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Weniger Menschen kämpfen mit Alkoholmissbrauch

Weniger Menschen kämpfen mit Alkoholmissbrauch

Weniger Menschen kämpfen mit Alkoholmissbrauch

Ritzau/nb
Kopenhagen
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Bedeutlich mehr Männer als Frauen haben ein schweres Alkoholproblem. Allerdings nimmt auch unter Frauen die Zahl der betroffenen Personen zu (Archivfoto). Foto: Andrea Löbbecke/Ritzau Scanpix

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Die positive Entwicklung ist nach Ansicht des Staatlichen Instituts für Volksgesundheit auf eine Reihe an entsprechenden Kampagnen zurückzuführen. Allerdings trinken nach wie vor viele Personen zu viel Alkohol.

„Gibt es jemanden, der sich in den vergangenen zwölf Monaten darüber beschwert hat, dass du zu viel trinkst?“ Oder etwa „Hast du innerhalb der vergangenen zwölf Monate regelmäßig als erstes Alkohol nach dem Aufwachen getrunken, um die Nerven zu beruhigen?“

Diese und eine Reihe weiterer Fragen haben in einer aktuellen Erhebung weniger Menschen als bislang bejaht.

Positive Tendenz

Neue Zahlen des Staatlichen Instituts für Volksgesundheit zeigen, dass die Anzahl erwachsener Menschen in Dänemark, die ein schweres Alkoholproblem haben, von 72.000 im Jahr 2010 auf 67.000 im Jahr 2021 gefallen ist.

Wenn man den Anteil der Personen mit schweren Alkoholproblemen reduzieren möchte, dann muss der allgemeine Verbrauch gesenkt werden. Das ist geglückt.

Ulrik Becker, Professor am Staatlichen Institut für Volksgesundheit

„Es geht in die richtige Richtung. Und auch, wenn ich mir wünschen würde, dass der Rückgang größer ausfiele, gibt es eine eindeutige, positive Tendenz. Und das ist erfreulich“, sagt Ulrik Becker, der am Institut als Professor zum Thema Alkohol forscht.

Kampagnen erfolgreich

Die Kampagnen und Verbrauchsempfehlungen der Gesundheitsbehörde seien eine der Gründe für den Rückgang, ist er überzeugt.

„Wenn man den Anteil der Personen mit schweren Alkoholproblemen reduzieren möchte, dann muss der allgemeine Verbrauch gesenkt werden. Das ist geglückt. Der Verkauf von Alkohol ist im Laufe der vergangenen 20 Jahre zurückgegangen, und wir wissen auch, dass es grundsätzlich weniger Menschen gibt, die mehr trinken, als empfohlen wird. Diese Entwicklung schlägt sich jetzt positiv nieder“, sagt er.

Früher war es an manchen Arbeitsplätzen üblich, den Tag mit einem Gammel Dansk zu beginnen. Das ist heute undenkbar.

Ulrik Becker, Professor am Staatlichen Institut für Volksgesundheit

Wachsendes Bewusstsein über Gesundheitsgefährdung

Gleichzeitig nehme das Bewusstsein über die schädlichen Wirkungen von Alkohol zu – sowohl am Arbeitsplatz als auch im Privatbereich. Alkohol sei nicht länger in gleichem Maß Teil des Alltags, sagt Ulrik Becker.

„Früher war es an manchen Arbeitsplätzen üblich, den Tag mit einem Gammel Dansk zu beginnen. Selbst in Krankenhäusern, wo ich gearbeitet habe, konnte man in der Kantine zum Mittagessen Alkohol kaufen. Das ist heute undenkbar“, so Becker.

Erstmals direkte Befragung seit Jahren

Auf die Untersuchung war unter Missbrauchsexpertinnen und -experten und den Kommunen gespannt gewartet worden, weil sie erstmals seit Jahren direkt die Teilnehmenden befragt hat. Diese hatten den Fragebogen zusammen mit möglichen Konsequenzen durch Alkoholmissbrauch an ihre e-Boks zugeschickt bekommen.

Es gibt weiterhin zu viele Menschen in Dänemark, die große Probleme haben.

Ida Fabricius Bruun, Direktorin des Interessenverbandes Alkohol&Samfund

Die neuen Erkenntnisse trügen hoffentlich dazu bei, Regierung und Kommunen für einen weitergehenden Einsatz zur Vorbeugung und Behandlung zu inspirieren, sagt Ida Fabricius Bruun, Direktorin des Interessenverbandes Alkohol&Samfund.

