Canadian Club sein muss“, bringt eine Föhrerin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, Licht ins Dunkel. Sie selbst ist kein all zu großer Fan des Cocktails, „aber der von Oma ist richtig gut.“ Dafür erinnert sich die 30-Jährige an viele Geburtstage und Familienfeiern auf denen die Gäste, direkt nach dem Gratulieren, ein Glas in die Hand gedrückt bekommen – „und wenn Du noch nicht ganz ausgetrunken hast, wird direkt nachgeschenkt.“ Sie grinst. Das Warten auf die Gäste – die „Happy Hour“ – würde so mit Manhattan versüßt.

Was rein muss und was rein kann

Zu gleichen Teilen: 

  • Whiskey – am besten Canadian Club
  • Roter Wermut
  • Weißer Wermut 

Wahlweise: 

  • ein Schuss Wasser
  • ein Schuss Bitter 
  • ein Schuss Cocktailkirschwasser

Dazu: 

  • Eis
  • Cocktailkirsche

 

Wie der Manhattan nach Föhr kam 

Informationen dazu, wie genau der Drink nun aber nach Föhr gekommen ist, finde ich nirgends. Bis meine Kollegin mir rät, doch einmal bei Kim Hansen nachzufragen, die könne mir bestimmt weiterhelfen. „Rufen Sie doch mal bei meinen Eltern an, ich glaube, die haben den Manhattan mit hergebracht“, sagt die Nieblumerin. 

 

Ihre Mutter, Rita Hansen, klingt fröhlich am Telefon, ein bisschen kann man den amerikanischen Akzent heraushören. Vor allem, wenn sie von ice cubes, statt von Eiswürfeln spricht. Die 77-Jährige erzählt mir, wie sie 1968 aus Amerika nach Föhr reiste. Denn ihre Hochzeit sollte auf der Insel gefeiert werden, wo Freunde und Familie zuhause waren. Statt Kaffee und Kuchen wollten die Hansens eine Happy Hour: Manhattan sollte es geben. Ihre Freundin Inge Johanna Knudsen habe die Feier damals im Gasthaus Knudsen in Utersum ausgerichtet, erzählt sie. „Wir haben ihr dann das Rezept gegeben.“ Damals, so erzählt sie, habe man den Drink ausschließlich mit rotem Wermut gemischt, „der weiße macht ihn ein wenig milder“. „Und wenn man es richtig machen möchte gibt man noch ein paar Tropfen Angostura Bitter hinzu, aber nur ein paar Tropfen!“ 

 

Und wenn man es richtig machen möchte gibt man noch ein paar Tropfen Angostura Bitter hinzu, aber nur ein paar Tropfen!

Rita Hansen

 

Sie selbst habe immer Manhattan im Kühlschrank, genießt ihm am liebsten „on the rocks“ und ohne Kirsche, für Gäste gibt es ihn mit. Und noch etwas sei wichtig: „Ein Manhattan wird nie geschüttelt, das gehört sich nicht.“ Für diejenigen, die etwas mehr vom Drink genießen wollen, hat Rita Hansen auch noch einen Tipp: „straight up bestellen, dann ist er gut gekühlt, aber ohne Eis“ – also mehr Inhalt im Glas. 

Als das frisch getraute Ehepaar Hansen am Nachmittag des 1. März 1968 im Gasthof in Utersum ankam, hatte Inge Johanna trotzdem für Kaffee und Kuchen eingedeckt. Zum Glück: „Die Einheimischen und Verwandten kannten den Manhattan ja nicht. Was ist das nur für ein neumodisches Zeug, fragten einige.“ Die 77-Jährige lacht leise auf. Die jungen Leute hätten Gefallen an dem Cocktail gefunden, „wie wir dann essen sollten, hätten einige am liebsten direkt weitergefeiert“, erzählt sie. „Das“, sagt sie dann, „ist die wirklich wahre Geschichte wie der Manhattan nach Utersum kam.“ Doch sie betont auch, dass viele der Heimkehrer die alkoholische Spezialität immer wieder mit nach Föhr gebracht hätten – dennoch: bekannt sei der Manhattan damals noch nicht gewesen. 

Mit Kirsche oder ohne? Insulaner erzählen von ihrem ersten Manhattan 

Heute gehört er zu Föhr, wie der Kniepsand zu Amrum. Fast jeder Insulaner, den ich bisher getroffen habe, kann eine lustige Anekdote zum Manhattan erzählen. 

An ihren ersten Manhattan erinnert sich Heidi Braun, die Föhr-Amrumer Amtsvorsteherin und Bürgermeisterin der Gemeinde Wrixum, nicht mehr. „Das ist mir völlig entfallen“, sagt sie lachend, betont aber, dass sie immer welchen im Haus habe. Natürlich den selbst gemischten. Wie sie ihn am liebsten genießt? „Ohne Cocktailkirsche, wir wollen ja trinken und nicht essen.“ 

 

Dies scheint ein Streitpunkt zu sein. Während meine Freundin Jule empfiehlt, auch einen kleinen Schuss vom Kirschwasser beim Mischen hinzuzugeben, schüttelt es eine andere Föhrerin alleine beim Gedanken daran. Dann lieber einen Schuss Selters dazu. „Ein Eiswürfel muss rein“, sagt sie, auch der würde dafür sorgen, den Drink zu verlängern. 

Heie Sönksen-Martens erinnert sich jedenfalls noch gut an seinen ersten, auch wenn er sagt, dass man im Alter ja bekanntlich einiges vergisst. 1968, als der gebürtige Nordstrander mit seiner Föhrer Frau Ingke auf die Insel kam, sei es soweit gewesen. „Wir hatten ja guten Kontakt zu Föhr-Land“, erzählt er am Telefon. Konkret bedeutet das: Das gute selbstgemischte Zeug kam auf den Tisch. „Eines kann ich Ihnen sagen“, fügt er dann noch hinzu und ein leises Lächeln ist in seiner Stimme zu hören: „Man sollte nie mehr als zwei Manhattan trinken.“ 

Man sollte nie mehr als zwei Manhattan trinken.

Heie Sönksen-Martens

 

Für mich folgte – zumindest an diesem ersten Mädelsabend auf Föhr – kein weiterer Manhattan. Doch etwas ist, abgesehen von dem wohlig warmen Gefühl im Magen, geblieben: Seit dem gemeinsamen Anstoßen sind wir Freunde, Jule, Sandra und ich. Hatten wir uns mit vom Manhattan gelösten Zungen doch die ein oder andere Anekdote aus unseren Leben erzählt, zusammen gelacht. In diesem Sinne: Sünjhaid.

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