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Kinderexperiment: Kein Geld vom Staat, Anwalt klagt

Kinderexperiment: Kein Geld vom Staat, Anwalt klagt

Kinderexperiment: Kein Geld vom Staat, Anwalt klagt

Ritzau/hm
Kopenhagen
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Ein Gericht muss nun klären, ob sechs Grönländer entschädigt werden. Foto: DPA

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Der dänische Staat hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die Idee, eine Dänisch sprechende Elite auf Grönland zu bilden und nahm deshalb 22 Eltern ihre Kinder weg. Sechs Überlebende fordern Wiedergutmachung, doch der dänische Staat strebt eine gerichtliche Entscheidung an.

Die Fälle sorgten auch in Deutschland für Aufmerksamkeit: Grönländische Kinder wurden Anfang der 1950er Jahre ihren Eltern weggenommen, um sie in Dänemark zu erziehen – zum Nachteil der Kinder. Nun hat der dänische Staat Wiedergutmachungszahlungen an sechs überlebende Personen verweigert, die als Kinder 1951 nach Dänemark gebracht wurden. Dies teilte der Anwalt der sechs, Mads Pramming, dem Sender „Danmarks Radio“ mit.

Er will nun vor Gericht ziehen. Im November hatte Pramming vom Staatsministerium 250.000 Kronen für jeden seiner Mandanten gefordert. 22 Kinder wurden damals den Eltern weggenommen.

Pramming: Als ob niemand etwas schulde

Das Sozialministerium hat Prammings Forderung abgelehnt und an das Gericht verwiesen. Der Anwalt will nun das Staatsministerium gerichtlich belangen und sagt: „Wenn unsere Forderung abgewiesen und man gebeten wird, vor Gericht zu ziehen, dann ist es so, als ob man sagt, man schulde niemanden etwas.“

Er wundert sich auch darüber, dass in der Ablehnung seinen Worten nach keine Gründe genannt wurden. Regierungschefin Mette Frederiksen (Soz.) hatte sich bei den 22 nach Dänemark verschleppten Personen entschuldigt, die Teil eines Versuchs waren.

Im Mai hatte Sozialministerin Astrid Krag eine Wiedergutmachung abgelehnt. Das Sozialministerium will die gerichtliche Klärung abwarten. Ist diese vollzogen, will es sich zu möglichen Zahlungen äußern.

Die Kinder im Alter zwischen vier und neun Jahren wurden ihren Eltern weggenommen und nach Dänemark gebracht, um dort Dänisch zu lernen. Ziel war es, eine Dänisch sprechende Elite zu bilden, die Grönlands Entwicklung beschleunigen sollte. Nach dem Aufenthalt in Dänemark wurden die Kinder in ein Heim in Nuuk gebracht, wo es ihnen verboten war, ihre Muttersprache zu sprechen.

Experiment mit Folgen

Das Experiment schlug fehl. Viele Betroffene lebten nicht lange, sie bekamen psychische und gesundheitliche  Probleme. Die sechs Überlebenden sind mittlerweile Ende 70.

45 ehemalige Bewohner des Kinderheimes Godhavn wurde eine Wiedergutmachung von je 300.000 Kronen zugesprochen, um sie für Übergriffe zu entschädigen, die in den 60er Jahren geschahen. Die Zahlungen flossen, nachdem der Staat verklagt worden war, und es zu einem Vergleich kam.

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