Folketingswahl 2022

Formbarometer VI: So fit sind die Parteien am Tag vor der Wahl

Formbarometer VI: So fit sind die Parteien am Tag vor der Wahl

Formbarometer VI: So fit sind die Parteien vor der Wahl

Kopenhagen
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Die Parteichefinnen und -chefs: Mai Villadsen (EL), Alex Vanopslagh (LA), Pernille Vermund (NB), Morten Messerschmidt (DF), Pia Olsen Dyhr (SF), Inger Støjberg (DD), Jakob Ellemann Jensen (V), Mette Frederiksen (Soz.), Søren Pape Poulsen (Kons.), Sofia Carsten Nielsen (Rad.V.), Lars Løkke Rasmussen (Mod), Franziska Rosenkilde (Alt.) Foto: Folketinget, Danmarksdemokraterne, Alternativet

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Morgen ist es so weit: Die Wählerinnen und Wähler dürfen ihr Kreuz bei der Folketingswahl setzen. Walter Turnowsky schätzt in seinem wöchentlichen Formbarometer ein letztes Mal die aktuelle Form der Parteien ein.

Bereits jetzt ist klar, dass diese Wahl in mehrfacher Hinsicht historisch sein wird. Die Wählerwanderungen werden so groß sein wie nie zuvor. Und nach Jahrzehnten der Blockpolitik könnten die politischen Lager aufbrechen.

Zwar werden die meisten zentralen politischen Entscheidungen traditionell immer von einer breiten Mehrheit getragen, aber die jeweilige Minderheitenregierung konnte immer auf ihre parlamentarische Grundlage zurückfallen.

Eine Mehrheit für den roten Block ist weiterhin nicht ausgeschlossen, doch die wahrscheinlichere Variante ist, dass die Moderaten als Königsmacher in der Mitte stehen werden.

Am Montagabend sendet „TV2“ noch eine Elefantenrunde, bei der die Parteichefinnen und Parteichefs eine letzte Chance haben, das Blatt noch einmal umzukehren. Nach der Debatte bei der „TV2“-Konkurrenz am Sonntagabend deutet jedoch wenig darauf hin, dass sich noch viele Asse in den Ärmeln verstecken.

Formkurve der Parteien

5: Absolute Spitzenform. Bereit, eigene Rekorde zu brechen.

4: Sehr gute Form. Bisherige Bestleistungen sind in Reichweite.

3: Solide Form. Läuft in regelmäßigem, kontrolliertem Tempo.

2: Schwache Form. Schon etwas außer Atem.

1: Schlechte Form. Hechelt dem Hauptfeld hinterher.

0: Ist eingeknickt. Es geht nichts mehr.

So wird die Form ermittelt

Es ist ein rein subjektive Einschätzung und sollte daher nicht überbewertet werden.

Bei der Ermittlung der Form bildet das Potenzial der einzelnen Parteien die Grundlage. Es geht also nicht darum, wer die meisten Stimmen bekommt, sondern inwiefern die Parteien ihr Potenzial ausschöpfen. 

Grundlage sind die politischen Debatten während des Wahlkampfes und die Themen, die den Wahlkampf prägen. Dabei ist entscheidend, welche Themen welchen Parteien liegen und wer eigene Themen auf die Tagesordnung setzen kann.

Das Auftreten der führenden Politikerinnen und Politiker spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, nicht zuletzt, weil sich ein personenbezogener Wahlkampf abzeichnet. 

Als letzte Komponente werden die Umfragen einbezogen. 

 

Die Sozialdemokratie

Es wurde im Vorfeld von politischen Beobachtern als „Arne-Pension II“ und sogar etwas geschmacklos als „Mettes Wunderwaffe“ bezeichnet: Das bereits angekündigte Versprechen der Sozialdemokratie, insgesamt drei Milliarden Kronen extra für die Lohntüten von öffentlich Bediensteten – vor allem im Gesundheits- und Pflegebereich – bereitzustellen.

