Holocaustgedenktag

Rosa Weinberg aus Flensburg starb in der „Baltischen Hölle“

Rosa Weinberg aus Flensburg starb in der „Baltischen Hölle“

Rosa Weinberg aus Flensburg starb in der „Baltischen Hölle“

Bernd Philipsen/shz.de
Flensburg/Riga
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Stolpersteine erinnern in Hamburg an Rosa und Siegried Weinberg. Foto: Bernd Philipsen/shz.de

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Am 27. Januar ist Holocaustgedenktag. Anlass um an das Schicksal der gebürtigen Flensburgerin Rosa Weinberg zu erinnern.

Die „Baltische Hölle“, wie das System aus Ghettos und Konzentrationslagern im Raum Riga von Holocaustüberlebenden genannt wurde, war das Ziel eines Eisenbahnzuges, der am 6. Dezember 1941 den Hannoverschen Bahnhof in Hamburg gen Osten verließ.

Die Nationalsozialisten tarnten Deportationen als „Arbeitseinsatz“, „Evakuierung“ oder „Abwanderung“, doch in Wahrheit waren sie für die meisten Betroffenen eine Reise in den Tod. Auch die gebürtige Flensburgerin Rosa Weinberg, die mit diesem Transport nach Riga verschleppt wurde, entging nicht der NS-Vernichtungspolitik.

Tochter eines jüdischen Kaufmanns

An ihr Schicksal soll anlässlich des Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar erinnert werden. Rosa war als Tochter des jüdischen Kaufmanns Eduard Wolff Nathan und dessen Frau Sophie Mathilde Dorothea, geb. Spöring, in Flensburg geboren worden.

Ihr Vater hatte zusammen mit seinem Bruder Isidor Nathan in Hamburg unter dem Namen „Nathan’s Hamburger Herrn-Garderoben-Bazar“ ein Textilunternehmen aufgebaut. Eduard Wolff Nathan übernahm die Aufgabe, in Flensburg ein Filialgeschäft zu leiten, und siedelte aus diesem Grunde mit seiner Familie in die Fördestadt um.

Geschäft in der Großen Straße

Am 7. Dezember 1875 endlich war es so weit: In der Lokalpresse, den Flensburger Nachrichten und Flensborg Avis, ließ das Unternehmen großformatige Eröffnungsanzeigen platzieren. Darin wurde dem verehrten Publikum kundgetan, „daß ich unterm heutigen Dato am hiesigen Platz im Hause des Herrn Otto Stoehr ein Herrn-Garderoben-Magazin (…) eröffnet habe“.

Nathans Bekleidungsgeschäft hatte im Anwesen des Kaufmanns Stoehr in der Großen Straße mit der damaligen Haus-Nummer 536 (heute Große Straße 48) geeignete Räumlichkeiten gefunden. Die Wohnräume der Nathans befanden sich im Haus Nr. 526 am Nordermarkt (heute Nordermarkt 3), also nur einige Gehminuten vom Geschäft entfernt.

Tochter Rosa das zweite Kind

Hier wurde nach Elisabeth Henriette, die 1873 in Hamburg zur Welt gekommen war, als zweites Kind die Tochter Rosa geboren. Anfang 1879 trennten sich die beruflichen Wege der Nathan-Brüder: Isidor Nathan konzentrierte sein geschäftliches Engagement auf Hamburg, während Eduard Wolff Nathan mit seiner Familie nach Bremen ging.

Dort wurden weitere Kinder geboren, drei Söhne und fünf Töchter. Er war in Bremen ebenfalls als Kaufmann tätig und kehrte 1897 nach Hamburg zurück, um die Firma „Sam. Sachs“, ein Abzahlungsgeschäft für Möbel, zu übernehmen.

Heirat mit dem Kaufmann Siegfried Weinberg

Die in Flensburg geborene Tochter Rosa heiratete 1902 in Hamburg den Kaufmann Siegfried Weinberg und gründete mit ihm eine eigene Familie. Zunächst war ihr Mann in Bremen, wo zwei Kinder geboren wurden, später in Hamburg als kaufmännischer Geschäftsführer tätig.

Für sein Vaterland kämpfte er während des Ersten Weltkrieges an der Ostfront und wurde für seinen Einsatz mit dem Hanseatenkreuz und dem Ehrenkreuz der Frontkämpfer ausgezeichnet.

Der deutsche Staat, für den der patriotische Jude Weinberg in dem Krieg Leben und Gesundheit riskiert hatte, begann nach der Machübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933 damit, die jüdische Minderheit Schritt für Schritt zu stigmatisieren, auszugrenzen und zu entrechten.

Einweisung ins „Judenhaus“

Rosa und Siegfried Weinberg wurden 1939 in das Hertz-Joseph-Levy-Stift am Großneumarkt in Hamburg eingewiesen, eine Einrichtung, die als „Judenhaus“ zur Vorbereitung einer bevorstehenden Deportation diente.

Auf der überlieferten Deportationsliste der Gestapo für den 6. Dezember 1941 führen sie die Nummern 751 und 752. Insgesamt wurden etwa 1000 Frauen, Männer und Kinder – vom Säugling bis zum Greis – aus Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein in die Eisenbahnwaggons gepfercht.

Die Menschen dieses Transports wurden nach ihrer Ankunft in Riga am 9. Dezember nicht in das überfüllte Ghetto getrieben, sondern in das am Stadtrand gelegene KZ-ähnliche Lager Jungfernhof, das aus verfallenen Scheunen und Stallgebäuden eines ehemaligen Gutshofs bestand.

Katastrophale Zustände

Die unzureichend untergebrachten Häftlinge mussten dort Schikanen erleiden, waren der Willkür ihrer Bewacher ausgeliefert und lebten in ständiger Todesangst, von völlig unzureichender Ernährung und katastrophalen hygienischen Zuständen ganz zu schweigen.

In diesem Lager wurden Menschen erschossen, erschlagen, starben an Mangelkrankheiten und Hunger oder erfroren bei Minustemperaturen um 35 Grad. Der genaue Zeitpunkt und die Umstände des Todes von Rosa und Siegfried Weinberg sind nicht gekannt.

Das Flensburger Standesamt hielt 1957 in einer Randbemerkung auf der Geburtsurkunde von Rosa fest, dass sie von einem Gericht „für tot erklärt“ worden sei. Am Großneumarkt in Hamburg, vor dem einstigen „Judenhaus“, erinnern heute Stolpersteine an ihr Schicksal.

Äußerst brutaler SS-Oberscharführer

Überlebende von Jungfernhof beschrieben den Lagerkommandanten, den aus einem Dorf in Dithmarschen stammenden SS-Oberscharführer Rudolf Seck, als äußerst brutal. Er musste sich nach dem Kriege der Justiz stellen und wurde 1951 vom Hamburger Landgericht „wegen Mordes in acht Fällen in jedem Falle“ zu lebenslanger Zuchthausstrafe verurteilt.

1964 wurde er in Hamburg-Fuhlsbüttel aus der Haft entlassen. Seck – seit vielen Jahren Witwer – zog nach Flensburg und fand hier eine neue Lebensgefährtin. Er starb 1974 und wurde auf dem Friedenshügel bestattet.

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