Lebensraum Nordsee in Gefahr

Weniger Schweinswale vor Sylt: Warum das alarmierend für das Ökosystem ist

Weniger Schweinswale vor Sylt: Warum das alarmierend für das Ökosystem ist

Weniger Schweinswale vor Sylt

SHZ
Sylt
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Die Population der Schweinswale vor Sylt nimmt ab – ein besorgniserregender Trend. Foto: Adobe Stockfoto/shz.de

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Das Außenriff, rund 35 Seemeilen westlich von Sylt gelegen, ist das wichtigste Schutzgebiet für Schweinswale. Hier haben Wissenschaftler einen drastischen Rückgang der Population festgestellt.

In der Nordsee sind Schweinswale mittlerweile fast unmöglich zu sehen. Dennoch gibt es auf Sylt die Möglichkeit, den Tieren nahe zu kommen – im neuen 360-Grad-Kino im Erlebniszentrum Naturgewalten in List.

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Immer weniger Schweinswale vor Sylt

In der Realität werden diese besonderen Momente zwischen Mensch und Tier immer seltener. Denn der Bestand der Schweinswale vor Sylt schrumpft schon seit geraumer Zeit. In der jüngsten Studie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) aus dem vergangenen Jahr ist von einem „besorgniserregenden Trend“ die Rede.

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Das Außenriff, rund 35 Seemeilen westlich von Sylt gelegen, ist das wichtigste Schutz- und Kalbungsgebiet für die bis zu eineinhalb Meter langen Wale. Und in diesem Bereich haben die Wissenschaftler einen drastischen Rückgang bei der Anzahl der Tiere in den vergangenen Jahren festgestellt. Laut der TiHo-Studie ist die Zahl der Wale im Sylter Außenriff seit 2002 um durchschnittlich 3,8 Prozent pro Jahr zurückgegangen.

„Die Ursachen für den Rückgang der Schweinswal-Population vor unserer Küste sind vielfältig“, so Dr. Anita Gilles, die an der Studie der Tierärztlichen Hochschule mitgearbeitet hat. „Es gibt ganz klare anthropogene, das heißt vom Menschen gemachte Ursachen, die für den Rückgang verantwortlich sein könnten. Dazu zählen unter anderem die Fischerei, der Bau von Offshore-Windfarmen, der Schiffsverkehr allgemein und in Teilen auch der von Menschen gemachte Klimawandel“, so die Wissenschaftlerin.

Bis Juli werden wieder Jungtiere geboren

In den kommenden Monaten – bis Juli – werden zwar auch wieder vor Sylt zahlreiche Jungtiere geboren. Umwelteinflüsse wie die zunehmende Schifffahrt, motorisierter Wassersport und Fischfang haben jedoch dazu geführt, dass die Lebenserwartung deutlich gesunken ist – auf vier bis sechs Jahre. Da die Weibchen allerdings erst zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr geschlechtsreif werden, hat dies auch Auswirkung auf die gesamte Population. Der Nachwuchs reicht nicht mehr aus, um dem Schrumpfen seiner Art effektiv entgegenwirken zu können.

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Dabei geht es beim Schweinswal nicht nur um den Bestand seiner Spezies. Anders als beispielsweise Seehunde oder Kegelrobben reagiert er empfindlicher auf Veränderungen im eigenen Lebensraum. So dient er als Indikator für ökologische Veränderungen. Schrumpft der Bestand, kann dies also als grundsätzlich schlechtes Zeichen für das gesamte Ökosystem gewertet werden. Grund genug für den Nabu, um auf den bedrohlichen Trend hinzuweisen und die Politik wachzurütteln. „Der Schweinswal steht auf der nationalen Roten Liste. Er findet weder ausreichend Nahrung, noch ruhige Gebiete zur Fortpflanzung und zu viele Tiere sterben als ungewollter Beifang in den Stellnetzen der Fischerei. Die Politik weiß das, tut aber nicht genug“, kritisiert Nabu-Präsident Jörg-Andreas Krüger.

Richtlinie der EU bislang ohne positiven Effekt

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Ein Aspekt, der bisher noch nicht ausreichend erforscht ist, sind die Auswirkungen der Offshore-Windparks auf den Bestand der Schweinswale. Es ist davon auszugehen, dass der Lärm beim Bau der Anlagen und später auch das Geräusch der sich drehenden Rotoren belastend sind für das empfindliche Nervensystem der Tiere. Um genauere Erkenntnisse darüber zu erlangen, läuft daher noch bis Ende des Jahres eine Studie der TiHo, die sich genau mit diesem Thema befasst. Die Ergebnisse könnten dann auch dafür sorgen, dass die EU-Richtlinie strenger angewendet wird.

Darüber hinaus haben sich im vergangenen Jahr Deutschland und neun weitere Länder im Rahmen des Walschutzabkommens ASCOBANS auf Grundlage wissenschaftlicher Empfehlungen für einen besseren Schutz des kleinen Meeressäugetiers ausgesprochen. „Unsere Schutzgebiete sind nicht wirksam, es fehlen verbindliche Vorgaben zur Reduktion von Unterwasserschall und es ist kaum abzusehen, welche Auswirkungen der massive Zubau von Windenergieanlagen insbesondere auf den Schweinswalbestand in der Nordsee hat“, so NABU-Meeresschutzreferentin Aline Kühl-Stenzel, die am ASCOBANS-Treffen teilgenommen hat.

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