Doch von einem Effekt, wie als der Brauereiarbeiter Arne Juhl die Plakate der Sozialdemokratie zierte, sind wir sehr weit entfernt. Der Vorstoß hat den Wahlkampf im besten Fall nur geringfügig beeinflusst. Die fehlenden vier bis sieben Mandate für eine rote Mehrheit hat er bis auf Weiteres nicht gebracht.

In der Elefantenrunde am Sonntagabend setzte Mette Frederiksen auf Zurückhaltung. Das war vermutlich klug. Sie kann immer noch darauf setzen, dass ein Teil der vielen noch unentschlossenen Wählerinnen und Wähler in der Wahlkabine auf die „sichere“ Entscheidung Frederiksen setzen.

Doch auch wenn Lars Løkke Rasmussens Moderate die entscheidenden Mandate bekommen sollte, hat die Staatsministerin die besten Karten, erneut das Amt zu bekleiden.

Leicht steigende Formkurve: 4,4

Venstre

Nach dem Einbruch der Konservativen stand Jakob Ellemann-Jensen als unumstrittener Leiter des bürgerlichen Lagers da. Das hat dem Wahlkampf von Venstre gutgetan.

Auch Ellemann persönlich ist mit einer ganz anderen Selbstsicherheit aufgetreten. Dennoch ist es ihm zu keinem Zeitpunkt geglückt, einen sicheren Stich einzufahren. Das galt auch für die „TV2“-Debatte.

Es war von vorneherein klar, dass Venstre nach dem Abgang von Lars Løkke Rasmussen und Inger Støjberg Stimmen verlieren würde. Das ist daher nicht an sich kein großes Problem, aber es ist eben nicht gelungen, während des Wahlkampfs Wählerinnen und Wähler zurückzuholen.

Ellemanns einzige Chance, Staatsminster zu werden, hängt von Lars Løkke Rasmussen und seiner Partei ab.

Leicht fallende Formkurve: 3,3

Die Konservativen

Was soll man fast noch über den Kollaps der Konservativen sagen? Søren Pape Poulsen dürfte bereits an seiner Niederlagenrede feilen. Die Umfragen sind jetzt schlechter als das Ergebnis vor dreieinhalb Jahren.

Eine Situation am Sonntagabend war bezeichnend: Als Klimaaktivisten die Debatte unterbrachen, war es Pape der ausflippte. Gewiss waren die Schlachtrufe und Banner nicht angemessen, aber man kann auch gelassener und souveräner auf eine solche Situation reagieren – was die übrigen Parteichefinnen und -chefs taten.

Weiterhin fallende Formkurve: 1,6

Dänemarkdemokraten

Inger Støjberg setzt auf die Landwirtschaft und wettert gegen eine Klimasteuer für das Gewerbe. Damit wird sie im Endspurt einige Stimmen holen können.

Doch insgesamt ist sie im Wahlkampf kaum vorgekommen. Vom Hoch im Vorwahlkampf ist sie in die mittleren Lagen heruntergerutscht.

Leicht fallende Formkurve: 3,2

Radikale Venstre

Die Radikalen werden vermutlich die Hälfte ihrer Wählerinnen und Wähler und damit auch die Hälfte ihrer Mandate verlieren. Selbst das der politischen Chefin Sofie Carsten Nielsen ist bedroht.

Und langfristig noch problematischer für die Partei: Die einstige Rolle als Zünglein an der Waage, das mehr Einfluss als Mandate hatte, haben die Moderaten ihnen abgeknöpft.

Fallende Formkurve: 1,5

Neue Bürgerliche

Pernille Vermunds rechte Partei hat im Wahlkampf kaum eine Rolle gespielt. Mit der Befürwortung von Atomkraft konnte sie ein paar Überschriften ergattern, Wählerstimmen weniger.

Die Neuen Bürgerlichen werden im Vergleich zur Premiere 2019 zulegen, jedoch überhaupt nicht in dem Maß vom Niedergang der dänischen Volkspartei profitieren, wie sie es sich erhofft hatten.

