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Neue Studie der FH Kiel: So ticken die Väter von heute

Neue Studie der FH Kiel: So ticken die Väter von heute

Neue Studie der FH Kiel: So ticken die Väter von heute

Kay Müller/shz.de
Kiel
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Väter wollen heute mehr als das Geld für die Familie zu verdienen. Dabei geht es ihnen vor allem ums Spielen mit den Kindern. Foto: www.imago-images.de

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Welche Rolle nehmen Väter heute ein? Laut einer Studie mit Kieler Beteiligung wünschen sich Männer heutzutage eine „aktivere Vaterschaft“ – doch häufig scheitern sie daran. Wieso? Und was könnte ihnen helfen?

Das Klischee verschwindet. Nur rund zwölf Prozent der in einer neuen wissenschaftlichen Studie interviewten Väter halten es für ihre wichtigste Aufgabe, der Familie finanzielle Sicherheit zu bieten. „Die von uns befragten Väter haben angegeben, dass ihnen monetäre Werte nicht so wichtig seien, wie soziale oder emotionale Werte“, erklärt Kai Marquardsen, Professor für Armut und soziale Ungleichheit im Kontext der sozialen Arbeit an der Fachhochschule Kiel.

Verantwortlich dafür sind offenbar deren eigene Väter, die viele der Befragten als „zu bestimmend“, „abwesend“ und „mit der Arbeit zu beschäftigt“ beschreiben. Sie nutzen ihre Väter als „negatives Vorbild“ und betonen, dass sie selbst als Vater bewusst anders handeln würden.

Väter wollen „empathisch und verständnisvoll“ sein

Gemeinsam mit Projektleiterin Kim Bräuer von der Technischen Universität Braunschweig hat Marquardsen die „VAPRO-Studie – You don‘t need to be Superheroes“ erstellt. Das Team hat 2.200 Väter online befragt und 55 qualitative Interviews geführt. Dabei berücksichtigten sie neben rechtlichen und biologischen Vätern auch Pflegeväter, Väter in Co-Parenting-Konstellationen und homosexuelle Väterpaare.

Die Ergebnisse dieser Einstellungs-Untersuchung sind in vielen Teilen eindeutig. Das Bild vom Vater, der mit seinem Einkommen die Familie ernährt und mit den Kindern höchstens am Wochenende spielt, ist vorbei. Tatsächlich sei es Vätern heute vor allem wichtig, ihre Kinder „empathisch und verständnisvoll“ zu erziehen.

Fast 60 Prozent der Väter ist es am wichtigsten, dass sie ihren Kindern Zuneigung zeigen. Der Trend zu vermehrter aktiver Vaterschaft sei klar erkennbar, so die Wissenschaftler. Dabei engagieren sich die Väter am häufigsten in der Kinderbetreuung, indem sie etwa mit den Kindern spielen. Deutlich seltener übernehmen die Väter jedoch aktive Erziehungsmaßnahmen.

Väter arbeiten und spielen, Mütter erziehen

Fast 85 Prozent der Befragten ist wöchentlich 40 Stunden oder mehr erwerbstätig, während fast drei Viertel der anderen Elternteile nicht oder maximal 30 Stunden in der Woche arbeiten. Trotzdem nimmt fast jeder zweite Vater an, dass er sich genauso viel um familiäre Angelegenheiten der Kinderbetreuung kümmert, wie der andere Elternteil.

Lediglich jeder zehnte Vater übernimmt die meisten Aufgaben der Familienarbeit. Dies sind vor allem Väter, die ihre Erwerbstätigkeit beendet oder deren Umfang reduziert haben, um mehr Zeit für ihre Familie und die Versorgung der Kinder zu haben.

Viele Väter geben an, ihren eigenen Vorstellungen guter Vaterschaft nicht gerecht zu werden. „Hier zeigen sich Parallelen zur Mutter als Allrounderin, die im Job erfolgreich sein muss und gleichzeitig liebevoll die Kinder und ihre Verwandten umsorgt“, erklärt Kim Bräuer.

Dabei erlebten die Väter nicht nur einen Work-Family-Konflikt, so Bräuer. „Es scheint auch darum zu gehen, sich in ihrem Freundeskreis, in Vereinen oder bei der Versorgung der Eltern einzubringen und ihren Kindern auf diese Weise soziale Werte vorzuleben.“

Väter aus prekären Verhältnissen künnern sich vor allem um die Versorgung

Der Kieler Sozialwissenschaftler Kai Marquardsen hat sich vor allem mit der Rolle der Väter beschäftigt, die in prekären Lagen leben. „Selbstverständlich finden wir auch unter Vätern in Armutslagen eine Vielfalt im Erleben von Vaterschaft. Aber im Unterschied zu anderen Vätern ist für sie vor allem die materielle Versorgung der Familie wichtigeres Thema.“

In den Interviews sei deutlich geworden, dass für diese Väter insbesondere Herausforderungen auf materieller Ebene eine Rolle spielen, die bei Vätern in gesicherten Verhältnissen kein Thema waren. Die Forschung wisse noch viel zu wenig darüber, welche kurz- und längerfristigen Einflüsse gesellschaftliche Krisenereignisse wie Corona oder eine steigende Inflation auf die Praxis gelebter Vaterschaft in verschiedenen Milieus haben.

Dass Familie für alle Väter immer wichtiger wird, erkennt man daran, dass über 60 Prozent der online befragten Väter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Das deckt sich mit der Antwort auf die Frage, was einen guten Vater ausmache: 60 Prozent der Befragten, sagte: „Zeit mit dem Kind verbringen“, 27 Prozent erklärten: „Dem Kind Zuneigung zeigen“, zwölf Prozent sagten: „Dem Kind etwas beibringen.“

Beruf beeinflusst das Vater-Sein – oft negativ

Allerdings geben 75 Prozent der Befragten an, dass ihr Beruf ihr Vatersein beeinflusse – und davon wiederum 79 Prozent, dass es negativ tangiert werde. „Hier zeigt sich ein erstes Problem des Zusammenspiels von Familien- und Berufsleben“, schreiben die Autoren. 

„Insgesamt wird deutlich, dass den Vätern sozial-emotionale Werte besonders wichtig sind. Entsprechend erachten nur wenige der Teilnehmer ‚klassische männliche Werte‘ wie Disziplin (2,2 Prozent) oder Durchsetzungsfähigkeit (5,9 Prozent) als den wichtigsten Wert, den sie ihren Kindern vermitteln möchten“, heißt es in der Studie.

Handlungsempfehlungen der Wissenschaftler

Am Ende wird deutlich, dass viele der befragten Männer eine „aktive Vaterschaft“ wollen, sie aber offenbar nicht erfüllen können. Auch deshalb haben die Autoren am Ende ihrer Studie Handlungsempfehlungen aufgeschrieben, die sich vor allem an die Politik richten. Die Wissenschaftler fordern etwa eine sozialpolitische Garantie zur staatlichen Übernahme von Aufgaben der familiären Versorgung wie Kinderbetreuung oder Altenpflege, die „lebensphasenspezifisch gestaltet werden“ solllen und auf die Arbeitsorganisation abgestimmt werden.

Es gehe weniger darum, ein neues Bild von Vaterschaft zu vermitteln, als die Väter stärker in alltägliche Aufgaben einzubinden, erklärt Kim Bräuer. Es gehe vor allem um kommunale Vorort-Väterangebote:

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