Diese Woche in Kopenhagen

„Schnell mal studieren“

Schnell mal studieren

Schnell mal studieren

Kopenhagen
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Mehr arbeiten, dafür weniger studieren. So fasst Walter Turnowsky die politischen Geschehnisse dieser Woche ein wenig flapsig zusammen. Wieso kürzere Studien bessere Studien sein sollen, hat er nicht so ganz begriffen. Aber vielleicht hätte er dafür länger studieren müssen.

In dieser Woche spielte auf Christiansborg in mehrfacher Hinsicht die Zeit eine Rolle.  

Zum einen ging es um die Arbeitszeit, die ab dem kommenden Jahr einen Tag länger wird. Ich spreche natürlich von der jetzt beschlossenen Abschaffung des Buß- und Bettages.

Dafür sollen Studierende an den Universitäten ein Jahr kürzer studieren – zumindest so ungefähr die Hälfte von ihnen. Welche Hälfte es werden soll, ist noch nicht raus. Das zu entscheiden überlässt Bildungs- und Forschungsministerin Christina Egelund (Moderate) großzügig einem Ausschuss, bestehend aus Universitätsleuten, Studierenden sowie Wirtschaftsvertreterinnen und -vertretern.

Hurra! Prüfungen in den Ferien

Wobei, ganz so großzügig ist sie dann auch wieder nicht, es sollen vor allem die Studierenden der Gesellschafts- und Geisteswissenschaften ein Jahr schneller fertig werden. Ein Master (Kandidat) soll für einen Teil dieser Studierenden in vier, statt fünf Jahren zu schaffen sein – oder anders gesagt in einem Jahr nach dem Bachelor.

Gnädigerweise soll es zu dem einen Jahr, das zunächst im Gespräch war, noch ein Viertel dazu geben – um die Abschlussprüfungen zu machen. Sozusagen als Belohnung dürfen die Studierenden diese dann in den Sommerferien absolvieren.

Eine schwierige Rechenaufgabe

Ministerin Egelund meint, eine längere Ausbildung sei nicht unbedingt eine bessere. Das eine kürzere es sein soll, daran zweifeln dagegen Universitätsrektorinnen und -rektoren, Studierende sowie Wirtschaftsverbände. Ich muss gestehen, ich verstehe das Rechenstück kürzer = besser auch nicht so ganz. Allerdings habe ich auch seinerzeit für mein Biologiestudium siebeneinhalb Jahre benötigt – vielleicht bin ich einfach nicht so helle.

Doch trotz der Proteste wird es hier laufen wie beim Buß- und Bettag: Egal ob die Argumente gegen den Vorschlag nun gut oder schlecht seien sollten, hat die Regierung eine Mehrheit und beabsichtigt auch, von dieser Gebrauch zu machen. Die Bildungsministerin sagte zwar, dass sie hart für eine breite Absprache arbeiten würde – das „Aber“ nach diesem Satz hing jedoch in der Luft.

Die lästigen Großstadt-Sozis

Da wird es auch wenig Eindruck auf die Regierung machen, dass die sozialdemokratische Kopenhagener Oberbürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen sowie ihre ebenfalls sozialdemokratischen Kollegen in Aarhus, Odense und Aalborg die Idee so überhaupt nicht gut finden, obwohl sie ursprünglich im sozialdemokratischen Mistbeet gewachsen ist.

Ein Schelm, wer meint, die OB-Dissens habe irgendetwas damit zu tun, dass gerade in diesen vier Städten viele Studierende wohnen, die noch dazu Stimmrecht haben. Davon haben sie bei den Kommunalwahlen im November 2021 auch noch Gebrauch gemacht, indem sie ihr Kreuzchen gerade nicht bei Liste A, der Sozialdemokratie, gemacht haben. 

Schneller auf den Arbeitsmarkt

Nun sollte ich gerechterweise erwähnen, dass die geplante Reform auch flexiblere Ausbildungswege mit mehr Möglichkeiten für Fortbildung anstrebt. Auch sollen mehr sogenannte Erwerbskandidaten ausgebildet werden. Eine Ausbildung, bei der man das Studium mit einer Teilzeitarbeit kombiniert. Einige Studien, die eine besondere Spezialisierung erfordern, dürfen sogar länger werden.

Diese Aspekte hat Egelund besonders betont. Weniger betont hat sie einen anderen Aspekt. Die verkürzten Ausbildungen sollen die Anzahl der Beschäftigten um 6.000 Personen steigern. Das bringt dem Staatshaushalt immerhin 1,35 Milliarden Kronen pro Jahr.

Und so hängt das Ganze dann doch wieder mit dem Buß- und Bettag zusammen. Denn Ziel der Abschaffung ist es ja auch, dass mehr gearbeitet wird.

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