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Manipulierte Schönheit: Dänische Regierung will Kennzeichnungspflicht

Manipulierte Schönheit: Dänische Regierung will Kennzeichnungspflicht

Manipulierte Schönheit soll mit neuem Gesetz gestoppt werden

cvt/Ritzau
Kopenhagen
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Retuschierte Reklame an einem Sonnenstudio in Kopenhagen (Archivfoto) Foto: Finn Frandsen/Ritzau Scanpix

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Retuschierte Bilder und Filme in der Werbung sollen laut Regierung zum Wohle von Kindern und Jugendlichen gekennzeichnet werden. Erfahrungen aus Frankreich sind ernüchternd – doch manche Influencerinnen und Influencer zeigen bereits aus freien Stücken ein ehrlicheres Selbst.

Die Haut ist glatt und hat keine Spuren von Falten, Pickeln oder Schönheitsflecken. Die Lippen sind voll und die Augen unnatürlich groß.

Die sozialen Medien quellen über vor retuschierten Fotos und Videos, denen das Spiegelbild im heimischen Badezimmer kaum gerecht werden kann.

Deshalb will Gewerbeminister Simon Kollerup (Soz.) eine staatliche Kennzeichnungspflicht für retuschierte Werbebilder einführen.

So soll es Kindern und Jugendlichen leichter fallen, zu unterscheiden, was wahr und was falsch ist.

Gewerbeminister Simon Kollerup (Soz.) will Kinder und Jugendliche vor geschönten Darstellungen schützen (Archivfoto). Foto: Ólafur Steinar Rye Gestsson/Ritzau Scanpix

Der Gesetzentwurf in Stichpunkten

• Die Regierung will eine Kennzeichnungspflicht für retuschierte Werbebilder und -filme einführen.

• Wenn die Form, Größe oder Haut des Körpers durch Manipulationen verändert wurde, muss dies deutlich gemacht werden.

• Die Verpflichtung gilt für das Marketing auf allen Medien und Plattformen.

• Sie muss auch für das an Erwachsene gerichtete Marketing gelten.

• Influencerinnen und Influencer und Bloggerinnen und Blogger sind eingeschlossen, wenn sie eine direkte oder indirekte Bezahlung für die Werbung für ein Produkt erhalten.

• Die Ombudsperson für Verbraucherinnen und Verbraucher prüft, ob ein Bild oder ein Film retuschiert wurde. Sie muss die Möglichkeit haben, das Originalbild oder den Film anzufordern.

• Verstöße gegen das Gesetz können mit einer Geldstrafe geahndet werden. In besonders schweren Fällen sieht das Ministerium für Gewerbe eine Gefängnisstrafe vor.

Quelle: Erhversministeriet

Minister: Druck von Kindern und Jugendlichen nehmen

„Das Gewerbeministerium ist der Meinung, dass ein solches System dazu beitragen kann, den Druck, der mit unrealistischen Körperidealen verbunden ist und dem vor allem Kinder und Jugendliche ausgesetzt sind, zu verringern“, heißt es im Gesetzentwurf.

Das Label würde für Werbung auf allen Medien und Plattformen gelten. Dazu gehören Influencerinnen und Influencer, die für Kleidung, Schuhe oder andere Produkte werben.

Ein Gesetz würde es Kindern und Jugendlichen leichter machen, zu erkennen, wann die Realität bearbeitet wird.

Camilla Mehlsen, Børns Vilkår

Beim Kinderschutzbund Børns Vilkår fordern sie schon lange eine entsprechende Gesetzgebung. Die Expertin für digitale Medien, Camilla Mehlsen, erklärt gegenüber „Ritzau“, dass Körperideale so viel Platz in den sozialen Medien einnehmen, dass es notwendig ist, die Jüngsten mit Gesetzen zu schützen.

„So viel Inhalt handelt davon, wie man schöner, attraktiver und muskulöser wird. Ein Gesetz würde es Kindern und Jugendlichen leichter machen, zu erkennen, wann die Realität bearbeitet wird“, sagt sie.

Eine aktuelle Studie ihrer Organisation zeigt, dass geschönte Werbebilder das eigene digitale Verhalten von Kindern und Jugendlichen beeinflussen. 38 Prozent der Mädchen in der 9. Klasse ändern Bilder von sich selbst, bevor sie sie auf sozialen Medien posten.

Auch Jungen von manipulierten Bildern beeindruckt

Andere entfernen Bilder, wenn sie glauben, dass sie nicht genug Likes bekommen. Das trifft vor allem auf Mädchen zu, aber auch Jungen erliegen dem Online-Glamour. Zum Beispiel, wenn sie sich Bilder von muskulösen Armen und Sixpacks ansehen, sagt Camilla Mehlsen.

„Sowohl Jungen als auch Mädchen müssen in der Lage sein, ihre Schultern zu senken und sich selbst zu sagen: `Das ist nicht echt`“, so Mehlsen.

Mit der neuen Gesetzgebung wird Dänemark anderen Ländern folgen. In Frankreich ist die Kennzeichnung durch das sogenannte „Photoshop-Gesetz“ schon seit 2017 Pflicht. Doch weil das Label oft sehr klein und teilweise unleserlich verwendet wird, fällt es wenig auf. Zudem wird laut „taz.de“ kritisiert, dass es keine weiterführenden Informationen gibt. Kritikerinnen und Kritiker forderten deshalb, ein einheitliches Logo mit Erklärung zu verwenden – oder das Retuschieren gleich ganz zu verbieten.

Vor allem viele der jüngeren Generation gehen gegen den Strich. Sie haben eine authentische Welle gestartet, die ein ehrlicheres und wahres Selbst zeigt. Sie haben festgestellt, dass sie keinen Filter brauchen.

Camilla Stenmann, Social-Media-Trainerin

Norwegen schreibt seit dem 1. Juli vor, „retuschierte Person“ zu schreiben, wenn Bilder in der Werbung verschönert werden.

Die Zähne und die Augenfarbe sind die einzigen Dinge, die nicht von der Regelung abgedeckt werden.

Trend: Ehrliches Körperbild bei Influencerinnen und Influencern

Unabhängig von der Gesetzgebung verzichten viele Influencerinnen und Influencer schon jetzt auf das „Perfekte“. Sie teilen auch die Kehrseite des Lebens, sagt Camilla Stenmann, eine Influencing-Expertin und Social-Media-Trainerin.

„Vor allem viele der jüngeren Generation gehen gegen den Strich. Sie haben eine authentische Welle gestartet, die ein ehrlicheres und wahres Selbst zeigt. Sie haben festgestellt, dass sie keinen Filter brauchen“, sagt sie. Das, so die Expertin, sei der Schlüssel zum Erfolg.

„Den Fans gefällt das. Das Ehrliche bekommt oft mehr Kommentare und Likes als das Perfekte und Schöne“, so Stenmann.

Auch wenn die Realitätsnähe auf dem Vormarsch ist, stimmt sie zu, dass vieles noch immer inszeniert ist und eine Gesetzgebung daher herzlich willkommen sei.

Camilla Mehlsen von Børns Vilkår weist darauf hin, dass sich die meisten Kinder und Jugendlichen darüber im Klaren sind, dass sie möglicherweise Zeuginnen und Zeugen einer bearbeiteten Realität sind.

„Und doch schleicht es sich an sie heran. Das gilt auch für Erwachsene, aber noch mehr, wenn du jung bist und deine Identität erst aufbaust“, sagt sie.

 

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Siegfried Matlok
Siegfried Matlok Senior-Korrespondent
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