Leitartikel

„Historisch souveräne Bürgermeisterkür“

Historisch souveräne Bürgermeisterkür

Historisch souveräne Bürgermeisterkür

Apenrade/Aabenraa
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„Nordschleswiger“-Redakteur Volker Heesch nimmt die historische Dimension der bevorstehenden Wahl Jørgen Popp Petersens (SP) zum Bürgermeister der Kommune Tondern unter die Lupe.

In den Reihen der Schleswigschen Partei (SP) und ihrer Anhängerschaft innerhalb der deutschen Minderheit, aber auch in den Reihen ihrer Wählerinnen und Wähler aus der Mehrheitsbevölkerung herrscht Freude über die Einigung einer deutlichen Mehrheit im neu gewählten Kommunalparlament auf die Wahl Jørgen Popp Petersens zum neuen Bürgermeister der Westküsten- und Grenzkommune Tondern (Tønder).

Es wurde aus der örtlichen Lokalredaktion der dänischen Zeitung „JydskeVestkysten“ das Übergehen des „Wahlsiegers“ Tønder Listen bei der Einigung der Mehrheit im neuen Stadtrat auf Popp Petersen kritisiert. Für den bisherigen Bürgermeister Henrik Frandsen aus dieser aus der Partei Venstre ausgebrochenen Gruppierung war es sicher ein bitteres Erwachen nach dem Erfolg, die größte Fraktion stellen zu können. Ein Blick auf die Verständigung der neuen Kommunalparlamente auf Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den 98 Kommunen Dänemarks belegt jedoch, dass der Titel „Wahlsieger“ oder „Wahlsiegerin“ nicht vergeben werden sollte, bevor die von den Bürgerinnen und Bürgern gewählten Politikerinnen und Politiker ihr Verhandlungsgeschick unter Beweis gestellt und ihre Aufgaben erfüllt haben, die sicher mitunter an das Treiben auf einem orientalischen Basar erinnern.

Selbst in landesweiten Medien wurde die sich abzeichnende Wahl eines Bürgermeisters aus den Reihen der deutschen Minderheit als historisches Geschehen bezeichnet. Es wurde sogar behauptet, erstmals nach den Volksabstimmungen und der neuen Grenzziehung 1920 sei es zur Wahl eines deutschen Bürgermeisters gekommen. Das stimmt zwar nicht, denn es gab viele Jahre deutsche Stadtoberhäupter in Tondern und Hoyer (Højer), bis 1937 beziehungsweise 1946. In Orten, in denen 1920 die Einwohner mehrheitlich für einen Verbleib ihrer Heimatorte bei Deutschland gestimmt hatten, aber mit dem übrigen Nordschleswig aufgrund der geltenden Abstimmungsmodalität „en bloc“ und mit einer deutlichen dänischen Mehrheit in der gesamten Abstimmungszone 1 mit dem Königreich vereinigt wurden.

Der nordschleswigsche Historiker Hans Schultz Hansen weist zu Recht darauf hin, dass die heutige Wahl eines SP-Politikers nichts mit der Situation in den 1920er und 1930er Jahren zu tun hat, wo die Ära des deutschen Bürgermeisters Johannes Thomsen 1937 vor allem aufgrund der Nazifizierung der nach Grenzrevision trachtenden deutschen Minderheit endete. Der seriös-bürgerliche Thomsen wurde von den braunen Minderheitsfunktionären zur Seite gedrängt, und die Sozialdemokraten, denen viele deutsche Mitglieder angehörten, die zuvor die Wahl eines deutschen Bürgermeisters unterstützt hatten, entzogen einem NS-Bürgermeisterkandidaten ihre Unterstützung.

Inzwischen sind in Nordschleswig längst andere Zeiten angebrochen. Die deutsche Minderheit hat sich verändert, zieht bis in die Gegenwart Lehren aus der eigenen Vergangenheit einschließlich der dunklen Flecken und Verfehlungen. Und auch die übrige Bevölkerung hat mitbekommen, dass die heutige Generation von SP-Politikerinnen und -Politikern ebenso wie schon viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker der SP in den zurückliegenden Jahrzehnten für das Wohl ihrer Heimatkommunen eintreten.

Die Zeiten sind vorbei, wo es vor Jahren Proteste gab, dass der Newcomer der SP in Sonderburg, Stephan Kleinschmidt, als Minderheitspolitiker nicht das Amt eines Kulturausschussvorsitzenden erhalten dürfe.

Die SP-Vertreterinnen und -vertreter gehen mit dem Bekenntnis vor die Wählerschaft, dass sie selbstverständlich Interessen der deutschen Nordschleswiger vertreten, was aber kein Gegensatz zu dem Ziel ist, für das Wohl der gesamten Einwohnerschaft zu arbeiten.

So ist es erfreulich, dass nach der Entwicklung in Tondern auch Glückwünsche von der Partei der dänischen Minderheit, SSW, kommen, deren Vorsitzender Christian Dirschauer von einem „guten Signal für das deutsch-dänische Grenzland“ und von verbesserten Möglichkeiten spricht, dass gemeinsame Wünsche erfüllt werden, zum Wohl aller Bürgerinnen und Bürger im Grenzland.

Angesichts der bestimmt nicht leichten Aufgaben darf Jørgen Popp Petersen ebenso wie den übrigen Mitgliedern des Tonderner Kommunalparlaments viel Glück nach der historisch souverän durchgeführten Bürgermeisterkür gewünscht werden. Alle, die Jørgen Popp Petersen kennen, wissen, dass mit ihm als Kommunaloberhaupt Nordschleswig einen zusätzlichen Farbtupfer erhalten hat, das zum Vorteil des Grenzlands sein kommunalpolitisches Geschick noch mehr als bisher schon entfalten kann.  

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