Parlamentarisches Patenschafts-Programm

Was ein Sylter in einem Jahr als Austausch-Stipendiat in den USA erlebte

Was ein Sylter in einem Jahr als Austausch-Stipendiat in den USA erlebte

Was ein Sylter als Austausch-Stipendiat in den USA erlebte

Lilly Nielitz-Hart
Sylt
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Jan-Erik Ingwersen ist nach einem Jahr in Utah wieder zurück in Deutschland. Foto: Lilly Nielitz-Hart/shz.de

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Der 24-jährige Jan-Erik Ingwersen aus Tinnum auf Sylt hat im Rahmen des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP) ein Jahr in den USA studiert und gearbeitet. Die Erfahrung hat ihn bereichert, aber auch verändert.

Ein paar Sätze reichen kaum aus, um über eine so prall gefüllte Zeit zu berichten, wie sie Jan-Erik Ingwersen aus Tinnum auf Sylt in den USA – genauer gesagt in der Stadt Ephraim im Bundesstaat Utah – erlebt hat. Er berichtet lebhaft von den vielen Erfahrungen, die er bei seinem Auslandsjahr mit den Menschen, dem Studium und der Lebens- und Arbeitswelt in einer fremden Kultur gemacht hat – alles dank eines Stipendiums des Parlamentarischen Patenschafts-Programms (PPP).

Große Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft

Einen sehr prägenden Eindruck haben vor allem die große Gastfreundschaft und tiefe Hilfsbereitschaft hinterlassen, die ihm entgegengebracht wurden, ebenso das Zusammengehörigkeitsgefühl, die sogenannte „Community“, wie das gemeinschaftliche Leben in den USA genannt wird. Während seines Auslandsjahres habe er enorm viel gelernt, über das Alltagsleben und kulturelle Differenzen zwischen Deutschland und dem Gastland USA. Er habe viele Freundschaften geschlossen, mit den Menschen vor Ort, aber auch mit anderen Stipendiaten und Studenten, zum Beispiel aus Lateinamerika.

Das Parlamentarische Patenschafts-Programm

PPP ist ein gemeinsames Programm des Deutschen Bundestags und des US-Kongresses und ermöglicht Schülerinnen und Schülern sowie jungen Berufstätigen die Möglichkeit, durch ein Stipendium ein Austauschjahr in den USA zu erleben. Im Gegenzug kommen junge US-Amerikaner nach Deutschland. Die Auswahl für das Stipendium erfolgt in drei Stufen und die Bewerber müssen unter anderem nachweisen können, dass sie ehrenamtlich tätig sind. Sie müssen auch von einem oder einer Bundestags-Abgeordneten aus ihrem Wahlkreis empfohlen werden. Bei Ingwersen, der seit langem in der Jungen Union aktiv ist, übernahm Astrid Damerow (CDU) die Patenschaft.

Wie Ingwersen erklärt, bekommt er immer noch Gänsehaut, wenn er an den Moment denkt, wo er die Bestätigung für das Stipendium erhielt. „Ein absoluter Glücksmoment“, sagt er. Danach sei es Schlag auf Schlag gegangen, er habe nur wenige Monate gehabt, um die nötigen Dokumente zu besorgen und Vorbereitungsseminare hinter sich zu bringen. Wo es hinging, habe er aber erst kurz vorher erfahren. Aufgrund der Corona-Krise verlief Ingwersens Aufenthalt dann etwas anders als vorgesehen, was sich allerdings als Vorteil erwies. Es hätten wesentlich mehr Fördergelder zur Verfügung gestanden, so dass er zwei Semester in Vollzeit am College studieren und nebenbei das Jahr in Teilzeit arbeiten konnte.

