Früherer SPD-Abgeordneter

Wahlkampf an der Hafenspitze: Querdenker-Ikone Wolfgang Wodarg zurück in Flensburg

Wahlkampf an der Hafenspitze: Querdenker-Ikone Wolfgang Wodarg zurück in Flensburg

Wahlkampf an der Hafenspitze: Querdenker-Ikone Wolfgang Wodarg zurück in Flensburg

SHZ
Flensburg
Zuletzt aktualisiert um:
Wolfgang Wodarg im Wahlkampf für die „Basis". An der Hafenspitze in Flensburg sprach er vor rund 400 Menschen. Foto: Marcus Dewanger Foto: 90037

Diesen Artikel vorlesen lassen.

Wie wurde aus einem Flensburger SPD-Politiker ein Star der Querdenker-Szene? Antwortsuche beim Wahlkampf-Auftritt von Wolfgang Wodarg an der Hafenspitze.

Was ist nur mit Wolfgang Wodarg geschehen? Das fragen sich viele alte Weggefährten, die den heute 74 Jahre alten Mediziner aus der Zeit kennen, in der er für die SPD den Wahlkreis Flensburg-Schleswig im Bundestag vertrat. Das war zwischen 1994 und 2009. Drei Kanzler hat er im Parlament erlebt: Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel.

Unumstritten war Wodarg nie. Weder in der Parteiführung der SPD, die ihn vor den Wahlen selten mit guten Listenplätzen bedachte, noch an der Parteibasis in Flensburg und Schleswig, wo er immer wieder darum kämpfen musste, als Direktkandidat wieder aufgestellt zu werden.

Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern

Während die Parteioberen genervt waren, weil er selten bereit war, seine eigene Meinung der offiziellen Parteilinie unterzuordnen, stand er im Wahlkreis eher deshalb in der Kritik, weil er sich so selten vor Ort zeigte – insbesondere im Vergleich zu seinem Kollegen von der CDU, der kommunalen Rampensau Wolfgang Börnsen.

An diesem Sonntag nun zeigte sich Wodarg wieder einmal in Flensburg. Unter gänzlich anderen Vorzeichen. Aus dem streitbaren Gesundheitspolitiker von einst, der erst in diesem Jahr aus der SPD ausgetreten ist, ist eine Gallionsfigur jener geworden, die die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ablehnen und in ihnen ein Instrument der politischen Unterdrückung sehen.

400 Besucher an der Hafenspitze

Wodarg ist Spitzenkandidat der Partei „Die Basis“. Auf der Landesliste steht er in Mecklenburg-Vorpommern. Nach eigenen Angaben, weil die Liste in Schleswig-Holstein schon aufgestellt war, als er zur Partei stieß. Ohnehin wohnt er längst nicht mehr in Nieby bei Gelting, sondern in Berlin.

Weiterlesen: Wolfgang Wodarg wird Spitzenkandidat der Partei „Die Basis“ in Mecklenburg-Vorpommern

Seinen Wahlkampf-Auftritt an der Flensburger Hafenspitze wollen nahezu 400 Besucher miterleben. Viel mehr waren es vor wenigen Tagen bei Armin Laschet in Kappeln auch nicht.


Wodargs Anhänger, ob sie sich nun Querdenker nennen oder nicht, sind motiviert. Das zeigt sich an diesem Sonntagmittag. Sind sie auch radikal?

Wolfgang Wodarg selbst jedenfalls tut in seiner Rede zunächst alles, um diesem Eindruck entgegenzutreten. Das ihm unterstellt wird, er sei politisch nach rechts abgedriftet, macht ihn fassungslos. In Richtung der alten Weggefährten, die sich fragen, was mit ihm geschehen ist, sagt er: „Ich bin den Idealen, für die wir damals gekämpft haben, treu geblieben.“

Einsatz für Rot-Rot-Grün

Er erinnert daran, dass er in seinem ersten Politiker-Leben für ein rot-rot-grünes Bündnis auf Bundesebene eingetreten sei. Und das klingt so, als würde er sich eine solche Koalition, für den Fall, dass die Basis den Wahlsieg verpasst, immer noch wünschen.

Weiterlesen: Prof. Birgit Liss: „Mehr oder weniger alle seriösen Wissenschaftler widersprechen den Thesenvon Dr. Wodarg“

Während seiner Dreiviertelstunde an der Hafenspitze wird deutlich, wie es dazu kam, dass sein Blick auf das Corona-Virus ein gänzlich anderer ist als der der meisten Fachleute und wie dieser Blick ihn dazu brachte, die Partei zu wechseln.

Kritik an Schweinegrippe-Impfung 2009

Um das zu verstehen, muss man zwölf Jahre zurückblicken. Damals warnte die Weltgesundheits-Organisation WHO vor der Schweinegrippe H1N1. Damals vertrat der SPD-Bundestagsabgeordnete dieselben Thesen wie heute der Basis-Spitzenkandidat. So erzählt er es in seiner Wahlkampfrede, und so lässt es sich auch in zahlrechen alten Artikeln nachlesen. Die Kurzfassung: Die korrupte Weltgesundheitsorganisation WHO habe vorschnell eine Pandemie ausgerufen, und das nur, damit die Pharmakonzerne ein Geschäft mit Impfstoffen machen konnten.

Rückblick: Wodarg prangert Impf-Kampagnen gegen die Schweinegrippe als Hysterie an

H1N1 stellte sich im Nachhinein tatsächlich als vergleichsweise harmlose Grippevariante heraus. Und Wodarg trat mit seiner Kritik sogar im japanischen Fernsehen auf.

Videoclips millionenfach geklickt

Als dann Anfang 2020 aus China die Nachrichten vom neuartigen Corona-Virus kamen, argumentierte er schnell genau so wie bei der Schweinegrippe. Und blieb dabei – auch als sich im März im italienischen Bergamo die Särge stapelten und sich bei Fachleuten wie Laien die Überzeugung verfestigte, dass die Welt vor einer ganz neuen Herausforderung steht. Wodarg dreht Videoclips, die millionenfach geklickt werden.

„Ich unterstelle nicht, dass Wolfgang es nicht gut gemeint hat“, sagte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach seinerzeit in einer viel beachteten Videobotschaft über seinen einst sehr geschätzten Mitstreiter aus der Bundestagsfraktion.


Hat sich Wodarg seither immer weiter radikalisiert? Seine Rede am Sonntag lässt das bis kurz vor dem Ende nicht erkennen. Mit ruhiger Stimme trägt er seine bekannten Thesen vor und erinnert zum Beweis, dass er Infektionskrankheiten ernst nehme, daran, wie er einst als Leiter des Gesundheitsamtes dem Flensburger Bürgermeister Olaf Cord Dielewicz geraten habe, angesichts einer Grippewelle den Neujahrsempfang zu verschieben.

Wodarg spricht von „Gewaltherrschaft“

Erst ganz zum Schluss seiner Rede sagt Wodarg einen Satz, der nach jemandem klingt, der das gesamte politische System ablehnt: „Wir haben eine Gewaltherrschaft, die mitgemacht wird von Leuten, die Angst haben sich dagegen zu wehren.“

Mehr lesen

Kommentar

Hannah Dobiaschowski
Hannah Dobiaschowski Projekte / Marketing
„Newcomer-Bandabend: Großer Erfolg und wichtige Jugendarbeit“