Politik

Das erste Kreuz – Erstwähler reden über die Bundestagswahl

Das erste Kreuz – Erstwähler reden über die Bundestagswahl

Das erste Kreuz – Erstwähler reden über die Bundestagswahl

Nele Dauelsberg
Apenrade/Aabenraa
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Als (von links) Louisa Pflieger, Nadja Boetow, Julika Koehn und Lars Böhling anfingen, über Politik zu reden, waren sie kaum zu stoppen. Sie alle sind sehr gut informiert und haben sich zu den meisten Themen eine Meinung gebildet. Foto: Nele Dauelsberg

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Sie sind engagiert, interessiert und seit Kurzem auch politisch aktiv – Julika Koehn, Louisa Pflieger, Lars Böhling und Nadja Boetow durften Sonntag zum ersten Mal ihre Stimme abgeben. Heute berichten sie von ihren Eindrücken und davon, wie sie die deutsche Politik wahrnehmen.

Das Klischee der uninformierten und unpolitischen Jugend können die vier leicht widerlegen. Julika Koehn, Louisa Pflieger, Lars Böhling und Nadja Boetow haben sich dieses Jahr zum ersten Mal an einer größeren deutschen Wahl beteiligt, doch waren vorher schon auf Demonstrationen und haben sich mit politischen Themen beschäftigt.

Die drei Schülerinnen und der Schüler des Deutschen Gymnasiums für Nordschleswig (DGN) sind sich einig: Es muss eine Veränderung in Deutschland stattfinden. In einem Interview erklären die 18-Jährigen, was sie als Jungwählerinnen und -wähler beschäftigt und was ihnen Sorgen bereitet.

Louisa Pflieger hofft auf eine Regierung ohne die CDU. Sie ist der Meinung, dass die Chance auf Veränderung so größer ist. Foto: Nele Dauelsberg

Wir wählen für andere mit

„Als ich ins Wahllokal gegangen bin, hatte ich das Gefühl, dass meine Stimme wirklich zählt, dass ich die Zukunft beeinflussen kann“, erzählt Julika Koehn über den Wahltag. Sie hat auch das Gefühl, dass die Wahl dieses Jahr mehr zählt als in der Vergangenheit.

Ihre Mitschülerinnen und Mitschüler stimmen zu. „Zum ersten Mal keine Merkel, und wir kommen aus einer Krise. Es wird sich einiges verändern“, erläutert Louisa Pflieger.

Sie freut sich, dass sie zum ersten Mal mehr machen kann, als nur zu Demonstrationen zu gehen. Endlich kann sie am demokratischen Prozess teilnehmen. „Als junger Mensch wird man nicht gesehen“, erklärt sie, und auch hier sind sich die vier Jugendlichen einig.

Am besten hätten wir gestern anfangen müssen, etwas zu verändern.

Louisa Pflieger

„Die jungen Leute haben kaum Stimmkraft, schon rein von der Demografie her“, erklärt Lars Böhling. Deshalb finden die vier, dass es schon ein Wahlrecht ab 16 Jahren geben sollte, um dem entgegenzuwirken.

„Man darf anfangen, Auto zu fahren und Alkohol zu trinken. Einige fangen mit 16 schon an zu arbeiten und fördern so die Wirtschaft. Wieso darf man dann nicht wählen?“, fragt sich Julika Koehn.

„Letzendlich ist es so, dass die alten Leute für uns mit wählen, weil sie mehr sind. Viele verstehen das nicht, aber es ist so. Wir wählen für die Menschen in Deutschland mit, die kein Stimmrecht haben. Der Verantwortung sollte sich jede und jeder bewusst sein“, stellt Nadja Boetow fest.

Nadja Boetow kommt ursprünglich aus Baden-Wüttemberg, ist aber nur noch selten in ihrer Heimat. Deswegen habe sie auch von dem Wahlkampf nur wenig mitbekommen. Foto: Nele Dauelsberg

Mit Merkel aufgewachsen

16 Jahre lang war Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem Amt. Fast das ganze Leben lang hat sie die Schülerinnen und den Schüler als Regierungschefin begleitet. „Merkel war einfach immer da“, erklärt Louisa Pflieger.

Von links: Julika Koehn, Lars Böhling, Louise Pflieger und Nadja Boetow finden, dass das DGN ihnen geholfen hat, politisch interessiert zu werden. Foto: Nele Dauelsberg

„Es hat sich immer gut und sicher angefühlt mit Merkel als Kanzlerin. Wahrscheinlich ist unsere Perspektive verklärt, wir sind schließlich mit ihr aufgewachsen und waren die meiste Zeit noch sehr jung“, erklärt Nadja Boetow.

Lars Böhling sieht die Zeit kritischer. „Natürlich fand ich Merkel als Bundeskanzlerin nicht schlecht, aber so im Nachhinein denke ich, dass einiges hätte besser laufen können.“ Deshalb ist seiner Meinung nach die kommende Amtsperiode umso wichtiger.

Lars Böhling kommt aus Norddorf. Der Schüler ist entsetzt darüber, dass Nebeneinkünfte von Politikerinnen und Politikern erst ab 1.000 Euro angemeldet werden müssen. Seiner Meinung nach sorge dies für mehr Intransparenz. Foto: Nele Dauelsberg

Die Zeit der Veränderung ist jetzt

„Am besten hätten wir schon gestern anfangen müssen, etwas zu verändern“, erklärt Louisa Pflieger. Die drei anderen Jugendlichen stimmen ihr zu.

Sie finden, dass der Klimawandel von der Politik ernster genommen werden sollte und sich die Parteien mehr anstrengen müssten, ihn aufzuhalten.

Julika Koehn findet, es wichtig, dass die Politik unattraktive Berufe attraktiver macht. Foto: Nele Dauelsberg

Warum diese ersehnte Veränderung nicht stattfindet, weiß seine Mitschülerin Julika Koehn: „Die Politiker und die Parteien wollen alle das Gleiche: gegen die Klimakrise vorgehen, mehr Digitalisierung schaffen, einen wirtschaftlichen Aufschwung und weniger Unterschiede zwischen Arm und Reich. Trotzdem diskutieren alle über die Umsetzung und handeln nicht.“

Die vier Schülerinnen und Schüler sind sich in ihrem Wunsch für die Zukunft also einig. Sie wollen eine Veränderung in Deutschland und sehen, wie gehandelt wird. Das erhoffen sie sich von der neuen Regierung.

„Digitalisierung ist ein wichtiges Thema, das in Deutschland stark rückschrittlich betrachtet wird. Ich komme ursprünglich von einer Schule in Deutschland und sehe den Unterschied zu Dänemark direkt“, erklärt Nadja Boetow.

Für sie ist Digitalisierung neben dem Klimawandel eines der wichtigsten Themen für die Zukunft Deutschlands.

Von links: Louisa Pflieger, Nadja Boetow, Julika Koehn und Lars Böhling hoffen, dass den jungen Menschen in Zukunft in Deutschland mehr zugehört wird. Foto: Nele Dauelsberg

„Es ist an der Zeit, dass sich Deutschland verändert. Es ist kein Land, dem es schlecht geht, trotzdem wird die Schere zwischen Arm und Reich immer größer“, stellt Lars Böhling fest.

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