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Gymnasiallehrerin: Deutsch ist die wichtigste zweite Fremdsprache in Dänemark

Gymnasiallehrerin: Deutsch ist die wichtigste zweite Fremdsprache in Dänemark

„Deutsch ist die wichtigste zweite Fremdsprache in Dänemark“

Nærum
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Jenny Gibson unterrichtet seit 2005 am Nærum Gymnasium. Neben Deutsch lehrt sie auch die Fächer Kunst sowie Design und Architektur. Foto: Walter Turnowsky

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Die Motivation, im Gymnasium Deutsch zu lernen, sei unverändert, so die erfahrene Lehrerin Jenny Gibson. Das Wissen über die deutsche Kultur und den deutschsprachigen Raum sei jedoch bescheiden. Sie meint, die Politik müsse die Sprache höher priorisieren.

Das Nærum Gymnasium, ungefähr 15 Kilometer von Kopenhagen, ist ein modernes Gebäude. Es ist für einen zeitgemäßen Unterricht eingerichtet. Gelegen in der Rudersdal Kommune, befindet es sich in dem wohlhabenden Gürtel im nördlichen Hauptstadtgebiet.

Hier unterrichtet Jenny Gibson seit 2005 Deutsch. Und viele Schülerinnen und Schüler wählen am Nærum Gymnasium das Fach als ihre zweite Fremdsprache, so gibt es in der 1G und 2 G acht Deutschklassen.

„Mein Eindruck ist, dass viele Eltern hier in der Kommune ihre Kinder anspornen, Deutsch zu wählen. Viele haben hohe Positionen und wissen, dass Deutsch in der Wirtschaft wichtig ist“, sagt Gibson dem „Nordschleswiger“.

Geringes Wissen über Deutschland

Ihrer Einschätzung nach spielt es auch eine große Rolle, dass der Deutschunterricht an Volksschulen der Kommunen gut läuft: „Sie wählen das Fach, weil sie schon viel an der Volksschule gelernt haben.“

Dieses Bild steht nicht generell für die Hauptstadt. Während 94,6 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den Grundschulen der Region Süddänemark Deutsch als zweite Fremdsprache wählen, gilt das in der Region Hauptstadt nur für 67,6 Prozent, wie eine Untersuchung des Nationalen Zentrums für Fremdsprachen (NCFF) zeigt.

„Generell finde ich, die Motivation ist gut und so, wie sie immer gewesen ist. Sie sind relativ motiviert für Fremdsprachen hier an diesem Gymnasium. Aber die Schülerinnen und Schüler wissen nicht so viel über Deutschland und über Österreich und die Schweiz am Anfang ihrer gymnasialen Ausbildung“, so Gibson.

Zusammenhang zwischen Kultur und Sprache

Der erfahrenen Lehrerin selbst wurden die Deutschkenntnisse in die Wiege gelegt: Sie besuchte deutsche Grundschulen in Norderlügum (Nørre Løgum), Tondern (Tønder) und Apenrade (Aabenraa), machte 1983 ihr Abitur am Deutschen Gymnasium für Nordschleswig. Für die Jugendlichen in der Hauptstadt gilt das nicht. Deutschland ist für sie weit weg.

Jenny Gibson meint, die Politik solle den Mut haben, laut zu sagen, dass Deutsch die wichtigste zweite Fremdsprache sei. Foto: Walter Turnowsky

„Wir versuchen, die Schülerinnen und Schüler zu engagieren, indem wir Interesse für Deutschland und die deutschsprachigen Länder wecken. Ich halte diese interkulturelle Disziplin für sehr wichtig, damit sie lernen, dass deutsche Jugendliche in vielfacher Hinsicht so leben wie dänische.“  

Begegnungen mit dem deutschsprachigen Raum

Gerade weil Deutschland von Nordseeland gesehen weit weg ist, hält Gibson die konkreten Erfahrungen mit dem Land für besonders wertvoll.

