Lesung

„Es geht nicht um das Kämpfen, es geht um das Helfen“

„Es geht nicht um das Kämpfen, es geht um das Helfen“

„Es geht nicht um das Kämpfen, es geht um das Helfen“

Nele Dauelsberg
Apenrade/Aabenraa
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Obwohl Hannah Dobiaschowski (rechts) und Tommy Mørck (links) während der Veranstaltung über ein ernstes Thema sprechen, ist ihre Laune ausgelassen. Foto: Nele Dauelsberg

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Gegen die Terrororganisation Islamischer Staat kämpfte er an der Seite der kurdischen Miliz. Dabei betrat Tommy Mørck verbotene Gebiete und kam in Dänemark ins Gefängnis. Im Haus Nordschleswig las Dramatikerin Hannah Dobiaschowski einen Monolog über seine einzigartige Geschichte.

Er ist jemand, der mit fremden Menschen leidet. Deshalb verschlägt es ihn im Jahr 2016 in den Irak. Er möchte über die syrische Grenze, um gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu kämpfen. Helfen: Dafür schließt sich Tommy Mørck der kurdischen Miliz an und verpflichtet sich direkt für ein halbes Jahr.

Nur für kurze Zeit zurück in Dänemark wird dem Nordschleswiger sein Pass weggenommen und einige Monate später verurteilt ihn das dänische Höchstgericht in Kopenhagen zu sechs Monaten Haft.

 

Am Donnerstag las Dramatikerin Hannah Dobiaschowski ein Theatermonolog im Haus Nordschleswig über Mørcks Person und seine Zeit bei den Kurden. Anschließend antwortete der 43-Jährige auf viele interessierten Fragen des Publikums.

Entspannte Stimmung

Kurz vor 19 Uhr trudelten die ersten Gäste ein, begrüßten sich, nahmen sich ein Glas Wein oder Orangensaft und fingen an zu plaudern. Die Stimmung war gut und einige Sonnenstrahlen schienen noch durch die Fenster.

Als die Lesung, veranstaltet von der Deutschen Zentralbücherei für Nordschleswig in Apenrade, begann, lauschten alle der Stimme von Hannah Dobiaschowski. Sie erzählte von seinen Beweggründen, seiner Weltansicht und seinem Bedürfnis zu helfen.

Tommy Mørck (links) und Hannah Dobiaschowski unterhalten sich vor der Veranstaltung mit Mørcks Mutter, Elke Mørck (unten). Foto: Nele Dauelsberg

Ein Mensch, der helfen möchte

„Mir wird klar, dass ich immer mehr machen kann“, heißt es in Dobiaschowskis Monolog. Tommy Mørck ist jemand, der etwas verändern möchte. In der Gesellschaft konnte er nie seinen richtigen Platz finden. Er fängt immer wieder etwas Neues an.

Er beobachtet gerne seine Umgebung und fühlte sich schon immer ein bisschen anders, als der Rest. Dobiaschowski schrieb, er wäre „immer willkommen, aber nie ein Teil davon“. Menschliches Leid bekämpfen, anderen helfen und da zu sein, wo jemand gebraucht wird, findet er wichtiger als alles andere.

Ich könnte töten, aber es ist nicht passiert.

aus dem Thatermonolog von Hannah Dobiaschowski

Nachdem er von der Terrororganisation Islamischer Staat und dem Krieg in Syrien hört, fängt er an zu handeln: Er möchte helfen. Immer wieder heißt es, den Menschen solle in Dänemark oder Europa geholfen werden.

„Wenn das Problem in Syrien ist, muss auch die Lösung in Syrien sein“, beschreibt Dobiaschowski seine Gedanken von 2016. So kam es, dass er sich im selben Jahr auf die Reise mitten in das Kriegsgebiet wagte.

Bei den Kurden im Kampf

„Ich hatte vier Wochen lang Unterricht in der kurdischen Kultur und Sprache. Davon waren nur vier Tage Kampftraining“, erzählt Mørck von seinen ersten Wochen bei der kurdischen Miliz. Er kämpfte mit ihnen zusammen, weil sie ihn sicher über die Grenze vom Irak nach Syrien brachten. Dafür musste er sich ein halbes Jahr verpflichten.

Er ging in eine Einheit mit schweren Waffen, dort ist alles etwas langsamer. Er sprach die Sprache nicht gut und hatte Angst, etwas falsch zu verstehen, wenn Sekunden zählen. Und das taten sie.

Donnerstag las Hannah Dobiaschowski einen Theatermonolog über Tommy Mørcks Zeit bei der kurdischen Miliz vor. Foto: Nele Dauelsberg

„Ich weiß, ich kann schießen, aber ich werde es nicht genießen“, heißt es im Monolog. Mørck war dabei, als einer der kurdischen Fahrer starb und hat gesehen, wie sich ein IS-Soldat in die Luft sprengte. Tommy Mørck wusste, dass er schießen muss, wenn es darauf ankommt.

„Ich könnte töten, aber es ist nicht passiert“, liest Hannah Dobiaschowski weiter.

Im ständigen Kampf mit der Justiz

„Ich klage gerne“, erzählt Tommy Mørck lächelnd in der späteren Frage- und Diskussionsrunde. Ihm und der Dramatikerin gelang es, trotz des ernsten Themas eine lockere und entspannte Atmosphäre zu halten.

Die dänische Polizei entzog ihm nur wenige Tage nach seiner Rückkehr seinen Pass für über vier Jahre. Wegen illegaler Ausreise in ein Krisengebiet wurde er zu sechs Monaten Haft verurteilt. Dort musste er wie die anderen Gefangenen unter schlechten Bedingungen leben. Gegen all dies ging er juristisch vor.

Gefesselt von Tommy Mørcks Erzählungen hörte das Publikum Donnerstagabend aufmerksam zu. Foto: Nele Dauelsberg

„Wie kann es sein, dass Däninnen und Dänen einfach so der Pass entzogen werden kann?“, fragte eine Frau aus dem Publikum. Zustimmendes Gemurmel der anderen und erwartungsvolle Blicke auf Mørck zeigten, dass sie mit der Frage offenbar einen Nerv traf.

Tommy Mørck erklärte, die Polizei habe ein administratives Recht, bei dem ein Grund zur Annahme reiche. Er selbst sei bereits mit einer Journalistin nach Malmø gereist, als er keinen Pass hatte, um auf dieses Gesetz aufmerksam zu machen.

„Das Gesetz mit dem Pass finde ich für die Gesellschaft viel schlimmer, als das, wofür ich ins Gefängnis kam“, erklärt er.

Als Dankeschön für die Lesung bekamen Tommy Mørck (rechts) und Hannah Dobiaschowski (links) ein kleines Geschenk von der Deutschen Zentralbücherei für Nordschleswig. Foto: Nele Dauelsberg

Erfolgreicher Abschluss

Auch alle weiteren Fragen über seine Gerichtsverfahren und die Zeit in Syrien beantwortete Mørck. Er erzählte seine Geschichte gerne und freute sich über die vielen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörer. Auch Hannah Dobiaschowski war begeistert.

Sogar, als die Veranstaltung offiziell beendet war, blieben einige Gäste, um mit den beiden zu reden.

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