Diese Woche in Kopenhagen

„Warum man nicht von Hasch umnebelt durch die Hauptstadt radeln sollte“

Warum man nicht von Hasch umnebelt durch die Hauptstadt radeln sollte

Rat: Nicht von Hasch umnebelt durch die Hauptstadt radeln

Kopenhagen
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In seiner Kolumne (die ein wenig verspätet erscheint) spannt Walter Turnowsky einen weiten Bogen vom verträumten Radeln zum Haschhandel auf Christiania. Die Frage, ob das gut gegangen ist, müssen die Leserinnen und Leser selbst beurteilen.

Die Urlaubszeit ist eine Zeit, in der man die Seele baumeln, die vielen Überlegungen des Alltags zu Hause lassen kann.

Man kann sich zum Beispiel ein Fahrrad mieten und einfach nur die bornholmsche Landschaft genießen und die Gedanken schweifen lassen. An Verkehrsregeln braucht man dabei auch nicht allzu sehr zu denken, denn schließlich ist man ja im Urlaub, und da gelten sie nicht so richtig.

Da kann man schon mal ruhig die gesamte Straße in Anspruch nehmen und das jüngste Kind am weitesten links fahren lassen. Beim Überqueren der Straßen verlässt man sich darauf, dass das von hinten kommende E-Auto schon rechtzeitig bremsen wird; schauen wäre in der Urlaubsstimmung eindeutig zu anstrengend. Und erst der Blick über die Schulter beim Überholen auf dem doppelspurigen Radweg; man will schließlich auch seinen Nacken schonen.

Da muss man dann eben, des Nackenschonens wegen, schon mal in Kauf nehmen, dass lokale Radlerinnen oder Radler – wir könnten den Autor dieser Zeilen als zufällig gewähltes Beispiel erwähnen – einen anfauchen, während sie versuchen zu vermeiden, dass sie auf der linken Seite des Radweges im Straßengraben landen.

Ich überlege, ob vielleicht gar nicht das Gehirn- und Nackenschonen die Ursache des gelassenen verkehrstechnischen Verhaltens ist. Kann es sein, dass die häufig nicht mehr ganz jungen Urlauberinnen und Urlauber aus Deutschland in reiner Vorfreude auf die Legalisierung von Cannabis sich schon mal einen Joint gedreht haben und deshalb ein wenig verträumt durch die Landschaft radeln?

Gilt der Besuch nicht den ländlichen Gebieten wie zum Beispiel der Westküste oder Bornholm, sondern der dänischen Hauptstadt, möchte ich aus gleich mehreren Gründen vom Cannabis-Radeln abraten. Erstens würden die dort ansässigen Radfahrer das Wort „rücksichtsvoll“ selbst dann nicht verstehen, wenn sie es im Wörterbuch nachschlagen würden. Nur wer des Lebens bereits sehr überdrüssig ist, wandelt verträumt über die Kopenhagener Radwege.

Und zweitens ist der Einkauf von Cannabis in der Hauptstadt derzeit so gar nicht angesagt. Als Reaktion darauf, dass vor gut zwei Wochen ein Mann ermordet wurde und weitere vier Personen bei einer Schießerei in der sogenannten Freistadt Christiania zu Schaden kamen, haben die Kopenhagener Oberbürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen (Soz.) und Justizminister Peter Hummelgaard (Soz.) dazu aufgefordert, man soll sein Hasch nicht mehr in der Pusher Street kaufen.

Nun wird so eine oberbürgermeisterliche beziehungsweise justizministerliche Aufforderung nicht unbedingt den festen Kundenstamm von den gemütlich anmutenden Ständen an der ungefähr 100 Meter langen Straße wegscheuchen. Etwas mehr Eindruck sollte machen, dass auch die Bewohnerinnen und Bewohner in Christiania sagen, man solle wegbleiben. Sie haben mittlerweile die Nase voll von den kriminellen Banden. Das war vor nicht allzu langer Zeit anders, denn auch so manche(r) in der Freistadt hat ihren oder seinen Anteil an dem milliardenschweren Geschäft gehabt.

