100 Jahre – 100 Gegenstände – 100 Geschichten

Wohlfahrtdienst Nordschleswig – die Geschichte hinter einer Sammeldose

Wohlfahrtdienst Nordschleswig – die Geschichte hinter einer Sammeldose

Wohlfahrtdienst Nordschleswig

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Nordschleswig
Zuletzt aktualisiert um:
Sammeldose / Anna Martensen – Geschäftsführerin des Wohlfahrtsdienstes / Geschäftsstelle Wohlfahrtdienst Nordschleswig in Tingleff Foto: Deutsches Museum Sonderburg

Ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Deutschen Museums entdeckte den Gegenstand in einem Antikladen an der Westküste

2018 besuchte ein ehrenamtlicher Mitarbeiter des Deutschen Museums Nordschleswig einen Antikladen an der nordschleswigschen Westküste. Dort entdeckte er eine kleine Sammeldose. Viele wären an der Dose wohl vorbeigegangen und hätten ihr keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Nicht der ehrenamtliche Mitarbeiter. 

An der 15 Zentimeter hohen Dose mit  einem Durchmesser von  10 Zentimetern sind noch deutlich die Reste von aufgeklebtem Papier zu erkennen. Dies wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt darauf geklebt. Daraus lässt sich schließen, dass die Dose „recycelt“ und für eine andere Sammlung verwendet wurde. Zumindest lassen sich noch einige im Dänischen verfasste Wörter entziffern. Diese weisen darauf hin, dass die Dose wahrscheinlich in Verbindung mit einer Einsammlung in Hadersleben benutzt wurde.

Obwohl das Papier ursprünglich über die noch zu erkennende Prägung geklebt wurde, reichte dies aus, um die Aufmerksamkeit unseres ehrenamtlichen Mitarbeiters zu wecken. Bei genauer Betrachtung erkennt man die Worte „Wohlfahrtsdienst Nordschleswig“.

Dieser wurde am 24. Januar 1929 in Tingleff gegründet und stand in der Tradition der vaterländischen Frauenvereine. Letzterer entstand während des Krieges zwischen Österreich und Preußen im Jahr 1866. Aufgabe war die Pflege von verwundeten Soldaten. Durch den gemeinsamen Aufgabenbereich ergaben sich Verknüpfungen mit dem Roten Kreuz.

Viele der nordschleswigschen vaterländischen Frauenvereine wurden nach der Volksabstimmung 1920 nicht fortgeführt. Eine Ausnahme bildeten hier die „Hauptstädte“ Nordschleswigs. Die dortigen Vereine bildeten dann u. a. die Grundlage für den Wohlfahrtsdienst Nordschleswig.

Da die Pflege von verwundeten Soldaten keine dauerhafte Aufgabe war, nahmen sich die vaterländischen Frauenvereine, und dann später auch der Wohlfahrtsdienst Nordschleswig, auch anderer Aufgaben an.

Dies waren beim Wohlfahrtsdienst Nordschleswig u. a. Pflege, Kinderlandverschickung, Erholungs- und Heilfürsorge (für Mutter und Kind), Betreuung von Pflege- und Waisenkindern, Einrichtung und Betrieb von Erholungsstätten in Nordschleswig, Unterstützung von Bedürftigen, Berufsberatung und Stellenvermittlung.

Die Aufgabe der Pflege wurde hauptsächlich durch die angestellten Gemeindeschwestern betrieben. Nach und nach wurden in verschiedenen Orten Nordschleswigs Gemeindeschwestern-Stationen als zentrale Anlaufpunkte eingerichtet. 1930 existieren insgesamt vier Stationen. Dies waren Uk, Süder Wilstrup, Gravenstein und Rapstedt. Die Anzahl wuchs später auf insgesamt 13.
Die Geschäftsstelle des Wohlfahrtsdienstes Nordschleswig wurde in Tingleff eingerichtet. Geschäftsführerin wurde Anna Martensen. Aus der Geschäftsstelle heraus wurden verschiedene Dinge organisiert. So unter anderem die Kinderlandverschickung. Kinder aus Deutschland bekamen so die Möglichkeit, eine Zeit in Nordschleswig zu verbringen. Aber auch nordschleswigsche Kinder wurden zur Erholung nach Deutschland geschickt. Beides sollte die Verbindung zur „deutschen Volksgemeinschaft“ stärken. Nordschleswigsche Kinder wurden etwa nach Tirol, ins Rheinland, in den Taunus oder ins Erzgebirge geschickt. Im Volkskalender von 1936 ist der Aufenthalt einer Mädchengruppe im Berchtesgadener Land mit einem Foto dokumentiert. Bei einer Wanderung um den Obersalzberg wurde ein Foto mit Adolf Hitler gemacht.

Eine weitere Tätigkeit des Wohlfahrtdienstes Nordschleswig bringt uns vielleicht wieder der anfänglich erwähnten Sammeldose näher. In Berichten über die Arbeit des Wohlfahrtdienstes im Volkskalender wird der Hilfseinsatz für die Deutsch-Gesinnten im Sudetenland erwähnt. 1938 wurden drei Eisenwarenwaggons mit Lebensmitteln und Kleidung von Nordschleswig auf den Weg gebracht. Zudem wurde auch eine Summe Geld zur Verfügung gestellt. Dieses könnte mit den Sammeldosen des Wohlfahrtdienstes gesammelt worden sein.

Mit Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auch der Wohlfahrtverein Nordschleswig aufgelöst. 1948 kam es dann zu einer Neugründung im sozialen Bereich. Der Sozialdienst Nordschleswig wurde gegründet.

Mehr lesen