Nach Auftritt bei Maischberger

Robert Habeck wird vom Liebling zum Buhmann

Robert Habeck wird vom Liebling zum Buhmann

Robert Habeck wird vom Liebling zum Buhmann

Henning Baethge/shz.de
Kiel
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In der Kritik: Robert Habeck bei seinem Auftritt in der Talkshow „Maischberger“ Foto: Oliver Ziebe/shz.de

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Kommt es wegen hoher Energiepreise zu einer Pleitewelle? Wirtschaftsminister Robert Habeck verheddert sich in einer Talkshow bei der Antwort auf die Frage und muss nun harte Kritik einstecken – auch aus seiner Heimat.

Erst wenige Monate ist es her, da wurde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für seine Politik und seine gute Kommunikation gefeiert. Nachdem der Grünen-Politiker in einem Video auf dem Twitterkanal seines Ressorts gut verständlich erklärt hatte, wie Deutschland sich von russischen Energielieferungen unabhängig machen will, wurde der Clip millionenmal aufgerufen und viel gelobt. „Danke für die gute Arbeit und die tolle Kommunikation – so fühlt man sich als Bürger ernst genommen“, fasste ein Nutzer den Eindruck vieler zusammen.

Doch eine Gasumlage und einen Talkshow-Auftritt später hat sich das Bild gewandelt. Habecks Politik und Kommunikation stehen plötzlich zunehmend in der Kritik. Die von ihm ausgetüftelte und von den Verbrauchern zu zahlende Gasumlage zur Rettung von Gasimporteuren erwies sich als schlecht gemacht, weil auch Unternehmen profitieren, die eine Hilfe gar nicht brauchen. Habeck musste Nachbesserungen ankündigen – und sich vom eigenen Koalitionspartner SPD harsche Kritik anhören: „Das Prinzip Habeck geht so: ­Auftritte filmreif, handwerk­liche Umsetzung bedenklich und am Ende zahlt der Bürger drauf“, ätzte SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese.

Oppositionsführer Merz nennt Habeck „hilflos“

Seit Dienstag Abend ist nun auch Habecks Ruf als Kommunikator stark angekratzt. In einem alles andere als filmreifen Auftritt in der ARD-Talkshow von Sandra Maischberger verhedderte der Flensburger sich so sehr in Antworten auf Fragen nach den wirtschaftlichen Folgen der Energiekrise für Bäcker und andere Handwerksbetriebe, dass ihm am Mittwoch selbst die sonst oft wohlgesonnene „Süddeutsche Zeitung“ einen „fahrigen Auftritt“ bescheinigte und die weniger wohlgesonnene „Bild“ ihn zu „Robert Ratlos“ ernannte. Im Bundestag lästerte Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz: „Wie hilflos sie in diesen Fragen sind, das konnte man gestern Abend im deutschen Fernsehen beobachten.“

Debatte über eine Insolvenzwelle

Was war passiert? Habeck hatte in der Talkshow die Frage verneint, ob er im Winter mit einer Insolvenzwelle rechne, und dann aber gesagt: „Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Branchen einfach erst mal aufhören zu produzieren.“ So könnten etwa Bäcker, Blumenläden oder Biomärkte wegen Kauf-Zurückhaltung „wirkliche Probleme“ bekommen. „Dann sind die nicht automatisch insolvent, aber sie hören vielleicht auf zu verkaufen“, sagte Habeck. Es klang so, als ob das nicht genau so schlimm wie eine Insolvenz wäre.

Auf den Einwand der Moderatorin, dass man Insolvenz anmelden müsse, wenn man nichts mehr verkaufe und kein Geld verdiene, entspinnt sich folgender Dialog. Habeck: „Man würde dann insolvent werden, wenn man mit der Arbeit immer größeres Minus macht.“ – „Aber wie wollen sie denn kein großes Minus machen, wenn Sie Leute bezahlen, aber nichts mehr verkaufen?“ – „Ich weise darauf hin, dass es nicht automatisch eine Insolvenzwelle geben muss. Aber es kann sein, dass sich bestimmte Geschäfte nicht mehr rentieren und dann eingestellt werden. Vielleicht werden sie später wieder aufgenommen, das kann ja sein, das ist dann ja keine klassische Insolvenz.“ Dennoch müsse man auch in diesen Fällen helfen.

Das Bäckerhandwerk reagiert empört

Beim Zentralverband des Bäckerhandwerks lösten die Aussagen des Ministers am Mittwoch Empörung aus: „Herr Minister, meinen Sie das ernst?“, schreibt der Verband auf Twitter und fragt dann ironisch: „Wenn Bäcker nicht mehr produzieren, ruht einfach der Betrieb? Löhne, Verträge laufen weiter, man wischt mal kurz durch, und wenn der Krieg vorüber ist, laufen die Öfen wieder an?“

Kritik aus Habecks Heimatland Schleswig-Holstein

Auch aus Habecks Heimatland Schleswig-Holstein kommt harsche Kritik. „Mittelständische Betriebe hören nicht einfach mal kurz auf zu produzieren – sie müssen Facharbeiter entlassen, die sie nie wiederbekommen, sie verlieren Kunden und müssen ihr Betriebsvermögen verlustträchtig versilbern, wenn sie sich nicht auch noch der Insolvenzverschleppung schuldig machen wollen“, wettert der dortige Landeschef der CDU-Mittelstandsvereinigung, Stefan Lange. Habecks Äußerungen seien „ein Offenbarungseid“.

Habecks Sprecherin verteidigt die Äußerungen

Dagegen verteidigte eine Sprecherin Habecks dessen Äußerungen. „Der Minister hat in seinem Statement bei Maischberger deutlich gemacht, dass der Blick auf die Insolvenzen allein viel zu kurz greift“, sagte sie. Vielmehr müsse man auch drohende Betriebsaufgaben betrachten, wenn man das Ausmaß der Gefährdung der Wirtschaft beurteilen wolle.

Der Minister will „beides im Blick“ haben

„Betriebsaufgaben bedeuten, dass Betriebe aufgeben ohne Insolvenz anzumelden, weil sie beispielsweise sehen, dass sie ihr Geschäft wegen hoher Energiekosten schlicht nicht mehr lohnt.“ Das sei zwar „nicht gleichbedeutend mit einer Insolvenz“, aber „gerade für kleine und mittlere Unternehmen ein ernstes Problem“. Daher sei es für Habeck wichtig, „beides im Blick zu haben“. 

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