Diese Woche In Kopenhagen

„Die Gerüchte von einem internationalen Posten für Mette Frederiksen“

Die Gerüchte von einem internationalen Posten für Mette Frederiksen

Die Gerüchte vom internationalen Posten für Mette

Kopenhagen
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Im vergangenen Jahr war die Staatsministerin als Nato-Generalsekretärin im Gespräch, doch daraus wurde nichts. Jetzt wird sie als Nachfolgerin für Ursula von der Leyen gehandelt. Egal, ob an der Sache etwas dran ist, lösen die Gerüchte Unruhe aus, so die Einschätzung von Walter Turnowsky.

Als ich an der verschlossenen Glastür vorbeigehe, die vom Parlamentsgebäude ins Staatsministerium führt, kommt mir vor, ich höre ungewohnte Klänge.

Jetzt bin ich mir etwas unsicher, ob ich da lediglich den Flurfunk höre (im Dänischen: das Rauschen in den Wasserrohren), oder ob da tatsächlich die Riffs der 80er-Punkband „The Clash“ erklingen. Doch, jetzt erkenne ich den Refrain: „Should I stay, or should I go?“.

Und eine Frauenstimme scheint da gemeinsam mit Joe Strummer zu singen. Sollte Mette wirklich überlegen … ? Verdenken könnte man es der Staatsministerin nicht. Denn irgendwie kommt ihre SVM-Koalition beim Volk nicht so richtig an. „Politikens“ satirische Kolumne „Sket i Ugen“ bezeichnet sie bereits als die „Kamikaze-Regierung“.

Wird hinter dieser Tür wirklich Punkmusik gespielt? Foto: Walter Turnowsky

Die Mehrheit ist weg

In dieser Woche ging deren Sturzflug noch weiter, als ein gewisser Mads Fuglede die Fraktion von Venstre verließ, um sich unter den dänemarkdemokratischen Fahnen von Inger Støjberg zu melden. Er sei gegen die CO2-Abgabe und überhaupt gegen die gemeinsame Regierung mit der Sozialdemokratie trompetete er auf Facebook, während er die Venstre-Tür hinter sich zuschlug.

Und damit war die eigene Mehrheit der Regierung futsch. Nach außen hin ließ sich Mette Frederiksen dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Sie mache sich Sorgen um vielerlei – vornehmlich Russland – aber nicht über die parlamentarische Situation in Dänemark, ließ sie verlauten. Und überhaupt: Die Regierung habe keine Entscheidungen im Alleingang durchgesetzt, so die weitere Schadensbegrenzung ihres Teams.

Letzteres ist unbestritten richtig: Mindestens eine weitere Partei hat immer mitgemacht. Doch ist so ein Verhandlungspoker nun einmal um vieles schöner, wenn man das Trumpfass in der Hand hat. Und am schönsten ist er überhaupt, wenn man den Joker hat, der da lautet: „Wenn ihr nicht mitmacht, können wir auch alleine“. Man braucht diesen Joker dann nicht einmal auszuspielen.

Ursulas Nachfolgerin?

Doch jetzt ist mit dem Alleinemachenkönnen Schluss. Und daher kann Mette durchaus der Gedanke gekommen sein: Man muss ja nicht Staatsministerin sein, Präsidentin der Europäischen Kommission wäre ja auch mal ganz nett. Und wie sich die Dinge manchmal so schön ergeben; der Posten wird nach der EU-Wahl im Juni nämlich frei. Ursula Gertrud von der Leyen möchte nicht erneut antreten.

Daher liefen die Drähte des Flurfunks beziehungsweise die Wasserrohre auf Christiansborg auch heiß, als Mette und Ursula im März gemeinsam die Färöer und Grönland besuchten. Zwar ging es offiziell um eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und den nordatlantischen autonomen Regionen des Königreichs, aber man weiß ja nie, was die beiden unterwegs im Flugzeug sonst noch so alles beschnackt haben.

Nun ist es nicht so, dass Ursula ihre Nachfolgerin ernennen kann; schließlich ist die EU ja nicht Nordkorea. Aber so ein Empfehlungsschreiben von ihr könnte bestimmt nicht schaden, wenn man den Posten anstrebt. Allerdings wissen wir gar nicht, ob Mette den Posten möchte – selbst streitet sie das ab.

Die verpatzte Kandidatur als Nato-Generalin

Das tat sie allerdings auch, als sie vor knapp einem Jahr als kommende Nato-Generalsekretärin im Gespräch war. Und bevor du ihr jetzt wegen des Abstreitens vorschnelle Vorwürfe machst, dann überlege doch mal, was du selbst tun würdest. Sagen wir mal, du bewirbst dich für einen neuen Job; das würdest du deinem Arbeitgebenden doch auch erst erzählen, wenn alles in trockenen Tüchern ist.

Solltest du das Vorstellungsgespräch verk… Entschuldigung, verpatzen, dann willst du ja in deinem bisherigen Job weitermachen können. Und genau das mit dem Verpatzen passierte wohl, als Mette im vergangenen Jahr Onkel Joe Biden in Amerika besuchte. Zumindest wurde der bisherige Generalsekretär Jens Stoltenberg gebeten, ein Jährchen weiterzumachen.

Das Jährchen ist bald rum, aber Genosse Olaf Scholz in Berlin hat gesagt, er unterstützt den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte und damit ist Mette nicht mehr im Rennen. Du siehst also, wie weise es von ihr war, die Kandidatur nicht lauthals herauszuposaunen.

Es kocht in der Gerüchteküche

Ihr Problem ist jedoch, dass selbst das leiseste Geknister im Flurfunk von der Opposition liebend gerne ausgeschlachtet wird. Und nicht nur sie lauscht den Wasserrohren, auch die Regierungspartner von den Moderaten und Venstre haben ein natürliches Interesse daran, wer Staatsministerin beziehungsweise Staatsminister ist.

Hier sei an weitere Zeilen des Clash-Songs erinnert: „If I go, there will be trouble. If I stay, it will be double.“ Für die aktuelle Situation sollte man das Zitat vielleicht umdrehen. Wobei, richtig viel Unruhe kann es – vor allem auch intern in der Sozialdemokratie – auslösen, wenn Mette sozusagen weder bleibt noch geht.

Wer wird der neue Mette?

Bereits bei der Diskussion über die Nato-Kandidatur im vergangenen Jahr begann es in der Partei zu rumoren, denn sollte die Chefin gehen, will ein Nachfolger gefunden werden. Und da gibt es schon Ideen, wer das sein könnte. Nur gibt es nicht bloß eine, sondern zwei Ideen, und damit haben wir den Ärger.

Die einen sehen Finanzminister Nikolai Wammen als kommenden Chef, die anderen Justizminister Peter Hummelgaard. Die beiden selbst werden sich natürlich – ähnlich wie Mette bezüglich der EU-Präsidentschaft – hüten, irgendetwas zu ihrer Kandidatur zu sagen. Aber die jeweiligen Unterstützerinnen und Unterstützer sind hinter verschlossenen Türen aktiv.

Bislang herrscht – im Gegensatz zum vergangenen Jahr – nach außen hin Ruhe in der Arbeiterpartei. Vielleicht liegt es ja auch daran, dass die Staatsministerin in Wirklichkeit gar nicht den Clash-Song aufgelegt hat.

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