Studenten zeigen Ideen für Sylt

Weniger Autos und grüne Dächer: Wird Westerland jetzt ruhiger und hübscher?

Weniger Autos und grüne Dächer: Wird Westerland jetzt ruhiger und hübscher?

Westerland soll ruhiger und hübscher werden?

SHZ
Westerland/Berlin
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Frisches Grün, statt Shopping pur: Nach den Ideen des Studententeams, soll die Friedrichstraße eine „grüne Achse vom Bahnhof bis an den Strand“ werden. Foto: Bodo Marks / SHZ

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Von der hässlichen Shopping,-und Fressmeile, zur schönen Innenstadt: Studenten der TU-Berlin haben jetzt Ideen entwickelt, wie Westerland in Zukunft aussehen könnte. Ob diese Vorschläge umgesetzt werden, ist aber unklar.

Wie soll die Westerländer Innenstadt der Zukunft aussehen? Seit Oktober 2020 haben sich zwei Studienprojekte vom Institut für Stadt- und Regionalplanung der Technischen Universität (TU) Berlin mit der Insel Sylt, dem Ortsteil Westerland und besonders dem Innenstadtbereich zwischen Bahnhof und Strandpromenade beschäftigt. Dabei entstand – in Abstimmung mit der Ortsentwicklung der Gemeindeverwaltung – ein 238-seitige „Entwurf eines städtebaulichen Rahmenplans“.

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Am Freitag wurde dieser Entwurf nun der Öffentlichkeit präsentiert – in einer Videokonferenz, die nicht nur ungezählte Teilnehmer online via Handy, Tablet und Computer verfolgten, sondern auch rund 40 Gäste beim Public Viewing der Sylter Bürgerinitiative „Merret reicht’s“ im Seminarraum der „Alten Post“ in Westerland.


„Unser Ziel war es, die Probleme und Potenziale Westerlands zu verstehen und Maßnahmen für die kommenden 15 Jahre zu erarbeiten“, erklärte Studentin Viktoria Troll. In Expertengesprächen, bei Stadtspaziergängen vor Ort und in einer Onlineumfrage hatten die 18 Studentinnen und Studenten Herausforderungen im Innenstadtbereich gesammelt und dabei sowohl den Städtebau, die Gewerbesituation, den öffentlichen Raum als auch das Dauerwohnen und die Verkehrssituation beleuchtet. Geleitet wird das Projekt der Uni von Roland Schröder und Lara Stöhlmacher

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Verschiedene Baustile mischen sich

Besonders falle die gemischte Architektur in der Westerländer Innenstadt auf, so das Resümee der Studenten. Um mehr „städtebauliche Identität“ zu schaffen, soll im Dialog mit den Entscheidungsträgern eine sogenannte Gestaltungsfibel entstehen, die ein einheitliches Ortsbild vorschreibt. Der Weg dorthin: Alte Gebäude sanieren, statt ständig neu zu bauen. „Außerdem könnte man Fassaden und Dächer begrünen, beispielsweise im Kurzentrum“, heißt es im Ideen-Katalog. Ein historischer Architekturpfad soll bei Bürgern mehr Bewusstsein für die historische Identität des Ortes schaffen.


Der angespannten Wohnsituation will das Studententeam auf Landesebene mit einem sogenannten Zweckentfremdungsgesetz entgegenwirken. Damit soll verhindert werden, dass Dauerwohnraum für die Ferienvermietung missbraucht wird. In anderen Bundesländern gibt es ein solches Gesetz bereits, „in Schleswig-Holstein ist ein Gesetzesentwurf der Piratenpartei schon vor Jahren abgelehnt worden“, erinnerte Zuschauer Christian Thiessen. Weitere Idee für mehr Dauerwohnraum: Große Parkplätze wie in der Johann-Möller-Straße sollen für den kommunalen Wohnungsbau freigegeben werden. „In Kopenhagen hat sich gezeigt, dass so etwas zu einer Abnahme des Individualverkehrs führen kann“, erklärte Roland Schröder.

Mehr Fahrräder und weniger Autos

Apropos Individualverkehr: Hier attestierten die Studenten dem Ort einen „nicht zukunftsfähiges Mobilitätsverhalten“: Zu viele Parkplätze, zu viel Durchgangsverkehr und zu teure Busse, dazu schlecht ausgebaute Fahrradwege. Ein „Mobility-Hub“ soll das lösen: Beispielsweise auf dem Parkplatz an der Kjeirstraße soll er den Wechsel zwischen Verkehrsmitteln erleichtern: Mit Bushaltestelle, Fahrradstellplätzen, Paketstation und Lastenfahrradverleih für den Einkauf. In der übrigen Innenstadt soll das Auto in den Hintergrund rücken und Fahrrädern Vorrang gewährt werden.


Insgesamt soll die Innenstadt ein Erlebniszentrum für Sylter werden: Weniger Konsum, weniger Tourismus. Die Außengastronomie soll stärker reguliert, die Außenflächen entsiegelt und begrünt und mit Bänken, Spielplätzen und Kunstinstallationen aufgewertet werden. Der Parkplatz am Brandenburger Strand soll für Märkte und Events genutzt und in der übrigen Zeit mit mobilen Spielelementen gefüllt werden. Das Gebäude am Funkturm samt Außenfläche soll eine Begegnungsstätte für Sylter mit konsumfreien Angeboten wie Handwerksstätten oder Tanzstudios werden, die Friedrichstraße eine grüne Achse vom Bahnhof bis an den Strand.


„Wer soll das alles bezahlen?“, fragte Katharina Kress. Letztendlich handle es sich bei dem mehrere hundert Punkte umfassenden Katalog lediglich um Vorschläge und Impulse, so die Antwort. „Was davon umgesetzt wird, ist eine politische Entscheidung.“

Genau daran werde es am Ende aber scheitern, befürchtete Zuschauerin Edda Raspé: „Alles, was heute gesagt wurde, wissen wir bereits. Auf Sylt geht es um viel Geld und wirtschaftliche Interessen, denen diese schönen Vorstellungen am Ende zum Opfer fallen werden. Unsere Gemeindevertretung schafft es schon bei deutlich kleineren Entscheidungen nicht, politische Mehrheiten zu finden.“ Trotzdem: Der Mehrheit gefielen die Ideen und „Merret reicht’s“ will sich für ihre Umsetzung stark machen. Ob das gelingt, wird die Zeit zeigen.

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