Pastorenkolumne am Samstag

Warum Rainer Chinnow die Liebe zu Sylt nicht vergeht

Warum Rainer Chinnow die Liebe zu Sylt nicht vergeht

Warum Rainer Chinnow die Liebe zu Sylt nicht vergeht

SHZ
Sylt
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Rainer Chinnow ist seit mehr als 20 Jahren Pastor der Norddörfer-Kirchengemeinde. Foto: Nils Leifeld Foto: 90037

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In der Pastorenkolumne „Gott und die Insel“ der Sylter Rundschau befasst sich Pastor Rainer Chinnow der Kirchengemeinde Norddörfer mit seiner Liebe zu Sylt, die auch Touristenmassen und Veränderungen nicht trüben können.

Heute an der Promenade gewesen. Stefan getroffen, einen Ursylter. Er schaut nach hinten, die Treppe hoch, Richtung Friedrichstraße. Eine Wandergruppe, in Outdoorjacken eingepackt und mit Stöcken bewaffnet, schiebt sich gerade die Treppe hinunter. „Weißt du Rainer, früher waren wir in diesen Tagen unter uns. Biike war ein Fest für die Sylter. Heute sind die Plätze in den Lokalen von Gästen und Zweitwohnungsbesitzern besetzt. Für uns Einheimische hat die Insel keinen Platz mehr!“

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Überfüllte Insel, doch kaum Nachbarschaft

Stefan ist noch ein echter Sylter, auf der Insel geboren. „Unser Stammbaum reicht fast bis zu den Wikingern“, erzählt er halb stolz und halb scherzhaft. Stefan wohnt auf dem alten Familienstammsitz. Diesen zu halten, bringt Stefan nicht nur finanziell an seine Grenzen. „Ich überlege jede Woche, ob ich nicht alles verkaufen und von der Insel ziehen soll. Auf dem Festland gibt es noch Nachbarschaft. Da hilft einer dem anderen. Auf der Insel geht es doch nur noch ums Geld. Da werden Dünen flach gelegt, damit die Superreichen in einer Klinik mit Meeresblick regenerieren können.

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Aber dafür hat Munkmarsch ja jetzt einen breiteren Strand. Und schau Dir das riesige Haus in Deiner Nachbarschaft an: wen interessiert heute noch ein Steinzeitgrab? Jeder Gast bringt inzwischen sein Auto mit und die Hälfte davon noch zwei Hightech-Bikes. Früher hattest du noch eine Chance, auf den Fahrradweg auszuweichen, wenn die Straßen voll waren. Heute ist überall Stau. Das ist nicht mehr meine Insel.“

Als Zugereister auf die Insel vor 23 Jahren

Stefan war einer der ersten, die mich mit offenen Armen aufgenommen haben, als ich als Zugereister vor 23 Jahren auf die Insel kam. Er hat mir sein Sylt gezeigt und die Liebe zu dieser Insel in mir geweckt. Damals hat er mir den Horizont gezeigt. Ich schaue auf den Strand und dann aufs Meer. Es ist heute Nachmittag fast windstill. Ruhe zwischen zwei Tiefs. Stefan steht neben mir. Eine surreale Stille nach dem Sturm.


„Das ist mein Sylt“, sage ich und zeige auf das Meer und den Horizont vor uns. „Ernst von Salomon schrieb einst: Und Gott sprach: Es werde Kampen. Ich hätte formuliert: Und Gott sprach, es werde Sylt! Natürlich hast du Recht: Es wird sie immer geben, die Leute, die hier jeden Quadratmeter nur nach Euros berechnen anstatt die Insel mit ihrer Natur und ihrer Kultur wertzuschätzen. Was ich aber auch jeden Tag sehe, das ist das Sylt, das du mir gezeigt hast: den Sand, das Meer, den Horizont. Heute spüre ich noch mehr als damals, was du mir gesagt hast: diese Weite erweitert den eigenen Horizont. Hier zu stehen und diese Größe wahrzunehmen, das zeigt mir, dass wir nur ein winziger Teil von Gottes Schöpfung sind. Das Ganze ist viel größer. Und doch werden wir von Gott, der dies alles erschaffen hat, in unserer Winzigkeit geliebt und mit unserem Leben beschenkt.“

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Unvergleichlich schöne Orte auf Sylt, die wir schützen müssen

Stefan erwidert: „Ja, aber wir lieben weder das Ganze noch diese Insel, sondern zerstören beides!“ Ich antwortete: „Martin Luther sagte einst trotzig gegen die Resignation seiner Zeit: 'Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen'.“ Stefan fragt: „Was meinst du denn jetzt damit?“ „Ich lebe gern hier. Es gibt so viele Orte, die unvergleichlich schön sind. Und ich will alles dafür tun, dass jeder Quadratmeter hier wertgeschätzt und nicht nach Ertrag und in Euro bemessen wird. Aufgeben und an einen anderen Ort flüchten, das ist nicht meins. Es ist okay, zurück zu schauen, aber lieber möchte ich die Gegenwart und die Zukunft gestalten. Und beides so, dass wir Sylt als Gottesgeschenk erfahren. Wir, die wir hier leben. Und auch jene, die hierherkommen, weil Sylt ihre Seelen-Heimat ist.“

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„Mein Sylt. Ich liebe es.“

Wir gehen die Stufen runter ans Meer. Stefan schaut nach hinten, schüttelt den Kopf über die Wandergruppe, die uns schnaufend im Gleichschritt immer näher kommt. Ich schaue nach vorn und sehe ein grandioses Strandbild: weißgraue Wolken am azurblauen Himmel, das Meer aufgewühlt, lauter Wellenschlag, der Strand helle zusammengeschoben auf wenige Meter. Grenzenloser Horizont unter der Himmelskuppel. Fehlt nur noch ein Regenbogen vom Meer bis zur Friedrichstraße. Doch auch ohne ihn ist es schon ein kitschig-schönes Bild. Mein Sylt. Ich liebe es.

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