„Es ist natürlich erfreulich, dass weniger Menschen ein schweres Alkoholproblem haben. Aber es ist bedauerlich, dass unser Alkoholverbrauch grundsätzlich nicht mit derselben Geschwindigkeit zurückgegangen ist, wie dies in anderen Ländern der Fall ist. Es gibt weiterhin zu viele Menschen in Dänemark, die große Probleme haben. Das zerstört sowohl die Betroffenen selbst als auch ihre unmittelbaren Angehörigen“, sagt sie.

Forderung nach besseren Behandlungsangeboten

Sie fordert deshalb, die Qualität der kommunalen Behandlungsangebote zu erhöhen, sodass mehr Menschen mit einem Alkoholproblem und deren Angehörige besser qualifizierte Hilfe erhalten können.

„Es geht allerdings auch darum, dass wir hinter anderen Ländern hinterherhinken, wenn es um die Vorbeugung gegenüber Alkoholmissbrauch geht. Wir wissen, dass beispielsweise die Verfügbarkeit, hohe Preise und verschärfte Regeln für Werbung den Verbrauch sinken lassen. An diesen Stellschrauben ist in den vergangenen Jahren gar nicht gedreht worden. Erst, wenn das geschieht, wird die Zahl der Menschen in Dänemark mit einem Alkoholproblem merkbar sinken“, sagt Ida Fabricius Bruun.

Leichter Zuwachs bei Frauen

Während die Entwicklung unter den Männern positiv ist, ist es laut der Untersuchung schwieriger, die Entwicklung unter den Frauen in die gleiche Richtung zu lenken. Unter ihnen ist die Zahl mit moderaten Alkoholproblemen in etwa genauso hoch wie 2010. Der Anteil der Frauen, die mit schweren Alkoholproblemen zu kämpfen haben, ist sogar leicht gestiegen.

Wir wissen, dass beispielsweise die Verfügbarkeit, hohe Preise und verschärfte Regeln für Werbung den Verbrauch sinken lassen. An diesen Stellschrauben ist in den vergangenen Jahren gar nicht gedreht worden.

Ida Fabricius Bruun, Direktorin des Interessenverbandes Alkohol&Samfund

Besonders problematisch für Kinder

Kåre Skarsholm, Leiter der Organisation Tuba, die Beratung und Therapie für Jugendliche anbietet, die in einem Zuhause mit Missbrauch aufgewachsen sind, hält dies für eine besorgniserregende Entwicklung.

„Für die meisten Kinder ist die Mutter die primäre Bezugsperson. Deshalb ist es besonders schwierig, wenn die Mutter zu viel trinkt. Wir wissen, dass 50 Prozent der Kinder, die in einer von Missbrauch geprägten Familie aufwachsen, PTSD (posttraumatische Belastungsstörung, Red.) entwickeln“, sagt er.

Keiner weiß, wie viele Kinder und Jugendliche mit Eltern aufwachsen, die zu viel trinken. Eine Schätzung lautet, dass etwa 122.000 Kinder davon betroffen sind.

Knapp eine halbe Million Menschen haben Alkoholprobleme

Bislang war unklar, wie viele Menschen in Dänemark ein Alkoholproblem haben. Deshalb haben Missbrauchsexpertinnen und -experten, Kommunen und die Politik belastbare Zahlen gefordert. Diese wurden nun vom Institut für Volksgesundheit veröffentlicht.

Demnach zeigen circa 400.000 Erwachsene Zeichen moderater Alkoholprobleme. Das entspricht 8,33 Prozent aller Erwachsenen.

Etwa 67.000 Erwachsene haben schwere Alkoholprobleme. Das entspricht 1,39 Prozent aller Erwachsenen in Dänemark.

Die Antworten beruhen auf einem Fragebogen, der an die e-Boks von etwa 300.000 Personen versendet wurde. Etwa die Hälfte der Befragten hat geantwortet.

Die Zahlen sollen durch Angaben ergänzt werden, die zeigen, wie viele Kinder und Jugendliche in Dänemark in Missbrauchsfamilien aufwachsen.

Quelle: Staatliches Institut für Volksgesundheit

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