Sommer 2021 auf Sylt

Ungeduldig und fordernd – Wie Gäste Gastronomen das Leben schwer machen

Ungeduldig und fordernd – Wie Gäste Gastronomen das Leben schwer machen

Wie Gäste Gastronomen das Leben schwer machen

SHZ
Rantum
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Der Gastronom René Triphahn-Dahm muss sich täglich mit unkooperativen Gästen auseinandersetzen. Foto: Inga Kausch/shz.de

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Tagtäglich müssen sich Gastronomen Beleidigungen, Drohungen und Wutanfälle anhören – die Corona-Regeln verschärfen die Lage. Drei Betroffene aus der Sylter Gastrobranche berichten von ihren Erfahrungen und Strategien.

René Triphahn-Dahm ist ratlos und sauer. „Mir kommt es so vor, als wenn seit dem letzten Lockdown ein Schalter umgelegt wurde. Die Leute kommen mit einer Erwartungshaltung, der man nicht mehr gerecht werden kann.“

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Im August 2020 eröffnete der Sylter Gastronom das Abby's in Rantum – ein Café und Feinkostladen. „Damals waren die Menschen alle sehr zuvorkommend und haben sich ohne zu meckern an alles gehalten. Sie waren dankbar, rausgehen zu können.“ Auch damals seien die Hygienestandards hoch gewesen, doch nun habe sich das Verhalten gewandelt.

Sylt ist nicht wiederzuerkennen

„Die Leute sind ungeduldig und fordernd. Die geltenden Regeln sehen sie nicht ein und kommen mit der Einstellung, dass es auf Sylt kein Corona gibt und dass ich bei fehlenden Tests ein Auge zudrücken solle.“ Er betont, dass diese Gäste lediglich zehn Prozent der Kundschaft ausmachen, doch: „Dieser Anteil zieht die komplette Stimmung herunter und schafft eine aggressive Grundstimmung.“ Er stellt klar: „Natürlich grenzen die Corona-Regeln ein, aber da können wir als Gastronomen ja nichts für.“


Fachkräftemangel in der Gastronomie

Hinzu komme ein weiteres Problem: „Durch die Pandemie fehlt Personal. Wir machen zu viert häufig die Arbeit für zehn, wodurch zusätzliche Wartezeiten entstehen.“

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Der Unternehmer geht ins Detail: „Wir haben Hinweise aufgestellt, dass wir die Menschen zum Tisch bringen.“ Nur so könne er sicher sein, alles infiziert und kontrolliert zu haben. Doch: „Die Gäste drängeln und setzen sich einfach hin.“ Teilweise würden Wartende sogar drohen. Triphahn-Dahm berichtet: „Schnell heißt es: Lassen Sie mich rein oder es gibt eine schlechte Online-Bewertung.“ Dies haben einige Gäste auch wahrgemacht. „Wir hatten bis vor Kurzem nur 5-Sterne-Bewertungen. Die schlechten Kommentare jetzt sind geschäftsschädigend.“

Gelten andere Regeln in der Friedrichstraße?

Ein Argument gegen Corona-Auflagen höre er immer wieder: „In der Friedrichstraße läuft das aber anders.“ Malte Musiol hält davon wenig: „Das ist totaler Schwachsinn. Auch hier werden die Regeln umgesetzt, deswegen kann ich dieses Argument gar nicht verstehen.“ Musiol arbeitet im Restaurant „Moin“ in Westerland – inmitten des Zentrums und der Besuchermassen. Anfeindungen durch ungeduldige Gäste ist auch er gewohnt: „Heftig beschimpft werden wir hier durchaus. Da machen wir uns aber nicht viel draus.“


Ob sich diese Entwicklung in direkten Zusammenhang mit den Corona-Auflagen bringen lässt, weiß er nicht. Doch: „Wenn wir Gäste darauf hinweisen, dass sie warten müssen, bis wir ihnen einen Tisch zuweisen, stößt das nicht immer auf Verständnis.“ Heftige Beleidigungen fielen zwar nicht täglich, aber seien zur Gewohnheit geworden. Genauso wie die Drohung mit schlechten Online-Bewertungen.

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Große Zustimmung auf Facebook

Der Rantumer Gastronom René Triphahn-Dahm machte kürzlich seiner Wut auf Facebook Luft. Sein Post bekam knapp 600 Likes und an die 100 Kommentare – größtenteils Zustimmung. Diese kommt nicht nur aus der Gastronomiebranche: Auch Personal aus dem Einzelhandel, der Vermietung und von Taxiunternehmen äußern ihren Unmut.


Getränke zur Besänftigung im Beachhouse

Der Restaurantbetreiber vom Beachhouse, Jan Scharfe, hat Ähnliches wie Triphahn-Dahm und Musiol erlebt: „Wir müssen uns auch vieles gefallen lassen und wurden auf das Übelste beschimpft, aber das sind wirklich die wenigsten.“ Grundsätzlich sieht der Restaurantbetreiber die Sache jedoch pragmatisch: „Ich kann die Menschen auch teilweise verstehen bei den ganzen Auflagen und der Warterei.“ Seit Mitte August bewirtet er auch geimpfte Gäste nur noch mit einem negativen Testergebnis – das Konfliktpotential ist also hoch.


Sein Personal sensibilisiere er regelmäßig für den Umgang mit den Gästen zu Corona-Zeiten. „Wichtig ist Aufklärungsarbeit. Nach einem kurzen Gespräch und der Bitte um Verständnis sind die Gäste meist besänftigt und entschuldigen sich häufig für ihr Verhalten“, betont er. Seine Besänftigungsstrategie: „Wir haben eine Teststation direkt am Betrieb und während der Wartezeit gibt es Getränke auf's Haus.“

Sind Sie selbst in der Gastronomie auf Sylt und haben ähnliche Erfahrungen gemacht? Schicken Sie uns gern eine Mail an redaktion.sylt@shz.de und schreiben Sie uns, was sie erlebt haben.

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