Alles musste selbst organisiert werden

Mit anderen Stipendiaten habe er sich ein Zimmer im Studentenwohnheim geteilt, statt in einer Gastfamilie zu wohnen. Viele Aspekte des Alltagslebens hätte er selbst organisieren müssen, vom Mietvertrag für die Wohnung bis zur Steuererklärung für die Teilzeitarbeit. „Wenn man nicht schon sehr selbständig ist, wird man es hier auf jeden Fall“, so Ingwersen. Seine Erfahrungen aus dem Beruf konnte er zum Teil in seine Jobs mit einbringen. So fand er schnell eine Beschäftigung als Nachhilfelehrer in einer therapeutischen Ausbildungseinrichtung. Am Snow College, an dem er studierte, nahm er unter anderem an Seminaren für politische Bildung teil, mit brandaktuellen Themen wie dem Ukraine-Krieg.

Als Juniorbotschafter der Bundesrepublik unterwegs

Zur Aufgabe der Stipendiaten gehört weiterhin, dass sie eine Rolle als Juniorbotschafter für die Bundesrepublik Deutschland übernehmen und im Freiwilligendienst – als sogenannter Volunteer – tätig sind. Als Volunteer gab er Lesehilfe für Kinder in einer Grundschule. Im College hielt Ingwersen Referate über deutsche Geschichte und Politik. Daraus habe sich ein reger Austausch mit anderen Studenten über die Unterschiede in den politischen Systemen ergeben. Jetzt agiert er als Kulturbotschafter und beantwortet per SMS Fragen von amerikanischen Freunden, die beispielsweise möchten, dass er ihnen erklärt, was „Koalitionsregierung“ oder andere politische Begriffe bedeuten.

Utah gilt als tiefreligiöser US-Bundesstaat, rund 62 Prozent der Bewohner sind Mormonen, daneben gibt es Katholiken und Baptisten sowie andere Religionsgemeinschaften. Auch für junge Menschen gehört die Kirche dort zum Alltag und Ingwersen fand schnell Anschluss in einer Baptistengemeinde: „Es war eine sehr lebendige, schöne Erfahrung und sehr sozial“, wie er sagt. Sofort eröffnete sich dadurch für ihn zudem ein breites Kontakt-Netzwerk, was ihm bei der Bewältigung der Alltagsaufgaben half. Er betont, dass einige Mit-Stipendiaten eine ganz andere Route eingeschlagen hätten und völlig andere Kontakte und Netzwerke aufgebaut hätten als er. Wichtig sei gewesen, Bindungen zu Menschen aufzubauen und sich auf kulturelle Unterschiede einzulassen. „Jeder hat sein ganz eigenes Jahr erlebt“, betont er.

Flexibilität und Anpassungsfähigkeit als Voraussetzung

Beeindruckt war er davon, dass man in Ephraim selten auf verschlossene Türen gestoßen sei, selbst der Kaffeebesitzer am Campus habe nichts dagegen gehabt, wenn man sich dort auch mal selbst bediente. „Auch Menschen, die mich kaum kannten, haben mich sofort nach Hause eingeladen“, erzählt er. Umso gewöhnungsbedürftiger sei es gewesen, dass fast jeder Erwachsene eine Waffe mit sich herumtrage, weil dies als unveräußerliches Recht und Zeichen der Freiheit gelte. Darüber hätten sich viele kontroverse Diskussionen ergeben. Nicht zuletzt wegen solcher Unterschiede seien Flexibilität und Anpassungsfähigkeit wichtige Voraussetzungen, um ein Auslandsjahr zu bewältigen, so Ingwersen.

Nach dem Auslandsjahr verändert wiedergekommen

Das Auslandsjahr habe auch ihn selbst ein Stück weit verändert und er blicke mit anderen Augen auf seine Lebenssituation: „Man stellt plötzlich fest, dass nicht mehr alle Rädchen ineinander passen“, sagt er. „Das Stipendium ist eine großartige Chance, sich persönlich weiterzuentwickeln.“ Gerade hat er seine IHK-Prüfung zum Bankfachwirt beendet, der Abschluss seiner 2019 begonnen Bankausbildung. Nach der Rückkehr aus dem Ausland blickt er nun auf eine neue Lebensphase und denkt darüber nach, ob er ein berufsbegleitendes Studium beginnen oder anderswo in Deutschland leben und arbeiten möchte.

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