Leicht fallende Formkurve: 2,5

Sozialistische Volkspartei (SF)

Pia Olsen Dyhr konnte auf ihre stille Art im Endspurt des Wahlkampfs zulegen. SF dürfte auch Wählerinnen und Wähler anziehen, die sich erneut eine sozialdemokratische Regierung wünschen, aber keine über die Mitte hinweg.

Bei einem Wortwechsel mit Pape über sozial benachteiligte Kinder zeigte sie mit ruhiger Stimmführung und Gelassenheit überzeugendes Engagement gegenüber seinem aggressiven Auftreten.

Steigende Formkurve: 3,7

Liberale Allianz

Wer in der Aalborger Fest- und Wirtshausstraße „Jomfru Ane Gade“ so viele Menschen anziehen kann, dass er nur mit Geleitschutz noch wegkommt, der braucht sich um den Wahlsieg keine Sorgen zu machen.

Vor allem unter jungen Menschen kommt Alex Vanopslagh gut an: Die Partei wäre die größte, sollten nur die 18- bis 25-Jährigen abstimmen. Mit Videos auf dem sozialen Medium Tiktok hat „Daddy“ Vanopslagh – wie er dort genannt wird – die jungen Menschen erreicht.

Dabei würde man ihn und die Jugendlichen unterschätzen, würde man ihnen nachsagen, dass es hier nur um den Kult um einen politischen Rockstar geht. Seine Botschaft „Du kannst mehr“ als Gegenpol zum sozialdemokratischen Modell kommt gut an.

Steigende hohe Formkurve: 4,3

Einheitsliste

Das Wahlkampfthema um die Bedeutung der politischen Mitte hat der linken Partei nicht gutgetan. Mai Villadsen versucht eifrig ihre Themen zu setzen, vermag jedoch nicht 100 Prozent zu überzeugen.

Fallende Formkurve: 3,0

Die Moderaten

Alle reden von Lars Løkke Rasmussen; etwas Besseres konnte ihm gar nicht passieren. Er hat das Maximale aus der potenziellen Rolle als Königsmacher gemacht und konnte seine politischen Themen einbringen.

Die Sozialdemokratie hat in der vergangenen Woche das schwere Geschütz gegen ihn aufgefahren. Das hat seinen anscheinend unaufhaltsamen Aufstieg gebremst, aber nicht gestoppt.

Währende der Elefantenrunde konnte er in den direkten Duellen mit Mette Frederiksen über die Gesundheitspolitik überzeugen. Løkke hat sich zu einem ernstzunehmenden Anwärter auf das Amt des Staatsministers gemausert.

Steigende Formkurve: 4,5

Die Dänische Volkspartei (DF)

Obwohl die rechte Partei ums Überleben kämpft, hat Morten Messerschmidt den Wahlkampf hindurch so getan, als wenn nichts wäre. Und das Rezept scheint aufzugehen: Die Partei liegt jetzt wieder konsequent über der Sperrklausel.

Seine Forderungen von Inflationshilfen in zweistelliger Milliardenhöhe werden ihm die notwendigen Stimmen bringen.

Steigende Formkurve: 1,8

Die Alternative

Die Partei liegt jetzt in den Umfragen ebenfalls konsequent über der Sperrklausel. Dies allein wird Wählerinnen und Wähler ermutigen, der grünen Partei ihr Stimme zu geben.

Die Parteivorsitzenden Franciska Rosenkilde hatte am Sonntagabend keinen großen, aber dennoch einen sicheren Auftritt.

Steigende Formkurve: 1,8

Freie Grüne und Kristendemokraten

Marianne Karlsmose hat am Sonntag versucht ihre Chance zu nutzen, dennoch werden die Kristendemokraten es nicht schaffen. Sikander Sidiqque von den Freien Grünen begab sich mit seinen Vorschlägen ins politische Abseits.

Keine der Parteien hat, meiner Einschätzung nach, eine Chance ins Folketing einzuziehen. Daher werden sie nicht benotet.

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