100 JAHRE DEUTSCHE MINDERHEIT

Jugendbünde in den 1920er Jahren

Jugendbünde in den 1920er Jahren

Jugendbünde in den 1920er Jahren

Hauke Grella
Hauke Grella Museumsleiter
Sonderburg/Sønderborg
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Deutscher Jugendbund Broacker vor 1929 – im Innenhof der Deutschen Schule Broacker Foto: Privat

Wie die Jugendarbeit in der Minderheit – mit neuen Strukturen – ihren Anfang nahm.

 Die Organisationsstrukturen der deutschen Minderheit liegen heutzutage soweit fest und werden nach Bedarf angepasst. Dazu ist im Kern definiert, welcher Verband oder Verein welche Aufgabe übernimmt.

Rund um die Volksabstimmung 1920 gab es wenige Strukturen, auf die eine deutsche Bevölkerungsgruppe, ihre zukünftige Arbeit aufbauen konnte. Um ein Fortbestehen des Deutschtums in Nordschleswig zu sichern, ging es nun darum, in den Bereichen Politik, Bildung, Kirche, Kultur, Sport und Presse neue Strukturen zu schaffen.  
Da durch die Rahmenbedingungen der Volksabstimmung 1920 abzusehen war, dass Nordschleswig ein Teil von Dänemark werden würde, wurde schon in einigen Bereichen vorgearbeitet. So z. B. in  der Bildung, aber auch im Bereich der Kultur und der Jugendarbeit. 

Im Bereich der Jugendarbeit konnte man auf einige bestehende Vereine aufbauen. So wurden einige Gruppen des Wandervogels, wie auch einige Sportvereine, weitergeführt. Da diese aber vielerorts, gerade auch im ländlichen Raum, nicht vorhanden waren, mussten auch hier neue Strukturen geschaffen werden. 

Dabei behilflich war die Tatsache, dass es in Nordschleswig zwei Volkshochschulen gab. In Tingleff gründete man diese 1905, in Norburg 1911. Letztere stellte während des Ersten Weltkrieges den Betrieb ein. Aber der Bedarf war offenbar so groß, dass man sich in den unsicheren Zeiten, zwischen Beendigung des Krieges und der anstehenden Volksabstimmung, dafür entschied, den Betrieb am 1. Mai 1919 wieder aufzunehmen. So konnten noch drei Halbjahreskurse durchgeführt werden, bis der Standort nach der Volksabstimmung komplett aufgegeben werden musste. 

Zu dem ersten Halbjahreskursus, im Sommer 1919, strömten nicht nur die angemeldeten Kursteilnehmer. Auch unangemeldet kamen viele junge Menschen dazu. Diese waren auf der Suche nach kultureller und geistiger Beschäftigung. Schnell wurden, neben den offiziell angebotenen Kursen,  auch weitere Veranstaltungen angeboten. Nachdem der Sommerkursus 1919 beendet war, bildete sich aus diesen Extraangeboten der erste Jugendbund in Nordschleswig: der „Jugendbund für Norburg und der Norderharde“. 

Siegerdiplom des Deutschen Jugendbundes Broacker von 1922. Foto: Privat

 

Das Programm der Jugendbünde bestand aus vielen verschiedenen Angeboten. In Norburg wurde mit dem Tanzen von traditionellen Alsener Tänzen begonnen. Dazu kamen sportliche Betätigungen wie Schlagball, Faustball und Handball. Im kulturellen Bereich wurden Theater- und Bühnenspiele angeboten, aber auch Vortragsreihen zu verschiedenen Themen. 

Auch der Gesang spielte in den Jugendbünden eine große Rolle. Der große Bedarf an Liedern und dessen Texten führte wohl auch dazu, dass die in Schleswig-Holstein beheimaten Grenzvereine, „Schleswig-Holsteiner Heimatbund“ und der „Wohlfahrts- und Schulverein für Nordschleswig“, damit begannen, ein eigenes Liederbuch herauszugeben. Heute wohl noch einigen bekannt, als das „Blaue Liederbuch“. 

Heute nutzen viele Vereine der deutschen Minderheit die Räumlichkeiten der deutschen Privatschulen Nordschleswigs. Für die entstehenden Jugendbünde war dies anfänglich natürlich nicht möglich. Deswegen nutzte man oft die Räumlichkeiten von deutsch gesinnten Gastwirten.  

Die Anzahl an Jugendbünden und dessen Mitgliedern stieg schnell. Auch deswegen sah man wohl den Bedarf eines Dachverbandes. Schon 1921 hatten sich Vertreter der verschiedenen Jugendbünde  in Rothenkrug getroffen und den „Deutschen Jugendbund“ als Dachorganisation gegründet. Dieser wurde dann in der Folgezeit zum „Deutschen Jugendverband Nordschleswig“ umbenannt. Diesem gehörten 1922 schon 30 Jugendbünde mit etwa 3.000 Mitgliedern an. 

Welche Bedeutung hatten die Jugendbünde für die Minderheit in den 1920er Jahren?
Wirft man einen Blick auf die Teilnehmerliste einer Jugendtagung im Jahr 1925, so wird einem schnell bewusst, dass die anwesenden Vertreter nicht wirklich zu dem Kreis der Jugendlichen zählten.  Auch wenn vor Ort sicher viele Aktivitäten direkt an Jugendliche gerichtet waren, so waren die Jugendbünde sicher auch eine Art Kulturverein für alle Altersgruppen innerhalb der Minderheit. 

Dies erscheint logisch, da in dieser Zeit ein Dachverband, wie heute der Bund Deutscher Nordschleswiger mit einem kulturellen Auftrag nicht existent war.

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