Und sollte auch das eventuelle Cannabis-Touristinnen und -Touristen noch nicht fernhalten, so vielleicht die Tatsache, dass man derzeit fast gleich vielen Polizistinnen und Polizisten in und um der Pusher Street begegnet, wie Einzelhandelnde mit verarbeiteten Produkten den Cannabispflanze. Und ja, auch wenn man nur ein Gramm für den eigenen Bedarf in der Tasche hat, droht einem eine Geldstrafe.

Die Strafen sollen nach Vorstellung des bereits erwähnten Peter Hummelgaard sogar noch verschärft werden. War man in der Pusher Street einkaufen, droht die doppelte Strafe im Vergleich zu anderen Einkaufsmöglichkeiten, im Wiederholungsfall Knast. Jetzt soll die Drogenmeile dichtgemacht werden.

So ganz einfach wird es nicht werden, denn Hummelgaard, Hæstorp und Co. sind nicht die Ersten, die „die Straße“ schließen wollen. Wie ich selbst gut zwei Stunden vor der Schießerei feststellen konnte, bislang mit mehr als bescheidenem Erfolg.

Und selbst wenn es glücken sollte, diesmal die haschhandelnden Kriminellen aus Christiania zu vertreiben, und das würde ich sogar im Tetrahydrocannabinol-umnebelten Zustand durchschauen (was in meinem Fall allerdings schon ein paar Jährchen her ist), sie würden ihr Geschäft nur anderswohin verlegen .

Da ist einigen der Gedanke gekommen (beziehungsweise, sie haben ihn wohl schon vor einiger Zeit gefasst), machen wir es doch wie die Deutschen und legalisieren das Zeug. Allerdings denke ich, man sollte den legalen Haschhandel einfacher gestalten, als es Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und seine Regierungsfreunde planen.

Wird das alles zu kompliziert, werden die Leute wohl doch wieder den Dealer ihres Vertrauens aufsuchen – wobei das mit Dealer und Vertrauen so eine Sache ist.

In Sachen Legalisierung sitzen übrigens die sozialdemokratische OB und der ebenfalls sozialdemokratische Justizminister nicht mehr im selben Boot. Sie sagt „Ja“, er „lieber nicht“. Hummelgaard ist sich damit in dieser Frage mit dem wenig sozialdemokratischen Chefredakteur von „Berlingske“, Tom Jensen, einig.

In seinem bürgerlichen Newsletter beschreibt er mit Abscheu in der Feder, wie ihm bei Spaziergängen durch New York die Haschwolken nur so um die Nase gezogen sind, nachdem auch dieser US-Staat Cannabis legalisiert hat. Das wünscht sich Jensen für Kopenhagen nicht. Ich weiß nicht, welche Open-Air-Konzerte und Musikfestivals der erklärte Rockfan so besucht hat. Aber ich weiß, dass es bei denen, wo ich war, recht regelmäßig nach etwas gerochen hat, das eindeutig nicht Virginia-Tabak war.

Umgekehrt denke ich, dass die Legalisierung auch nicht das Allheilmittel ist, zu dem es die Anhängerinnen und Anhänger gerne hochstilisieren. Denn so wenig, wie die Konsumentinnen und Konsumenten bei einer Schließung der Pusher Street verschwinden werden, so wenig werden sich die Kriminellen bei einer Legalisierung in Luft auflösen. Sie werden sich wohl anderen Geschäftsmodellen zuwenden.

Darüber kannst du ja auch auf dem Weg nach Hause – ob nun zu Fuß, per Rad oder Auto – noch ein wenig sinnieren. Aber versinke bitte nicht zu tief in deine Gedanken; der Urlaub ist schließlich vorbei, und die Verkehrsregeln gelten wieder.

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