Schleswig-Holstein

Ohne Themen – so hat Daniel Günther die Landtagswahl gewonnen

Ohne Themen – so hat Daniel Günther die Landtagswahl gewonnen

So hat Daniel Günther die Landtagswahl gewonnen

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Analysiert die Landtagswahl vom Mai: Professor Dr. Wilhelm Knelangen von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Foto: Michael Staudt/shz.de

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Der Kieler Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen erklärt, warum der Ministerpräsident bei einer Wahl in einer „Zwischenzeit“ so deutlich vorn lag.

Der Politologe benutzt gleich zu Beginn ein großes Wort. Der Sieg von Daniel Günther bei der Landtagswahl im Mai sei „historisch“ gewesen, schreibt der Kieler Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen in seiner Kurzanalyse der Wahl, die jetzt auf dem Internetportal regierungsforschung.de erschienen ist.

Zudem habe Günther vor allem wegen des Mangels an landespolitischen Themen die Wahl gewonnen, in die er mit enormen Popularitätswerten ging. „Aus der Rückschau scheint es, als ob der Wahlkampf im Norden in einer ,Zwischenzeit‘ stattgefunden hätte – einer Phase, in der die Corona-Pandemie ihre dominante Rolle überwiegend verloren hatte, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges aber noch nicht das landespolitische Tagesgeschäft prägten“, schreibt Knelangen.

Kaum inhaltliche Auseinandersetzungen

Zum Start des Jahres sei allerdings die Pandemie noch zu spüren gewesen, was den üblichen Formaten des Wahlkampfes enge Grenzen gesetzt habe. „Eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Regierungsbilanz und künftige Prioritäten der Landespolitik entwickelte sich deshalb nur in Ansätzen“, erklärt Knelangen. Das habe vor allem der SPD geschadet, die weder sich noch ihren Spitzenkandidaten Thomas Losse-Müller bekannt genug machen konnte. „Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine rückte die Landespolitik noch stärker in den Hintergrund“, so Knelangen.

Auch die öffentlichen Diskussionsrunden, die in der heißen Wahlkampfphase wieder möglich waren, hätten keine Änderungen der Kräfteverhältnisse gebracht. „Nachdem es Anfang des Jahres noch danach ausgesehen hatte, als ob verschiedene Regierungskonstellationen möglich sein würden, setzte sich die CDU ab März in den Meinungsumfragen von den anderen Parteien ab. Lediglich die Frage, wie eine künftige Landesregierung zusammengesetzt sein könnte, vermochte kurz vor dem Wahltag eine gewisse Spannung zu erzeugen“, analysiert der Wissenschaftler.

Die SPD habe keine rechte Siegchance mehr gehabt, auch weil ihr die Machtoption gefehlt habe, denn die Grünen hätten kein „koalitionspolitisches Signal“ an die Sozialdemokraten gesendet. Zwar hatten die Grünen immer auf die inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der SPD verwiesen, aber eben eine Koalitionsaussage vermieden. Und auch der Sieg der SPD bei der Wahl im Saarland einige Wochen vor dem Urnengang in Kiel habe keinen Umschwung gebracht: „Dort herrschten offenkundig regionale Sonderbedingungen, die sich nicht auf den Norden übertragen ließen.“

Nur Grüne profitieren vom Bundestrend

Und auch die „Hoffnung, dass sich die Regierungsführung in Berlin positiv auf den Wahlkampf auswirken könnte, erfüllte sich nicht“. Vom Bundestrend hätten nur die Grünen profitiert, weil laut Umfragen 69 Prozent der Befragten der Aussage zustimmten, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sei eine große Unterstützung für die Landespartei. „Das sagten über Friedrich Merz nur 21 Prozent, über Olaf Scholz 27 Prozent.“ Am Ende hätten Günthers gute Popularitätswerte und die Zufriedenheit der Menschen mit der Jamaika-Koalition den Unterschied für die CDU ausgemacht, so Knelangen.

War die Wahl im Mai 2022 historisch? Wohl kaum

Ob das Wahlergebnis allerdings so historisch ist wie der Politologe schreibt, kann man zumindest anzweifeln. Zwar lag die Wahlbeteiligung mit 60,3 Prozent knapp über dem bis dahin schwächsten Wert von 2012 und die CDU erreichte ihr bestes Ergebnis seit 1983. Allerdings konnte die Union in den 70er Jahren dank Wahlergebnissen von mehr als 50 Prozent und damit einhergehenden absoluten Mehrheiten lange allein regieren. Historisch ist Günthers Wahlsieg damit allenfalls mit Blick auf die jüngere Vergangenheit in den Bundesländern zu sehen.

Und nun? Knelangen schreibt, dass die CDU in der Koalition „ein übermächtiger Partner ist, der mit jeder anderen Fraktion eine Regierung bilden könnte“, falls es zum Bruch der Koalition mit den Grünen kommen sollte. „Das bedeutet für die CDU allerdings, künftig mehr Initiative zeigen zu müssen. Der vermittelnde und pragmatische Politikstil, dem Ministerpräsident Günther seine hohe Zustimmung verdankte, könnte in der neuen Zweierkonstellation häufiger herausgefordert werden“, schreibt der Wissenschaftler. Das könne zum Problem werden, wenn die finanziellen Spielräume infolge des Ukraine-Krieges kleiner werden. Knelangen „Verteilungskonflikte spielten in fünf Jahren Jamaika kaum eine Rolle. Das muss nicht so bleiben.“

Die ganze Studie gibt es hier.

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