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Schutz von Whistleblowern entzweit schwarz-grüne Koalition in Kiel

Schutz von Whistleblowern entzweit schwarz-grüne Koalition in Kiel

Schutz von Whistleblowern entzweit schwarz-grüne Koalition

Henning Baethge/shz
Kiel
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Keine gemeinsame Linie für den Bundesrat: CDU und Grüne in Kiel streiten über ein Gesetz der Ampelkoalition zum Schutz von Whislteblowern. Foto: Kay Nietfeld

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Anders als den Grünen geht Schleswig-Holsteins CDU ein Gesetz der Ampelkoalition zum Schutz von Whistleblowern zu weit – auch deshalb scheitert es vorläufig im Bundesrat. Die Opposition in Kiel ist verärgert.

Die Bundesregierung will Whistleblower besser schützen, also Beschäftigte, die Alarm schlagen, wenn sie Rechtsverstöße bei ihrem Arbeitgeber bemerken – doch in Schleswig-Holsteins schwarz-grüner Landesregierung gehen der CDU die Berliner Pläne zu weit. Obwohl die Grünen im Norden sie befürworten, hat das Land daher dem entsprechenden Gesetz der Ampelkoalition am Freitag im Bundesrat nicht zugestimmt.

Weil die anderen Länder, in denen die CDU mitregiert, genauso gehandelt haben, ist das Gesetz vorläufig gescheitert. Die Bundesregierung kann nun aber den Vermittlungsausschuss anrufen, um nachzuverhandeln.

Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken begründet ihre Ablehnung damit, dass das Gesetz „erhebliche Rechtsunsicherheiten und unverhältnismäßige Bürokratie“ schaffe. „Das Gesetz ist gut gemeint, aber leider schlecht gemacht“, sagt die CDU-Politikerin.

Sie kritisiert vor allem, dass die Möglichkeit vorgesehen ist, auch anonym Missstände an den Arbeitgeber zu melden. „Diese Regelung könnte dazu führen, dass die Voraussetzungen für die Meldungen aufgrund der Anonymisierung nicht rechtssicher geprüft werden können“, warnt sie. Auf gut Deutsch: Sie befürchtet, dass die Möglichkeit für anonyme Hinweise zu unbegründeten Vorwürfen und Denunziation einladen könnte.

Von der Decken kritisiert zu viel Bürokratie

Von der Decken moniert zudem, dass das Gesetz der Ampel den Unternehmen mehr bürokratische Lasten aufbürde als nach europäischem Recht notwendig. „Das vom Bundestag beschlossene Gesetz geht weit über eine 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben hinaus“, mahnt von der Decken.

So stört man sich in der Union nicht zuletzt daran, dass Whistleblower nicht nur vor Sanktionen und Repressionen geschützt werden sollen, wenn sie Verstöße gegen EU-Recht melden, sondern auch bei Hinweisen auf Verstöße gegen deutsches Recht. Zwar sagt von der Decken, sie habe nichts gegen den Schutz von Hinweisgebern. Aber sie wolle eine Überarbeitung des Gesetzes, „damit Missstände wirklich schnell behoben werden können“.  

Schleswig-Holsteins Grüne haben wenig Verständnis

Bei Schleswig-Holsteins Grünen hat man wenig Verständnis für die ablehnende Haltung der CDU. „Wir finden es sinnvoll, dass anonyme Meldungen möglich sind, weil in der Vergangenheit rund 70 Prozent alle Meldungen anonym erfolgt sind“, sagt deren Bundesratsexperte Udo Bünnagel, Leiter der schleswig-holsteinischen Landesvertretung in Berlin. Gerade gravierende Straftaten könnten so besser aufgedeckt werden. „Erfahrungsgemäß ist es so: Je schwerer das Delikt ist, desto schwerer tun sich die Hinweisgeber damit, ihre Namen zu nennen“, sagt Bünnagel.

Außerdem verweist er darauf, dass die Union ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern zwar verzögern, aber nicht verhindern könne. „Wir werden letztlich zueinander finden müssen – denn es handelt sich ja um eine EU-Richtlinie die eigentlich bis zum 31. Dezember 2021 hätte umgesetzt werden müssen“, gibt er zu bedenken.

Deutschland drohen Strafzahlungen an die EU

Schon jetzt hat die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Mitgliedsstaaten eingeleitet, die die europäischen Vorgaben für den Whistleblower-Schutz noch nicht berücksichtigt haben. Am Ende drohen diesen Ländern Strafzahlungen.

Die Opposition im Kieler Landtag kritisiert die Haltung der schwarz-grünen Koalition. Schon in der Vorgänger-Regierung, dem Jamaika-Bündnis, sei mit jedem Jahr Amtszeit die Zahl der Bundesratsthemen gewachsen, bei denen sich die Koalition uneinig war, lästert SPD-Fraktionschef Thomas Losse-Müller. Das setze sich nun fort. „Der Grund ist, dass CDU und Grüne in vielen wichtigen Fragen keine gemeinsame Position finden“, moniert er.

Losse-Müller: „Nicht das neue Deutschland-Tempo“

Das sei in diesem Fall „besonders bitter“, weil nun eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2019 weiter auf die Umsetzung warten müsse. „Das ist nicht das neue Deutschland-Tempo, das wir alle wollen“, spottet Losse-Müller.

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