Windrad-Freibrief für Gemeinden
Warum Robert Habecks neues Windkraftgesetz Unruhe auf Eiderstedt auslöst
Warum Robert Habecks neues Windkraftgesetz Unruhe auf Eiderstedt auslöst
Habecks neues Windkraftgesetz löst Unruhe auf Eiderstedt aus
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Noch ist Eiderstedt fast windradfreie Zone – doch weil Gemeinden künftig in Eigenregie neue Anlagen zulassen dürfen, kann sich das bald ändern. Sechs Orte auf der Halbinsel sind schon interessiert – Kritiker alarmiert. Was sagt das Land?
Die Halbinsel Eiderstedt ist an Schleswig-Holsteins Westküste bisher eine Ausnahme: In der beliebten Ferienregion mit dem Westerhever Leuchtturm als Wahrzeichen und St. Peter-Ording als Touristenhochburg gibt es kaum ein Windrad. Nur in Tating drehen sich seit drei Jahrzehnten neun Rotoren und weit im Osten, wo die Halbinsel noch gar nicht richtig angefangen hat, zwanzig weitere in Oldenswort und Uelvesbüll. Und weil Eiderstedt eine wichtige Vogelzug-Achse ist und in Teilen Landschaftsschutzgebiet, will die schwarz-grüne Kieler Regierung dort auch künftig keine weiteren Anlagen zulassen.
Zustände wie in Dithmarschens Norden befürchtet
Trotzdem fürchten manch Einheimische seit letzter Woche, dass es bald auch auf Eiderstedt aussehen könnte wie im benachbarten Dithmarscher Norden, wo hunderte Windkrafttürme in den Himmel ragen. Grund für die Sorge ist ein neues Gesetz des grünen Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, das Bundestag und Bundesrat am Freitag im Eiltempo beschlossen haben: Gemeinden dürfen künftig auch dort Anlagen aufstellen, wo das Land gar keine will.
„Eiderstedt könnte bald mit einem Wildwuchs an unzähligen Windrädern übersät werden – mit unabsehbaren Folgen für Natur, Landschaft und Tourismus“, warnt Rainer Palm aus Tating, Vorsitzender der Bürgerinitiative „Zukunft Eiderstedt“. Denn dank Habecks neuem Freibrief können sich Gemeinden auch auf der Halbinsel einfach über den Regionalplan des Landes hinwegsetzen.
Nur eine Gemeinde lehnt den geplanten Windpark ab
Sechs Orte haben zumindest schon die grundsätzliche Unterstützung eines vorgesehenen Windparks der „Planungsgesellschaft Eiderstedter Bürgerenergie“ beschlossen. Im einzelnen sind das laut Angaben der Amtsverwaltung das Kirchspiel Garding, Grothusenkoog, Katharinenheerd, Vollerwiek, Welt und Westerhever. Nur in Tetenbüll hat man sich gegen Windräder entschieden. St. Peter-Ording und acht weitere Gemeinden haben sich noch nicht festgelegt.
Für Kritiker Palm ist Habecks neuer Freibrief für die Kommunen umso alarmierender, als die schwarz-grüne Koalition in Kiel kürzlich die Möglichkeiten für direkte Demokratie eingeschränkt hat. So sind jetzt Bürgerbegehren gegen Bauprojekte und damit auch gegen Windparks unzulässig, die ein Gemeinderat mit Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen hat. „In Verbindung mit dem Verunmöglichen von Bürgerbegehren unter Beteiligung der Grünen“ habe ihn Habecks jüngste Gesetzesänderung zugunsten der Gemeinden „fassungslos gemacht“, wettert Palm.
Bürgerwindpark mit 20 bis 40 Anlagen geplant
Mit dem geplanten Bürgerwindpark auf Eiderstedt will eine Gruppe um den Katinger Landwirt und Eiderstedter Oberdeichgraf Jan Rabeler 20 bis 40 Anlagen auf der Halbinsel errichten. „Wir wollen hier auf Eiderstedt unseren Anteil an der Energiewende leisten“, begründet Rabeler das Projekt. Um möglichst viel Zustimmung für seine Pläne zu erhalten, will er die Einheimischen profitieren lassen. „Jeder Bürger auf Eiderstedt, der älter als 18 ist, soll sich an dem Windpark finanziell beteiligen können.“
Kritiker Palm und seine Bürgerinitiative überzeugt das allerdings nicht. Er sei weder gegen regenerative Stromquellen noch gegen Klimaschutz, sagt Palm. Doch Eiderstedt produziere „schon heute zehnmal so viel erneuerbare Energie, wie es verbraucht“. Daher gebe es keinen Grund, „die einzigartige Kulturlandschaft“ für den weiteren Ausbau von Windkraft „tiefgreifend zu verändern“.
So ähnlich sieht es die für die Landesplanung zuständige Kieler Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Zwar will auch die CDU-Politikerin gemeinsam mit ihrem grünen Umweltkollegen Tobias Goldschmidt die Windkraftflächen in Schleswig-Holstein von zwei Prozent des Landesgebiets auf drei Prozent ausweiten. Doch von Habecks neuem Freibrief für die Gemeinden halten beide nichts. Denn sie sehen dadurch ihre Pläne für einen möglichst geordneten und einvernehmlichen Ausbau der Windkraft durchkreuzt und fürchten genau die Konflikte, die sich nun auf Eiderstedt abzeichnen.
Land sieht kaum Chancen für Windräder auf Eiderstedt
Gegenüber shz.de weist Sütterlin-Waack nun zum einen darauf hin, dass Gemeinden bei ihrer künftigen Windkraftplanung ebenso wie das Land „naturschutzrechtliche Belange“ wie etwa den Vogel- oder Landschaftsschutz zu beachten hätten. Zum anderen müssten auch Gemeinden die vom Land vorgeschriebenen Mindestabstände zwischen Windrädern und Wohnhäusern einhalten – also die fünffache Höhe einer Anlage zu Dörfern und die dreifache Höhe zu Einzelgehöften oder Splittersiedlungen.
„Deshalb“, sagt Sütterlin-Waack, „gibt es nach Einschätzung des Innenministeriums auch künftig auf Eiderstedt nur wenige Potenzialflächen, auf denen Gemeinden versuchen könnten, eine Windplanung umzusetzen.“