Kommentar

„Straftäter müssen nicht rückfällig werden“

Straftäter müssen nicht rückfällig werden

Straftäter müssen nicht rückfällig werden

Apenrade/Aabenraa
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Zwei Drittel der entlassenen Häftlinge in Dänemark werden innerhalb von zwei Jahren rückfällig. Das zeigen neueste Zahlen. Aber das muss nicht so sein, findet „Nordschleswiger"-Mitarbeiterin Hannah Dobiaschowski, und sie hat auch eine Idee.

„Neue Zahlen von Danmarks Statistik zeigen, dass zwei von drei aus dem Gefängnis Entlassenen innerhalb von zwei Jahren wieder straffällig werden.“

Das haben wir hier geschrieben. Die Zahl bezieht sich auf männliche Straftäter.

Wundert es jemanden, dass entlassene Häftlinge in so großer Zahl rückfällig werden? Hoffentlich nicht!

Der gesellschaftliche Gerechtigkeitssinn fordert, dass Menschen bestraft werden, die sich nicht an geltendes Recht halten. So weit, so gut. Dass die Zahl der Rückfälligen so hoch ist, sollte einen aber stutzig machen.

Denn es geht auch anders, zeigt der Blick nach Norwegen. Dort liegt die Rückfallquote nur bei etwa 20 Prozent und ist somit in ganz Europa am niedrigsten. In Dänemark sind es 60 Prozent.

Der Staat in der Pflicht

Das Verbüßen einer Haftstrafe allein macht aus einem Straftäter keinen besseren Menschen. Es sollte die Aufgabe eines Wohlfahrt-Staates sein, sich um diejenigen zu kümmern, die auf die schiefe Bahn geraten sind, damit sie eine echte Chance auf ein besseres Leben haben. 

Ein Gegenargument könnte sein, dass viele Kriminelle gar kein Interesse an einem integren Leben haben. Wenn die dänischen Zahlen aber so sehr von den norwegischen abweichen, stecken mit Sicherheit andere Gründe dahinter. 

Nicht nur Freizügigkeit eingeschränkt

Ein Mensch kommt ins Gefängnis und verbüßt seine sogenannte „Freiheitsstrafe“, die sich per Definition auf die körperliche Bewegungsfreiheit bezieht. Gleichzeitig ist das dänische Gefängnissystem so eingerichtet, dass viele andere Rechte ebenfalls eingebüßt werden. Etwa die freie Arztwahl. Man hat nicht die Möglichkeit, sich gesund zu ernähren und kann nicht frei wählen, durch welche Medien man sich politisch oder gesellschaftlich informiert, da man zumindest im geschlossenen Vollzug keinen Internetzugang hat.

Was macht Norwegen also besser? Dort behalten die Insassen alle Rechte außer ihrer Freizügigkeit und ihnen wird während der Haft ein Leben gewährt, das im Rahmen der Möglichkeiten an das außerhalb des Gefängnisses erinnert. Verkürzt gesagt.

Wohin nach der Haft?

Wer aus einem dänischen Gefängnis entlassen wird, hat eine kürzere oder längere Zeit der Bevormundung hinter sich. Und dann: Gefängnistür auf, ehemaliger Insasse raus, Gefängnistür zu. Dann steht er da, an einer Bushaltestelle, irgendwo in der Provinz. Und geht dahin, wohin jeder Mensch gehen würde: zu seinen alten Freunden und Bekannten.

Wenn das ein kriminelles Milieu ist, bedeutet das für diesen Menschen kaum eine Veränderung. Wenn niemand da ist, der hilft, sich aus einem solchen Milieu zu verabschieden, hat dieser Mensch wenig Perspektive auf ein anderes Leben.

Wer schon mal versucht hat, eine Gewohnheit oder ein Verhalten zu verändern, weiß, wie schwer das ist.

Einfach abgucken

Das Mindeste sollte sein, die Häftlinge schon im Gefängnis solide auf ein Leben danach vorzubereiten, Eigenverantwortung während der Haft zu erhalten, sie nach der Entlassung zu begleiten, damit sie eine echte Chance haben.

Oder man reformiert einfach gleich das gesamte Gefängniswesen und schaut sich beim Nachbarn Norwegen ab, wie es besser geht.

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