Klimawandel in Nordfriesland

So soll im kleinen Bosbüll noch sehr viel mehr grüner Wasserstoff produziert werden

In Bosbüll noch sehr viel mehr grüner Wasserstoff produziert werden

In Bosbüll soll mehr grüner Wasserstoff produziert werden

SHZ
Bosbüll
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Weitere Photovoltaikanlagen sollen unter anderem auf dieser Fläche links des Knicks entstehen. Foto: Anja Werner / SHZ

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Klimawende und Unabhängigkeit in der Energieversorgung sind derzeit zwei große Themen. Im kleinen Bosbüll könnten dafür weitere große Schritte gemacht werden. Die Pläne dafür stellte die Gemeinde ihren Einwohnern vor.

Die aktuellen Ereignisse in der Ukraine bringen eine Brisanz in eine Bürgerveranstaltung in Bosbüll, auf die alle Beteiligten gerne verzichten würden. „Das Thema unabhängige Energieversorgung ist dadurch von einem Tag auf den anderen in den Fokus gerückt“, sagt Ove Petersen, Geschäftsführer der Firma GP Joule.

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Diese hat mit der kleinen Gemeinde Bosbüll schon große Schritte mit Blick auf regenerative Energien gemacht. „An sich ist es ein trauriger Rekord, dass bundesweit bisher nur in Bosbüll Windenergie zu grünem Wasserstoff veredelt wird“, sagt Petersen. Mit der dabei entstehenden Abwärme werden zudem noch viele Haushalte der Gemeinde klimaneutral beheizt.

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Doch Thema der aktuellen Veranstaltung ist die Ausweitung von Freiflächen-Photovoltaikanlagen – und das im großen Stil. Für diese Pläne möchte die Gemeinde an diesem sonnigen Sonnabend von ihren Bürgern in der Bosbüller Reithalle von Wind- und Wasserstoff-Pionier Johann Ingwersen ein Stimmungsbild einholen. Das Interesse ist groß, kaum ein Platz auf den vielen Bänken der Halle bleibt leer. Nach zwei Stunde ist klar, dass das Votum der Einwohner von glühender Befürwortung bis zur kritischen Ablehnung reicht.


Dabei geht es um diese Pläne: Auf verschiedenen Flächen, im Wesentlichen westlich der bereits bestehenden Solarparks und in einem großen Gebiet östlich des Dorfkerns in Richtung Klixbüll sollen nach derzeitigem Stand auf rund 40 Hektar Photovoltaik-Anlagen errichtet werden.

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Diese würden pro Jahr eine Leistung von rund 35 Megawatt erzeugen, 40.000 Tonnen CO2 könnten dadurch eingespart, 670 Tonnen Wasserstoff erzeugt oder theoretisch knapp 10.000 Haushalte mit Strom versorgt werden. Diese Zahlen nennt Jan Stadermann von GP Joule.

Alle Bosbüller können sich beteiligen

„Für das Projekt wird eine eigene Gesellschaft beteiligt, an der sich alle Bosbüller beteiligen können, selbst Jugendliche, die auf diese Weise vielleicht ihr Konfirmationsgeld anlege möchten“, sagt Johann Ingwersen. Durch die neuen Solarparks gewonnener Strom, der vor Ort nicht verbraucht oder zu Wasserstoff veredelt werden kann, soll durch ein Erdkabel zu einem Umspannwerk jenseits von Bosbüll weiter geleitet werden, ergänzt Ove Petersen.


Die Diskussion zeigt, einigen Bosbüllern gehen diese Pläne zu weit. Ein kleineres Teilstück der Planung, das für einige Anlieger zu nah an ihren Häusern entstehen würde, wird sofort gestrichen. „Wir finden, in Bosbüll gibt es schon genug Wind- und Solaranlagen. Es sollen nicht noch weitere Flächen zugepflastert werden“, kritisieren daraufhin einige Einwohner, die die vorgestellten Pläne komplett ablehnen.


Das Projekt habe zwei Seiten, so ein weiterer Einwohner: „Auf der einen steht die notwendige Energiewende sowie zusätzliche Einnahmen, auf der anderen geht es um Lebensqualität, um freie Flächen und weite Sicht.“

Bürgermeister Ingo Böh gibt zu bedenken, dass durch die regenerativen Energien nicht nur die an Parks beteiligten Bürger, sondern auch die Gemeinde in den vergangenen 20 Jahren gut verdient habe: „Durch diese Gewerbesteuereinnahmen konnten wir uns Einiges leisten.

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Werden die geplanten Solarparks nicht gebaut, wird sich das ändern, weil schon bald die ersten Windräder aus der EEG-Förderung rausfallen.“ Auch die geplante neue Gesellschaft werde ihren Sitz in Bosbüll haben und dort Steuern zahlen.


Zudem seien alle Photovoltaikanlagen in bereits belasteten Gebieten geplant, in denen es entweder schon Solaranlagen oder Windkraftanlegen geben würde. Planerin Karin Hansen teilt zudem mit, dass alle neuen Solarflächen knickartig eingegrünt würden. Gutachten, die sicher stellen, dass es keine Beeinträchtigungen für den Verkehr oder die Bewohner geben würde. „Unsere Voranfrage beim Land hat ergeben, dass die vorgeschlagenen Fläche alle als unkritisch einzustufen sind“, sagt Ingo Böhm.

Nach einigen weiteren kritischen stimmen, melden sich dann aber auch einige klare Befürworter der Solarparks zu Wort. Allen voran die Tochter eines 82-Jährigen Bosbüllers, der selbst aus gesundheitlichen Gründen nicht in die Reithalle kommen konnte.


„Ganz in seinem Sinne fehlt mir jedes Verständnis dafür, dass hier selbst junge Leute die Chance nicht nutzen wollen, etwas für die Energiewende zu tun, die Unabhängigkeit vom Atomstrom oder Gas aus Russland zu verringern und dabei die Entwicklung ihrer Gemeinde auch noch selbst in der Hand zu haben.“ Für diese leidenschaftlichen Worte gibt es fast von allen Applaus.

„Das ist ein wunderbares Schlusswort“, sagt Ingo Böhm. Doch Johann Ingwersen möchte danach noch betonen, „dass es mir eine Herzensangelegenheit ist, dass es diese Gemeinde und ihren Bewohnern gut geht.


Doch wir müssen doch alles dafür tun, dass unsere Kinder und Enkel eine Zukunft und mit Blick auf den steigenden Meeresspiegel auch noch eine sichere Heimat haben.“

Weitere Wasserstoff-Tankstellen

Für dieses Ziel möchte GP Joule in Bosbüll noch viel mehr grünen Wasserstoff produzieren und mit diesem nicht nur Autos, Busse und Lkw, sondern auch Züge und Fähren antreiben sowie weitere geplante Wasserstofftankstellen im Kreis und im Land beliefern.

Eine Entscheidung über den Bau weiterer Solarparks soll nun während der Sitzung der Gemeindevertreter im März gefasst werden.


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