Ukraine

Robert Habeck in Kiew: Das sagt der Vizekanzler zum Wiederaufbau

Robert Habeck in Kiew: Das sagt der Vizekanzler zum Wiederaufbau

Das sagt Robert Habeck in Kiew zum Wiederaufbau

Martin Schulte/shz
Kiew
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Vizekanzler Robert Habeck ist überraschend in der Ukraine gereist. In Kiew spricht er auch über den Wiederaufbau. Foto: Christoph Soeder/SHZ

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Vizekanzler Robert Habeck ist mit einer Wirtschaftsdelegation überraschend in die Ukraine gereist, um für den Wiederaufbau zu werben und dem Ampel-Frust zu entkommen.

Was hat Christian Lindner eigentlich am Montag gemacht? Immerhin ist bekannt, was er am Sonntag getrieben hat, nämlich ein großes Interview in der Springer-Sonntagspresse gegeben, mit Sätzen in Richtung Robert Habeck, die in ihrer Uneindeutigkeit kaum deutlicher sein könnten.

Auf die wenig subtile Frage, wann er denn das nächste Mal ein Bier mit dem Vizekanzler trinken würde, sagte Lindner: „Wir sind ja oft zusammen.“ Und wie sehr ihn sein innerkoalitionärer Gegenspieler nerve? „Gar nicht. Er ist einfach ein Kollege.“ Das klingt nicht nur kühl, das ist auch so gemeint – die beiden Ampel-Rivalen werden keine Freunde mehr. Ganz im Gegenteil. Und das könnte gefährlich für die Ambitionen Habecks werden.

Nach dem Koalitionsausschuss: Politischer Pragmatismus bei den Grünen

Das ist nicht erst seit dem Koalitionsausschuss der vergangenen Woche bekannt, aber während der drei Tage im Berliner Kanzleramt noch einmal deutlich geworden. Lindners FDP hat die Klimaziele dieser Regierung auf eine Art und Weise aufgeweicht, dass die Grünen es eigentlich kaum noch hinnehmen können. Dass die Ampel trotzdem noch besteht, lässt sich nur mit einem gewissen politischen Pragmatismus der Ökopartei begründen: Wenig ist mehr als nichts, zumal in diesen Zeiten. Und die große Krise ist auch eine Chance: Auf Veränderungen und auf Profilierung.

Konkurrenz zwischen Habeck und Baerbock

Dazu passt auch die überraschende Ukraine-Reise Habecks. Jenseits des unbefriedigenden Regierungsalltags hat der Wirtschaftsminister während dieses Trips die Möglichkeit, die Konturen seiner Politik nachzuschärfen und die Erzählung eines Mannes mit Weitblick zu gestalten: Während alle Welt noch über den Krieg spricht, redet er in der Ukraine über den Wiederaufbau.

Damit will er sich auch gegenüber dem Kanzler und der Außenministerin profilieren, die schon öfter miteinander um die Zuständigkeiten in der Ukraine-Frage gerungen haben. Die eine – Annalena Baerbock – ist Habecks Konkurrentin um die nächste Kanzlerkandidatur der Grünen, der andere – Olaf Scholz – der Mann, den beide bei der Bundestagswahl 2025 hinter sich lassen wollen.

Nun also Kiew: Er habe erst kommen wollen, wenn er etwas mitbringen könne, sagte Habeck laut der ARD während der Fahrt in einem Sonderzug. Der Mann kann also genauso subtil Gemeinheiten verteilen wie sein Gegenspieler Lindner – in Richtung der Regierungsmitglieder und Oppositionspolitiker, die sich mit kaum mehr als Solidaritätsbekundungen in die Ukraine aufgemacht haben.

Habeck aber habe, so führt er aus, eine Wirtschaftsdelegation mit konkreten Investitionsentscheidungen dabei, „die der Ukraine die Hoffnung macht, dass es nach dem Krieg wieder einen Wiederaufbau geben wird.“ Das sei aus Deutschland und wahrscheinlich auch aus Europa das erste Signal dieser Art. Zwei Alleinstellungsmerkmale, die er bewusst definiert. Es sind Worte der Profilierung, die er bei anderen ziemlich sicher kritisieren würde.

Habeck als Klimaschutz-Wirtschaftsminister

Aber es ist auch ein Reflex auf die Rolle, die die beiden Koalitionspartner ihm und seiner Partei aufdrängen wollen: Habeck, der unverbesserliche Klimaschutz-Wirtschaftsminister gegen die beiden Stimmen der fiskalischen (FDP) und bürgerlichen (SPD) Vernunft – das ist die Erzählung, die Gelb und Rot etablieren, dabei war man sich vor gut einem Jahr bei den Klimazielen noch ziemlich einig mit den Grünen. Der Krieg in der Ukraine und die sozialen Härten, die dieser auch in Deutschland nach sich zieht, haben die rot-gelbe Ampel-Binnen-Koalition einknicken lassen. Zu laut war das Murren in den ohnehin schrumpfenden Wählermilieus.

Ein Problem, das auch Habeck und die Grünen kennen. Zwischen Klima-Klebern und Realo-Positionen wird die Partei gerade aufgerieben, damit lässt sich auch Habecks deutliche Kritik an der Ampel vor dem Koalitionsausschuss erklären.

Und deshalb kommt Habeck diese Ukraine-Reise durchaus gelegen. Sie garantiert eine große Öffentlichkeit jenseits der üblichen grünen Themen. Schon im Mai 2021 war Habeck im Bundestagswahlkampf in die Ukraine gereist, sieben Monate vor dem russischen Angriff. Er forderte damals die Lieferung von Defensivwaffen für das Land, was vielen seiner Parteifreunde nicht gefiel.

Auch damals suchte Habeck aus persönlicher Frustration heraus ein neues Profil – vier Wochen zuvor hatte er Annalena Baerbock die Kanzlerkandidatur überlassen müssen. Das soll ihm nicht noch einmal passieren.

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