Landgericht Flensburg

Urteil im Jonas-Prozess: 20-Jähriger muss sieben Jahre in Haft

Urteil im Jonas-Prozess: 20-Jähriger muss sieben Jahre in Haft

Urteil: 20-Jähriger muss sieben Jahre in Haft

SHZ
Flensburg
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Der Angeklagte am Tag der Urteilsverkündung. Foto: Marcus Dewanger/shz.de

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Der Flensburger ist wegen der Tötung des 16 Jahre alten Jonas verurteilt worden.

Vor dem Landgericht Flensburg ist am Mittwoch ein 20-Jähriger wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der junge Mann den 16-Jährigen Jonas N. Anfang April auf einer Aussichtsplattform an der Duborg-Skole mit einem Küchenmesser erstochen hat.

Er habe „vorsätzlich getötet, ohne Mörder zu sein“, erklärte die Vorsitzende Richterin in der Urteilsbegründung. „Er plante nicht, Jonas zu töten, setzte sich aber damit auseinander.“ Im Verlauf des Prozesses wurde bekannt, dass der zum Tatzeitpunkt 19-Jährige eine Liste mit Tötungsfantasien führte und den Namen seines späteren Opfers auf das Tatmesser geschrieben hatte. Doch rechtlich gesehen reiche das laut Gericht nicht für Mordmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe aus.

„Immense Wut“ über jahrelange Demütigungen

Hintergrund für die Tat waren nach Ansicht des Gerichts „anwachsender Ärger über Demütigungen im öffentlichen Raum.“ Jonas hatte den älteren Jugendlichen mehrfach beleidigt und drangsaliert. Doch dieses Geschehen vor der Tat sei nicht der alleinige Grund gewesen. „Jonas triggerte erlebte Ohnmachts- und Wutgefühle“, erklärte die Richterin. Bei dem emotional instabilen Flensburger lösten demnach die Übergriffe auch eine „immense Wut“ über jahrelange Demütigungen aus, mit denen der 16-Jährige nichts zu tun hatte. Seit seiner Kindheit sei er immer wieder in eine Opferrolle geraten. Seine Reaktion war darauf zuvor fast immer defensiv.

Am Tag der Tat wollte er jedoch anders handeln, ging trotz „Burgplatzverbots“ durch Jonas bewusst zu der Plattform, an der der 16-Jährige sich häufig aufhielt „Weil er nicht länger ein Opfer sein wollte“, so die Richterin. Um sich mutiger zu fühlen, habe er das Messer bei sich geführt, auf dem zuvor noch Jonas Name stand, wollte aber, so das Gericht, den Streit eigentlich verbal klären. Bis er von Jonas angegriffen wurde. „Der Faustschlag triggerte die Rachegedanken“, so die Richterin.

Revision ist noch möglich

Als Notwehr wird die Tat nicht angesehen, obwohl sich der junge Mann rechtlich gesehen in einer Notwehrlage befand – Jonas hielt ihn noch gepackt. Doch der Flensburger drohte nicht und stach auch nicht mit geringer Kraft zu oder beispielsweise in den Arm. Er stach mit so großer Wucht in die linke Gesichtshälfte, so dass der Jugendliche verblutete. „Es war ihm bewusst, dass ein Messerstich in diesen Bereich zum Tod führen kann und nahm dies billigend in Kauf“, so die Erklärung.

Der bei seiner Tat 19-Jährige wird wegen seiner noch nicht ausgereiften Persönlichkeit nach Jugendstrafrecht verurteilt. Laut Gerichtssprecher Martin Wunderlich ist eine Jugendstrafe von sieben Jahren „am oberen Rand“, sie darf maximal zehn Jahre dauern. Der Verurteilte hat nun eine Woche Zeit, um in Revision zu gehen. Ob dies erfolgt, ließ der Verteidiger nach der Urteilsverkündung zunächst offen. „Solange das Urteil nicht rechtskräftig ist, hängt der Jugendliche zwischen Baum und Borke“, deutete der Anwalt an, dass eine Wiederaufnahme auch Nachteile hat.

Jonas Mutter, die als Nebenklägerin auftrat, hatte die Richterin ihre Hochachtung ausgesprochen, da sie an dem Prozess „tapfer und gefasst“ teilgenommen habe. Ebenso sprach die Richterin Bedauern aus, dass nicht alle Fragen beantwortet werden konnten. Die grausamen Schilderungen zum Tod ihres Jungen hörte die Mutter so immer wieder mit an. Den Verlust ihres Kindes wird sie lebenslang mit sich tragen.

Die bisherigen Verhandlungstage im Überblick

Erster Verhandlungstag: Angeklagter schrieb Jonas' Namen auf das Messer

Zweiter Verhandlungstag: „Wie in einem schlechten Mörderfilm“

Dritter Verhandlungstag: Warum der Freund das blutige Messer abwusch

Vierter Verhandlungstag: Ging es in dem Streit um nur zehn Euro?

Fünfter Verhandlungstag: Öffentlichkeit wird teilweise von den Verhandlungen ausgeschlossen

Sechster Verhandlungstag: Vater des Angeklagten sagt im Totschlag-Prozess aus

Siebter Verhandlungstag: Liste mit Tötungs-Fantasien auf Handy des Angeklagten gefunden

Achter Verhandlungstag: Was bisher aufgedeckt wurde – und was nicht

Neunter Verhandlungstag: Plädoyers im Jonas-Prozess: Staatsanwaltschaft fordert acht Jahre Haft

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