„Die Motivation der Schülerinnen und Schüler verstärkt sich beim Begegnen mit Deutschland. Unsere Tagesfahrt nach Lübeck mit der 1G, unseren Schüleraustausch mit dem Gymnasium Blankenese und unsere Aufenthalte mit den Schülerinnen der 3G in entweder Berlin, Wien oder München sind immer sehr erfolgreich gewesen.“

Ein erfolgreicher Unternehmensbesuch

Der Wirtschaftsverband „Dansk Industri“ hat wiederholt betont, wie wichtig Mitarbeitende mit Deutschkenntnissen für viele Exportunternehmen sind. Auch die Lehrerin wird nicht müde, auf die Chancen, die die Sprache für die Karriere bedeuten kann, hinzuweisen. Doch auch wenn es um diesen Aspekt geht, prägt sich die konkrete Erfahrung am besten ein.

Es wäre toll, wenn man sich in Dänemark generell mehr für Deutschland und die deutschsprachigen Länder interessieren würde.

„Im Frühjahr haben wir eine Firma, Deko in Høje Taastrup, besucht, die nach Deutschland exportiert. Das war ein Riesenerfolg, denn die Schülerinnen und Schüler haben in nur einer Stunde erfahren, wie wichtig es ist, die deutsche Sprache zu lernen, aber auch die deutsche Kultur kennenzulernen.“

Fächerübergreifende Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit mit naturwissenschaftlichen Fächern ist eine weitere Möglichkeit, den Jugendlichen die Bedeutung von Sprachen zu vermitteln. So bekommen sie auch einen Zugang zu Fachtexten auf Deutsch (oder Französisch).

„Wir haben ein Projekt vom Goethe-Institut ‚Future Now, in einer Zusammenarbeit zwischen Naturgeografie und Deutsch durchgeführt. Dabei ging es um Nachhaltigkeit. Die Schülerinnen und Schüler mussten viele Begriffe auf Deutsch lernen, Texte über Nachhaltigkeit in sowohl Deutschland als auch Dänemark lesen, eine Stadtwanderung im Stadtteil Nordhavn machen, und am Ende haben sie eine deutsche Power-Point-Präsentation über ihre eigenen Ideen zur nachhaltigen Stadt erarbeitet.“

Die Präsentation wurde anschließend vom Goethe-Institut veröffentlicht. 

Wenigen mit Deutsch auf höchstem Niveau

Doch auch wenn es am Nærum Gymnasium dank guter Voraussetzungen und einem abwechslungsreichen Unterricht mit Deutsch gut läuft, macht sich auch hier eine landesweite Tendenz bemerkbar. Die Schülerinnen und Schüler wählen Deutsch in der 1G und 2G, denn es ist obligatorisch eine zweite Fremdsprache zu wählen. In der 3G wählen viele es ab, und so sind es deutlich weniger, die mit Deutsch auf dem höchsten, dem A-Niveau abschließen.

Wer den naturwissenschaftlichen Zweig besucht, muss mit Deutsch auf A-Niveau, fünf statt vier Fächer abschließen. Dies sieht der Deutschlehrerverband für die Gymnasien – dessen Vorstand Jenny Gibson angehört – als einen Strukturfehler.

„Die Politik sollte die deutsche Sprache höher priorisieren. Deutsch ist die wichtigste zweite Fremdsprache in Dänemark, weil wir Deutschland als Nachbarland haben. Man müsste den Mut haben, das laut zu sagen“, lautet Jenny Gibsons Appell.

Und das Problem liegt ihrer Ansicht nach nicht nur bei der Politik. Andere Akteure, wie zum Beispiel die Medien, sind auch gefragt.

„Ein weiterer Wunsch meiner Seite: Es wäre toll, wenn man sich in Dänemark generell mehr für Deutschland und die deutschsprachigen Länder interessieren würde.“

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